Handynetz:Es fehlen noch jede Menge Mobilfunkmasten

Handynetz: Gerade in ländlichen Gebieten ist der Ausbau des Mobilfunknetzes noch nicht abgeschlossen.

Gerade in ländlichen Gebieten ist der Ausbau des Mobilfunknetzes noch nicht abgeschlossen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Als vier Telekommunikationskonzerne im Jahr 2019 Mobilfunkfrequenzen für sechseinhalb Milliarden Euro ersteigerten, verpflichteten sie sich zu einem zügigen Netzausbau. Nun droht die Bundesnetzagentur mit Bußgeldern.

Vier Jahre nach der Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen lässt der Ausbau des Handynetzes noch zu wünschen übrig. Wegen fehlender Funkmasten erwägt die Aufsichtsbehörde, erstmals Deutschlands große Telekommunikationsanbieter zur Kasse zu bitten. "Die Bundesnetzagentur beabsichtigt zurzeit, ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro pro Standort zu verhängen", heißt es in einem Schreiben der Bonner Behörde an ihren Beirat, das dpa vorliegt.

Dabei geht es um Standorte, die im Zuge der Frequenzauktion von 2019 eigentlich bis Ende vergangenen Jahres hätten gebaut werden müssen, aber nicht wurden. Neben den Bußgeldern können auch höhere Zwangsgelder erhoben werden. Die drei etablierten Netzbetreiber Telefónica (O2), Vodafone und die Deutsche Telekom haben zentrale Vorgaben der Ausbaupflichten nach eigenem Bekunden erfüllt. Dazu gehört, dass in jedem Bundesland in mindestens 98 Prozent der Haushalte eine Handyverbindung mit einem Download von 100 Megabit pro Sekunde möglich ist.

Es gibt aber auch sogenannte weiße Flecken mit deutlich schlechteren Werten. In solchen Gegenden schafft kein Handynetz eine Übertragung von 100 Megabit pro Sekunde. Anstatt zum 31. Dezember 2022 auf 167 eigene Standorte in so einer Gegend zu kommen, meldete Vodafone nur 86, Telefónica 61 und die Telekom 38. Unter anderem auf solche Standorte bezieht sich die Sanktionsandrohung in dem Schreiben an den Beirat.

Die Netzbetreiber versichern unisono, dass sie vorankommen. Es seien 14 weitere im Bau, sagt zum Beispiel ein Telekom-Sprecher. Zudem betont er, dass an den übrigen noch fehlenden 115 Standorten "zu einem großen Teil keine Funklöcher bestehen", dort gebe es eine "Grundversorgung". Das Handy bekommt also Breitband-Empfang, aber die vorgeschriebene Mindestübertragung von 100 Megabit pro Sekunde fehlt. Außerdem verweisen die Firmen darauf, dass sie eine staatliche Liste mit den betroffenen Gegenden zu spät bekommen hätten und dass der Ausbau mancherorts schlicht nicht möglich sei - etwa wenn partout kein Grundstückseigentümer dazu bereit sei, ein Stück Land für einen Funkmast zu vermieten. In Naturschutzgebieten ist die Errichtung solcher Masten ebenfalls schwierig.

Ist es aus "rechtlichen und tatsächlichen" Gründen unmöglich, Antennen aufzustellen, so wertet die Bundesnetzagentur dies nicht als Verfehlung. Somit ist unklar, wie groß die Lücke zu der Pflichtvorgabe von 167 ist - je nachdem, wie viele Standorte die Bundesnetzagentur als "rechtlich und tatsächlich" unmöglich wertet, ist sie kleiner oder größer. Derzeit prüft die Bonner Behörde die Unterlagen, die die Unternehmen Anfang Januar eingereicht haben.

Gut möglich, dass die Netzagentur nur den Druck erhöhen will

Die krasseste Verfehlung der Ausbaupflichten stammt nicht von den drei etablierten Netzbetreibern, sondern vom Neueinsteiger 1&1. Diese Firma hatte 2019 erstmals Frequenzen ersteigert und baut derzeit ihr erstes eigenes Handynetz auf - bisher verkauft 1&1 Handyverträge, bei denen die Kunden vor allem mit dem O2-Netz verbunden sind. Dafür zahlt 1&1 Miete an O2. Der Konzern aus Montabaur hätte zum Jahreswechsel 1000 5G-Stationen aktiviert haben müssen, tatsächlich waren es aber nur fünf. 1&1 begründete dies mit Lieferproblemen bei einem Baupartner. Im Sommer 2023 will 1&1 die 1000 erreichen. Sollte 1&1 sanktioniert werden, könnte es teuer werden.

Es ist allerdings offen, ob die Bundesnetzagentur überhaupt Buß- oder Zwangsgelder verhängt. Nach der Frequenzauktion 2015 hielt ebenfalls kein einziger Netzbetreiber alle Verpflichtungen ein - besonders Telefónica (O2) offenbarte damals gravierende Defizite. Auch damals drohte die Regulierungsbehörde Sanktionen an, ließ dem aber keine Taten folgen. So könnte es auch dieses Mal sein. In dem Schreiben an den Beirat, der an diesem Montag tagt, heißt es: "Bei einer Verhängung von Sanktionen findet eine Gesamtbetrachtung statt, bei der der jeweilige Einzelfall zu beurteilen ist." Der Satz lässt Interpretationsspielraum zu.

Gut möglich, dass die Behörde auch dieses Mal wieder nur eine Drohung ausspricht, um den Druck zu erhöhen, am Ende aber auf das Sanktionsschwert verzichtet. Allerdings sollten sich die Telekommunikationsfirmen hierbei nicht zu sicher sein. Denn an der Spitze der Regulierungsbehörde sitzt inzwischen Klaus Müller, der vorher den Bundesverband der Verbraucherzentralen geleitet hat. Er ist bekannt dafür, dass er Verbraucherschutz-Belange stärker im Blick hat als sein Vorgänger - statt auf einen Rechtsstreit mit Unternehmen zu verzichten, könnte die Behörde ihn diesmal eingehen und Sanktionen durchsetzen wollen.

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