Mittwochsporträt:Vom Boy zum Boss

Mittwochsporträt: David Fattal, der Mann auf dem roten Stuhl, ist Hotelkettenbesitzer und meistens unterwegs. Hier besucht er gerade eines seiner Leonardo-Hotels am Stadtrand von München.

David Fattal, der Mann auf dem roten Stuhl, ist Hotelkettenbesitzer und meistens unterwegs. Hier besucht er gerade eines seiner Leonardo-Hotels am Stadtrand von München.

(Foto: Catherina Hess)

David Fattal hat einst an der Rezeption angefangen. Heute gehört ihm die größte Hotelgruppe Israels - und auch in Deutschland hat er mit Leonardo noch einiges vor.

Von Caspar Busse und Thomas Fromm

Es sind die Details, an denen man erkennt, dass dies hier sein Hotel ist. Die Art, wie er in seinem weißen, kurzärmligen Hemd durch die Lobby läuft, alles mustert, die Krawatte abnimmt, mal schnell im Vorbeigehen einem Kellner die Hand schüttelt. "Hallo, wie geht's Ihnen?", fragt er und lächelt freundlich.

David Fattal, 61, Herr über ein milliardenschweres Hotel-Imperium, zu dem unter anderem die Marke Leonardo gehört, ist mal wieder unterwegs. Er hat seine Heimat Israel verlassen, um in der Welt nach dem Rechten zu sehen. Diesmal ist er ins Leonardo-Hotel an der Moosacher Straße im Norden Münchens gekommen. Keine besonders noble Gegend, dies hier ist nicht die Maximilianstraße, eher ein Vorort mit stark befahrener Ausfallstraße. Gleich nebenan liegt die Zentrale des Autozulieferers Knorr-Bremse, ein paar Blöcke weiter hat BMW seinen Sitz.

Das ist der Kniff: Fattal muss mit seinen Hotels nicht unbedingt in den teuren Innenstädten der Metropolen sein, er schaut sich vielmehr genau an, wer wo als Kunde infrage kommt. Hier in der Moosacher Straße gibt es einiges zu tun. "Wir machen aus vielen Zitronen eine Limonade", sagt er. Was so viel heißt wie: Zitronen gibt es hier in der Gegend genug. Man muss sie nur entdecken, pflücken und richtig pressen.

Alles begann damit, dass ihm ein Freund einen Hoteljob bei dessen Onkel organisierte, eine Fünf-Sterne-Herberge am Mittelmeer, ein guter Start. "Schon im ersten Moment, in dem ich begann, für das Hotel zu arbeiten, habe ich mich in dieses Geschäft verliebt", sagt Fattal. "Das Ambiente, die Leute, das ist alles mein Ding."

Dabei war der Mann aus Haifa, der mit seinen Eltern aus dem Irak nach Israel kam, am Anfang alles andere als der oberste Hotelmanager. Nach seinen drei Jahren beim Militär musste irgendetwas her, und im Hotel ging etwas: an der Rezeption. Es gibt dann vieles, was man erlebt, wenn man sich im Laufe der Jahre bis ganz nach oben arbeitet. Freundliche Menschen und weniger freundliche Menschen. Höfliche und herablassende Gäste. Beschwerden, die echten und die künstlichen. "Als Portier konnte ich damals die Dinge aus allen Blickwinkeln beobachten", sagt Fattal heute. "Aus der Sicht der Gäste und aus der Sicht der Angestellten. Das hat mir sehr geholfen und mich geprägt."

Seitdem, sagt er, versuche er, sich in die Lage der Gäste hineinzuversetzen. "Sie haben immer recht, ihre Motive will ich gar nicht erst anzweifeln. Ich will aber erkennen, was das Problem ist, auch wenn manche aus kleinen Dingen eine große Sache machen." Nichts sei verheerender als ein Hotelmanager, der nicht auf das Innenleben seiner Hotels Acht gebe. Zum Beispiel, indem nicht investiert wird. "Wir investieren vier Prozent unseres Umsatzes in unsere Hotels", sagt er. Will heißen: Wir kümmern uns. Und dann sagt er, dass ihm der Ruf seiner Hotels wichtiger ist, als kurzfristig noch mehr Gewinn zu machen.

