Mobilfunk-Konzerne:Ein Ohr für Indien

Lesezeit: 2 min

Die Mobilfunk-Konzerne können in Europa auf den gesättigten Märkten nichts mehr holen und drängen nun in die Schwellenländer.

Thorsten Riedl

Der Auftritt von Wang Jianzhou war Provokation - auf asiatisch-höfliche Weise. Der Chef von China Mobile las vom Manuskript: Der Konzern gewinne nun drei Millionen Kunden - Monat für Monat.

Vodafone kauft sich über Hutchison Essar in Indien ein. Ein Argument für den Kauf sind die hohen Wachstumsraten auf dem Subkontinent. (Foto: Foto: Reuters)

Manager westlicher Telefongesellschaften waren baff, von solchen Zuwächsen träumen sie. Doch ein Herr im Auditorium des Konferenzsaals übertraf die Zahl: Sein Unternehmen in Indien schließe monatlich fünf Millionen Neuverträge ab, sagte er. Das war 2006 auf der 3GSM in Barcelona, der wichtigsten Messe für die Mobilfunkbranche.

In diesem Jahr schlägt die westliche Welt zurück: Arun Sarin, Chef des größten Mobilfunkkonzerns Vodafone aus Großbritannien hat sich für elf Milliarden Euro den Einstieg in die Wachstumsmärkte gesichert, mit dem Kauf der indischen Hutchison Essar.

Maues Neugeschäft in den Industriestaaten

Alle Mobilfunkfirmen blicken in die Schwellenländer. Längst geht in den Industriestaaten der Trend zum Zweithandy, die Netze sind ausgebaut, das Neugeschäft fällt mau aus für alle. Seit einigen Monaten gibt es in Deutschland rechnerisch mehr Mobiltelefone als Einwohner.

In den sich entwickelnden Märkten in Asien, Lateinamerika und Afrika dagegen besitzen viele Einwohner noch gar kein Telefon. Die Zuwächse in diesen Regionen sind zweistellig.

Am Wachstum wollen alle teilhaben: von den Netzausrüstern wie Ericsson, den Handyherstellern wie Nokia hin zu Telefongesellschaften wie Vodafone oder Telefónica.

Noch viel Platz

Trotz des großen Interesses ist noch viel Platz. ,,Beim starken Wachstum steht der Wettbewerb noch nicht so im Vordergrund wie in Industriestaaten'', erklärt Philipp Geiger, Branchenexperte beim Beratungshaus Solon.

Sony-Ericsson verdeutlicht die Hoffnungen der Anbieter. ,,Wir wollen den Billigbereich erschließen'', sagte Miles Flint, Chef des Produzenten von Mobiltelefonen, zum Start der 3GSM und gab damit die Richtung vor. Er erwartet 2007 einen Absatz von 400 Millionen Handys in den Schwellenländern.

Das würde beinahe der Hälfte aller Geräte entsprechen, die in diesem Jahr abgesetzt werden sollen. Die Handys für Asien, Lateinamerika und Afrika benötigen dabei keine der ausgefallenen Funktionen, wie sie die Käufer in den Industriestaaten locken sollen.

Erschwingliche Telefone

Die Telefone müssen erschwinglich sein. Von Nokia über Motorola hin zu Sony-Ericsson haben die Produzenten daher Geräte im Angebot, die 50 Euro oder weniger kosten, ohne Subvention der Mobilfunkgesellschaft wie hierzulande üblich. Allerdings verdienen die Firmen so kaum Geld. Durch Masse wollen sie das ausgleichen.

Die Situation in Asien, Lateinamerika und Afrika ist vergleichbar mit der in Deutschland in den zwanziger und dreißiger Jahren: Damals hatten die wenigsten Haushalte einen Telefonapparat. ,,Für viele Einwohner in den neuen Märkten ist ein Handy das erste Telefon überhaupt'', sagt Geiger.

Lückenhafte Funkversorgung

Dabei ist die Funkversorgung in Asien, Lateinamerika und Afrika lückenhaft. Zunächst werden die Ballungsgebiete abgedeckt. ,,In Indien geht alle 25 Minuten eine neue Basisstation für Mobilfunk ans Netz'', sagt Carl-Henric Svanberg, Chef des Netzausrüsters Ericsson.

Der Hauptunterschied zur Entwicklung in Deutschland besteht darin, dass die Schwellenländer den Aufbau einer Infrastruktur für das Festnetz überspringen. Dort wird gleich mobil telefoniert - und so soll sich nach dem Willen der Telefonbranche auch das Internet durchsetzen.

Das sei ein Weg, die digitale Kluft in der Interversorgung zwischen Industrie- und Schwellenländern zu schließen, erklärt Svanberg.

© SZ vom 13.02.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: