Mobilfunkgebühren innerhalb der EU:Grenzenlos billig

Handy-Vergnügen zum Urlaubsstart: Günstige SMS und Tarife

Auch im Urlaub günstig: Mobilfunkanbieter unterbieten sich bei den Preisen.

(Foto: ag.dpa)

Mobilfunkanbieter Blau.de senkt die Gebühren für Telefonate ins europäische Ausland deutlich - und zahlt dafür erst einmal drauf. Was bringen den Billiganbietern die knauserigen Kunden?

Von Varinia Bernau

Dreimal klingeln hieß: Bin gut angekommen. So, sagt Holger Feistel, hat er seine Familie früher wissen lassen, dass er am Urlaubsort gelandet war. Heute greifen die Leute viel sorgloser zum Handy. "Nur wenn sie ins Ausland fahren, dann verhalten sie sich wieder wie in den Siebzigern", sagt Feistel, gehen also sehr sparsam mit dem Telefon um. Das will er nun ändern. Seit fünf Monaten ist er jetzt Chef des Mobilfunkanbieters Blau.de. Nun holt er zum ersten Coup aus.

Wer bei dem zu E-Plus gehörenden Billiganbieter ein Gesprächsguthaben bucht, der muss nun nur noch neun Cent pro Minute zahlen, wenn er von Deutschland aus in einem EU-Land oder in der Schweiz anruft - oder wenn er von dort nach Hause telefoniert. Bei den Rivalen, bei Telekom, Vodafone und O2, zahlt man das Siebenfache. Und auch nur in den Abendstunden.

Seit Jahren unterbieten sich die Mobilfunkanbieter mit immer neuen Niedrigpreisen. Die Preise fürs Telefonieren und Surfen unterwegs sind in den vergangenen Jahren stärker gesunken als etwa die für Lebensmittel oder Energie. 14 Euro im Monat, so schätzt der Branchenverband VATM, gibt jeder Deutsche durchschnittlich dafür aus.

Billigableger von Marken

Wer sein Guthaben nach Bedarf auflädt, also ein Prepaid-Angebot nutzt, der zahlt zwischen drei und sechs Euro. Wer einen Vertrag hat, zwischen 19 und 31 Euro. Und nun wird es also noch etwas billiger. So seltsam dies zunächst scheinen mag: Die Sache kann sich durchaus auch für die Anbieter rechnen. Und zwar gerade bei Gesprächen innerhalb der EU.

"Nichts im Mobilfunk ist, abgesehen von SMS, so profitabel wie Roaming", sagt Torsten Gerpott, der an der Universität Duisburg-Essen einen Lehrstuhl für Telekommunikationswirtschaft innehat. Dass die Billigangebote vor allem übers Internet gebucht werden, macht auch den Vertrieb billiger. Zudem müssen die Unternehmen die teuren Handys nicht subventionieren. All dies drückt die Kosten. Die Anbieter geben ihre Ersparnisse an den Kunden weiter, der immer genauer darauf achtet, was er für sein Geld bekommt.

Etwa ein Drittel des deutschen Mobilfunkmarktes besetzen die mehr als 50 verschiedenen Billiganbieter inzwischen. Tendenz steigend. Darunter sind auch einige Marken, hinter denen die etablierten Mobilfunkanbieter stehen. Die Telekom leistet sich Congstar; Vodafone hat Otelo wiederbelebt; O2 lockt mit Fonic.

Das hat den Vorteil, dass das Image der edleren Marke nicht angekratzt oder gar die teureren Tarife grundsätzlich infrage gestellt werden. Es geht darum, die jungen Kunden zu gewinnen. Diejenigen, die sich lieber im Internet umsehen, statt in einen Handyshop zu latschen. Diejenigen, die die etablierten Anbieter per se für Abzocker halten. Kurzum: die Kunden der Zukunft.

Was bringen einem knauserige Kunden?

Und doch wagt sich nun auch Blau.de nur vorsichtig vor. Das Angebot für die europaweiten Telefonate gilt zunächst nur bis Ende des Jahres. Denn das Unternehmen musste dazu mit den Mobilfunkanbietern im Ausland verhandeln - und vielfach in Vorleistung gehen. Drei Cent pro Gesprächsminute, so schätzt Gerpott, zahle Blau.de erst einmal drauf. Im Schnitt.

Wenn das Angebot nun vor allem in Ländern genutzt wird, wo Blau.de etwas günstigere Konditionen herausschlagen konnte, dann wird es wohl auch verlängert. Wenn hingegen viele aus Ländern anrufen, in denen Blau.de vor allem draufzahlt, kann die Sache auch schiefgehen. "Es ist eine große Wette", räumt Feistel ein.

Das Kalkül hinter der Aktion: neue Kunden gewinnen, die mehr telefonieren. Urlaubsreisende oder auch mal das Rentnerehepaar, das das halbe Jahr auf Mallorca lebt. Die meisten Europäer, so hat eine Untersuchung der EU-Kommission ergeben, sind zwar mit ihrem Mobilfunkanbieter zufrieden. Zufriedener jedenfalls als mit ihrem Stromanbieter oder ihrer Bank. Trotzdem halten sie ihrem Mobilfunk weitaus seltener die Treue. Nur die Versicherung wechseln sie noch leichter. Wird das Kalkül also wirklich aufgehen? Lassen sich über immer neue Billigtarife immer neue Kunden gewinnen?

Der Blick auf andere Anbieter zeigt: Es ist ein mühsames Manöver. Die Kunden von Fonic, so heißt es etwa bei O2, entschieden sich bewusst für ein Prepaid-Angebot. Nicht nur wegen des Preises. Sondern beispielsweise auch, um die Kosten besser im Blick zu haben und sich unabhängig vom Anbieter zu halten. Die meisten Mobilfunkverträge laufen schließlich mindestens über zwei Jahre.

Überlastete Mobilfunknetze

Immerhin aber, so die Erfahrung bei O2, helfe die Billigmarke, um Kunden zu binden - und diese wechseln im Laufe der Zeit durchaus in Tarife, die dann auch für den Anbieter etwas mehr abwerfen. Bei Congstar kommen mehr als ein Fünftel der Kunden von der Telekom. Immerhin, es waren mal mehr.

Die entscheidende Frage lautet also: Was bringen einem knauserige Kunden? Genug, um die milliardenschweren Investitionen in den Netzausbau zu stemmen?

Die Netze, so betont etwa Roman Friedrich vom Beratungsunternehmen Booz & Company, stehen schon jetzt unter Druck. Telefonate brechen ab, und das Youtube-Video ruckelt, weil immer mehr Menschen unterwegs nicht nur telefonieren, sondern auch all die Spielereien des Internets nutzen wollen. Und weil die Mobilfunkunternehmen mit dem teuren Netzausbau kaum noch nachkommen.

Als vor drei Jahren in Deutschland freie Funkfrequenzen versteigert wurden, ist ausgerechnet E-Plus ausgestiegen. Die Sache war einfach zu teuer geworden. Auch deshalb kann das Unternehmen nun nicht LTE, also besonders schnelle Internetverbindungen, bieten. Doch gerade dafür interessieren sich die Deutschen zunehmend: Jeder zweite hat ein Smartphone. Und wer solch ein Alleskönnerhandy besitzt, der will auch schnell und grenzenlos im Netz surfen - statt sein Guthaben günstiger, aber eben auch umständlich aufladen zu müssen. Mehr als drei Viertel dieser Nutzer, so eine Studie der Marktforscher von Nielsen, schließen deshalb einen Vertrag bei einem der etablierten Anbieter ab.

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