Reich ist er ohnehin. Seit diesem Jahr ist seine Fattal-Gruppe in Tel Aviv an der Börse und wird dort mit über einer Milliarde Euro bewertet. "Ich habe in meinem Leben sehr viel Geld verdient, aber ich habe mich eigentlich nicht verändert", sagt Fattal. Sein Konzern betreibt 170 Hotels der Drei- und Vier-Sterne-Kategorie an mehr als 90 Standorten in Europa und Israel. Insgesamt sind es 33 000 Zimmer, für die der Durchschnittspreis bei gut hundert Euro liegt. Bis 2020 sollen es 220 Hotels sein, dabei ist der Hotelmarkt mit seinen großen internationalen Ketten hart umkämpft. "Ich weiß nicht, wie groß wir als Unternehmen noch werden. Aber wir werden weiter wachsen", sagt Fattal.

Am Anfang hat er Hotels von Marken wie Holiday Inn oder Best Western lizenziert. Doch irgendwie reichte ihm das nicht mehr, er wollte eben seine eigene Limonade machen. Also eröffnete er eigene Hotels, die Banken gaben ihm das Geld. 2006 übernahm Fattal die ersten Leonardo-Hotels in Nürnberg, Berlin und München und baute unter dem Namen seine eigene, große Kette aus. Warum ausgerechnet hier? "2006 hatten wir das Gefühl, Deutschland ist der Ort, an dem man sein muss", sagt er heute. "Es gab damals eine Reihe von Angeboten aus Osteuropa - aber wir haben uns für Deutschland entschieden, weil ich glaube, dass die israelische und die deutsche Arbeitskultur sehr ähnlich sind."

Als er in der Küstenstadt Eilat sein erstes Objekt übernahm, brach gerade die erste Intifada los

130 Leonardo-Hotels mit Marken wie Leonardo Hotels, Leonardo Royal Hotels oder den neuen hippen Nyx-Hotels, die vor allem Airbnb die Kundschaft abwerben sollen, hat Fattal inzwischen in Europa. 50 davon stehen in Deutschland, die meisten in München. So wie dieses in der Moosacher Straße: Es ist bunt hier, modern, ein bisschen kitschig, auf jeden Fall garantiert anders als viele dieser eintönigen grauen Hotelketten. Große und auf Neobarock gemachte rote Sessel, bunte Lampen, grelles Interieur, eine schöne Bar. Ein bisschen ist es wie in einem dieser schrillen, neuen Einrichtungshäuser.

Fattal will es genauso. "In einem Hotel zu arbeiten, ist, wie auf einer großen Bühne zu stehen", sagt er. Das Hotel als Bühne, das war schon ganz am Anfang so.

Schon als er Ende der Achtzigerjahre in der Küstenstadt Eilat sein erstes Objekt übernahm, gab es Probleme - die erste Intifada, also die gewaltsame Protestwelle der Palästinenser, brach los. Keine gute Zeit, um auf Tourismus zu setzen. Aber Fattal hatte wieder seine Limonade im Blick: Wenn die Zeiten schlecht sind, verkaufen die Skeptiker. Je mehr es tun, desto besser für diejenigen, die einsteigen wollen. "Die Intifada und die Krise des Tourismus in Israel haben uns damals sogar geholfen", erinnert er sich heute. "Es ergaben sich für uns Gelegenheiten, die es sonst nicht gegeben hätte. Hotels waren über Nacht günstig zu übernehmen!"

Dabei darf man sich das Leben eines Hotelkettenbesitzers wie Fattal durchaus stressig vorstellen, vor allem dann, wenn der Besitzer die Sache ernst nimmt und seine Hotels regelmäßig besucht. Er wirkt trotzdem entspannt. Er trinkt beim Gespräch einen kleinen Espresso und erfrischt sich mit rohem Gemüse, redet schnell. Vielleicht ist es ja so, dass man mit der Zeit resistent wird gegen den Stress der Reisen. Fattal, der fünf Kinder hat, drei davon sind schon in der Firma, will weitermachen, wachsen, reisen. "Ich bin der Gründer, ich kenne jedes Hotel - und auch die Manager kenne ich", sagt er. Dann muss er weiter zu einer Mitarbeitertagung.

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