Griechenland:"Wenn ich nicht gut genug bin, sagen die Leute zu mir: "Elias, hör mal, mit dir mache ich das nicht."

Frage an Tsolakidis: Ist die Arbeit hier für ihn vielleicht deswegen so anstrengend, weil er keine Aufgaben abgeben kann? Er ist es doch gewohnt, ein Unternehmen zu führen. Er hat einen Kompagnon, mit dem er eng zusammenarbeitet. Er hat 120 Organisatoren, die Verantwortung übernehmen. Er hat 3000 Leute, die hin und wieder mitmachen. Und einen Mailverteiler mit 38 000 Personen. Findet er da keine Unterstützung? Tsolakidis antwortet mit einer Begebenheit vom Morgen. Da habe er mit einem Mitarbeiter in Köln telefoniert. "Es waren Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Ich habe ihm gesagt, dass wir dieses und jenes dringend ändern müssen." Der Mitarbeiter ändere es, weil er wisse, dass er ansonsten nicht bleiben könne. Bei O topos mou sei es anders. "Hier passt sich keiner an. Wenn ich nicht gut genug bin, sagen die Leute zu mir: "Elias, hör mal, mit dir mache ich das nicht. Tschüss."

Geben und Nehmen

Trotzdem spreche er an, wenn etwas nicht gut laufe. Wer im sozialen Supermarkt umsonst Lebensmittel erhält, soll im Gegenzug bei O topos mou für eine gewisse Zeit mitarbeiten. "Wenn jemand dann eine Pause macht, obwohl er zehn Minuten vorher schon mal eine Pause gemacht hat, gehe ich hin und sage ihm, dass das nicht in Ordnung ist." Tsolakidis ist das Gegenteil von einem Sozialromantiker. Für ihn bedeutet Hilfe nicht Almosen. O topos mou sei keine Lebensmitteltafel. "Ich möchte jeden, der zu uns kommt, unterstützen, damit er wieder auf die Beine kommt, sodass wir beide wieder auf dem gleichen Level sind."

Aber es müsse alles ein Geben und Nehmen sein. Wer nicht geben will, darf nicht bleiben. Weil das oft nicht so funktioniere, wie er sich das vorstellt, sei er über die Jahre zum Kontrollfreak geworden, sagt er. Bei O topos mou verfolge jeder andere Ziele. Der eine wolle Kartoffeln umsonst, der Nächste genieße es, hier unter Menschen zu sein. Diese unterschiedlichen Ziele unter einen Hut zu bekommen, das sei so anstrengend. "Diese Gruppe ist ein ewiger Kampf."

Warum führt er diesen Kampf? Warum war er es, der im Jahr 2007 der Feuerwehr in Katerini angesichts der damals herrschenden Waldbrände auf dem Peloponnes anbot, zusammen mit Freunden vom Strand aus jeden Tag im Sommer die Wälder auf dem Olymp zu beobachten, etwaige Feuer zu melden - und so O topos mou gründete? Einer, der Tsolakidis seit dieser Zeit kennt und heute eine Baustofffirma am Stadtrand hat, sagt: "Elias war schon immer so. Der wird einfach nicht müde." O topos mou funktioniere, weil Tsolakidis "ein Logistikhirn habe und einen starken Willen, etwas zu verändern". Und alles das paart sich mit einem untrüglichen Gespür für den guten Auftritt.

"Darum ist undenkbar, dass ich nicht aktiv werde, wenn etwa Flüchtlinge zu uns kommen"

Tsolakidis selbst sucht länger nach Worten, wenn man ihn nach dem Warum fragt. Zunächst sagt er dann, dass es ihn beeindrucke, wie Menschen in Deutschland Verantwortung übernehmen - "manche adoptieren sogar einen Baum". Aber dann geht es um seine Eltern, die "geschuftet haben wie die Tiere". Und seine Großeltern, die einst in griechischen Siedlungen am Schwarzen Meer lebten. Sie mussten nach dem Ersten Weltkrieg auf Schiffen das Land verlassen. Kinder, die erkrankten, wurden ins Meer geworfen, damit sie auf den übervollen Schiffen nicht andere ansteckten. Auch seine Mutter wurde krank, überlebte nur, weil sie von der Großmutter in einer Tasche versteckt wurde. "Darum ist undenkbar, dass ich nicht aktiv werde, wenn etwa Flüchtlinge zu uns kommen."

Oft sagt er Sätze wie: "Das ist ein Skandal", oder: "Die Gesellschaft reagiert nicht darauf - man spricht darüber, aber macht nichts. Das verstehe ich nicht." Wäre es da nicht besser, selbst in die Politik zu gehen? Vor ein paar Jahren, als die SZ schon einmal bei ihm war, hatte er das kategorisch ausgeschlossen. Mittlerweile jedoch drängten ihn viele, Bürgermeister zu werden. "Aber", fragt er dann, "wie soll ich mit dem Gehalt eines griechischen Politikers das Studium von drei Kindern finanzieren?"

In den Zeiten, als manche Zeitungen nur noch von "Pleite-Griechen" schrieben, die den Euro wieder abgeben müssten, war es für Tsolakidis unangenehm, in seiner zweiten Heimat Köln in die Mensa der Sporthochschule zu gehen. Ständig sei er mit dem Thema Griechenland konfrontiert worden, erzählt er. "Ich habe dann Kollegen gefragt, ob sie wirklich denken, dass die Griechen faul sind. Und dann ganz direkt: Ob ich faul bin." Verlegen hätten sie dann zur Seite geblickt, weil "der Grieche" ja vor ihnen stand, bei ihnen arbeitete und gar nicht am Strand lag. "Aber der Ouzo", sagt Tsolakidis und lächelt kurz den Reporter an, "ist natürlich ein feines Getränk."

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