Süddeutsche Zeitung

Mobilfunkverträge für Flüchtlinge:Mit dem Handy in die Schulden

Geflüchtete bekommen in Handyshops oder Elektromärkten oft teure Mobilfunkverträge untergeschoben. Nicht selten mit "dramatischen Folgen" für die Integration.

Von Andreas Jalsovec

Eigentlich wollte Fiker A. nur ein neues Handy kaufen, das alte war defekt. Daher suchte die junge Frau einen Handyshop ihres Telefonanbieters in Mainz auf. Einen jener Läden also, in dem sprachgewandte Verkäufer die Kunden schwindlig reden mit ihren Kombi-Angeboten aus Flatrates, Datentarifen und Smartphones.

Fiker A. stammt aus Eritrea, sie spricht kaum Deutsch. Als die 22-Jährige den Laden verließ, hatte sie einen Raten-Kaufvertrag über ein Handy, einen Daten-, einen Mobilfunk- und einen DSL-Vertrag abgeschlossen - ohne dass ihr das klar war. Monatliche Kosten: 111,47 Euro. "Als sie bei uns in der Beratung saß, flossen viele Tränen", sagt Jennifer Kaiser von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz: "Auf Dauer ist das für sie unbezahlbar."

Kaiser kennt diese Fälle. Die Juristin berichtet von "sehr vielen Beratungen", in denen es darum gehe, dass Geflüchteten in Handyshops oder Elektromärkten teure Mobilfunkverträge untergeschoben wurden. Ähnliches gilt für andere Bundesländer: Acht von neun bundesweit von der Süddeutschen Zeitung angefragten Verbraucherzentralen gaben an, dass es damit regelmäßig Probleme gebe. "Die Betroffenen haben oft zwei, drei oder gar vier Handy-Verträge", sagt etwa Nicole Lustig von der Verbraucherzentrale Hessen.

Nun betreffen böse Überraschungen beim Handy-Vertrag nicht nur Flüchtlinge, sondern auch andere Verbraucher, sagt Oliver Müller, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Geflüchtete seien aber "vielleicht ein leichteres Opfer - schon wegen möglicher Sprachbarrieren".

Tatsächlich zeigt eine aktuelle Untersuchung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, dass "Neuzugewanderte überdurchschnittlich oft von 'Abzockmaschen' und unseriösen Vertragsangeboten im Telekommunikationsbereich betroffen sind". Die Verbraucherschützer haben in den vergangenen vier Jahren fast 1600 Beratungsgespräche mit Geflüchteten dokumentiert - und dabei auch die Schulden gezählt, die diese anhäuften. Die Gesamtsumme beläuft sich alleine für Telefon und Internet auf 150 000 Euro. Bei einzelnen Betroffenen seien dabei "Beträge von weit über 1000 Euro keine Ausnahme".

Der Weg dahin ist stets ähnlich: Am Anfang stehen teure Verträge wie beispielsweise bei Fiker A. Weil die Betroffenen meist wenig Geld haben, können sie die Rechnungen bald nicht mehr zahlen. Es folgen Mahnschreiben und Inkassoforderungen. Die Schulden wachsen - oft mit "dramatischen Folgen" für die Integration der Geflüchteten, heißt es in der Studie. Die Rückzahlungen schränken nicht nur den finanziellen Spielraum ein. Die Verschuldung geht oft auch ins Schufa-Register ein. Dann wird vieles schwieriger: Etliche Hausbesitzer etwa vermieten nicht an Menschen mit Schulden.

Experten fordern daher ein 14-tägiges Widerrufsrecht auch für Telefonverträge, die man im Handyshop oder im Elektromarkt abschließt - ähnlich wie bei Internet-Abschlüssen. Dann hätte Fiker A. ihre Verträge stornieren können. Stattdessen hat ihr Anbieter auf Intervention der Verbraucherzentrale nur den Datenvertrag zurückgenommen. Den Rest muss sie abstottern.

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SZ vom 10.02.2020/ick
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