Mobilfunk:Weg ist der Fleck

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Der Mobilfunkanbieter Vodafone hat vor einem Jahr damit begonnen, die ersten 5G-Sender in Köln Deutz zu montieren. (Foto: Kloubert/dpa)

Warum ausgerechnet die Corona-Krise den Ausbau des neuen und schnellen Mobilfunkstandards 5G beschleunigen könnte.

Von Helmut Martin-Jung, Berlin

Über den neuen Mobilfunkstandard 5G ist schon so viel gesprochen worden, dass man nahezu vergisst: Er ist bisher nur an wenigen Orten überhaupt verfügbar, und was Privatkunden anbelangt, wird sich das zwar ändern, aber nicht so schnell, wie man angesichts des Trommelns der Mobilfunkanbieter vielleicht annehmen könnte. "Bis jetzt haben wir viel ausprobiert", sagt Gerhard Mack, Technikchef von Vodafone Deutschland. Für den Endkunden sei dabei aber "vieles kaum sichtbar" gewesen.

Nun will man zwar mit dem Ausbau in der Fläche beginnen, und zwar auch auf dem Land. Denn es gilt ja, weiße Flecken zu beseitigen. Gegenden also zu versorgen, in denen es bisher kaum eine Verbindung über Mobilfunk gab. Dort wird zusammen mit dem Standard 4G auch gleich 5G mit ausgebaut - sodass man nicht nach einigen Jahren ein weiteres Mal ranmuss. Die Nutzer dort können sich über Anbindungen mit etwa 200 Mbit pro Sekunde freuen. Bis der Standard aber flächendeckend verfügbar sein wird, dauert es noch Jahre.

Aber eigentlich war ja immer schon die Industrie als die Kundengruppe genannt worden, die als Erste von den neuen Fähigkeiten von 5G würde profitieren können, als da etwa sind: Die Einbindung zahlloser Sensoren oder die superschnelle Reaktionsfähigkeit. Doch bisher, sagt Mack, fehlte den Anbietern eine Kommerzialisierungsstrategie, anders gesagt: Wie die Mobilfunker mit 5G bei der Industrie-Projekten Geld verdienen können.

Bei der Versteigerung der Frequenzen wurde viel Geld bezahlt. Das muss sich lohnen

Geld, das Telekom, Vodafone und Telefónica dringend brauchen, denn sie alle haben bei der Versteigerung eines Teils der 5G-Frequenzen Milliarden bezahlt, die sie nun wieder hereinholen müssen. Vodafone hat eine große Menge an Versuchsballons mit Partnern aus der Industrie gestartet, "wir haben gemeinsam innoviert", erzählt Mack mit hörbarer Begeisterung von Projekten mit Firmen wie Airbus oder Lufthansa. Oft seien dabei ganz neue Ideen herausgekommen, etwa die, 5G an Tankstellen zum Software-Update für Autos einzusetzen. Durch das schnelle Netz würden einige Minuten reichen, um den Code herunterzuladen.

Doch wenn es dann daran geht, solche Netze auch aufzubauen, ist eine Lösung nötig, bei der das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss, es braucht ein Standardprodukt, das sich leicht erweitern und anpassen lässt. Ein solches Produkt hat Vodafone nun vorgestellt. Es ist ein Rack, ein Regal mit Rechnern also, etwa so groß wie eine Telefonzelle, nur nicht ganz so tief. Das Rack ist ein vollwertiges 5G-Netz, samt Antennen, das eigentlich nur noch Strom braucht, danach kann es bereits für erste Versuchsprojekte genutzt werden.

Die Mobilfunkfirmen wollen das Netz gerne selbst warten, überwachen und steuern

Ziel der Mobilfunkanbieter ist es vor allem, die in Industrieanlagen bisher genutzten Technologien abzulösen. Das sind vor allem WiFi und kabelgebundene Netze. WiFi sei fehleranfällig und verlustbehaftet, sagt Mack. Bei Robotern, die mit Kabeln angebunden seien, müssten diese alle paar Monate ersetzt werden, weil sie durch die ständige Bewegung verschleißen - das fiele alles weg, weil bei 5G die Übertragung sicherer sei und die Reaktionszeiten es ermöglichen würden, die Technik auch zur Steuerung von Robotern einzusetzen, die ja sehr zeitkritisch ist.

Gewartet, überwacht und gesteuert werden solle das Mobilfunk-Netz am besten von den Profis, also von den Mobilfunkunternehmen, darauf hoffen Vodafone und Co. Sie glauben auch, dass die nötige Hardware bald im Preis fallen wird, zum Beispiel die sogenannten Dots, das sind Geräte von der Größe eines Rauchmelders, die per Kabel an das Rack angebunden werden und das Signal in großen Hallen verteilen.

Aber warum sollte die Industrie überhaupt die neue Technologie verwenden? Mack ist sich sicher: "Sie bringt riesige Effizienzgewinne." Viele Firmen würden bisher viele Daten wie etwa das Drehmoment, mit dem Schrauben angezogen werden, gar nicht erfassen, weil es nicht möglich oder zu schwer zu realisieren ist. "Wir entwickeln gerade sehr viele Ideen", schwärmt Mack, "wie viele davon Wirklichkeit werden, wird sich noch zeigen."

Der ganze Elan der Mobilfunker wurde dadurch gebremst, dass in der Corona-Krise für viele Unternehmen erst einmal noch dringendere Fragen anstanden, doch mittlerweile ist Mack wieder guter Dinge. "Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung", sagt er, "man hat das Gefühl, jetzt geht die Digitalisierung richtig los". Mack hält es auch aus volkswirtschaftlicher Sicht für entscheidend, dass die Firmen mit neuer Technologie ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Die Mobilfunkunternehmen selbst möchten die Anlagen gerne für die Firmen betreiben - entweder mit den Frequenzen, die sie selbst ersteigert haben, oder aber auch mit Frequenzen, die Firmen beantragen konnten, genau für solche Campusnetze. Auch Mischformen seien möglich. Soviel Flexibilität ist kein Problem, denn gesteuert wird nahezu alles von Software. Mack: "Die Komplexität steckt in der Software."

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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