Mittwochsporträt:Unheilbar

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Der alte Streit ist neu entbrannt. Robert Tönnies pocht auf einen Verkauf des Konzerns, sein Onkel Clemens lehnt das kategorisch ab. Über zwei Männer, die sich vielleicht zu ähnlich sind, um einig zu sein.

Von Elisabeth Dostert, München

Es gibt nicht viele Fotos, die Clemens Tönnies, seinen Sohn Maximilian und seinen Neffen Robert gemeinsam zeigen. Es gibt dieses eine, nach der eilig einberufenen Pressekonferenz im April 2017, als die drei nach jahrelangen Zoff den "Friedensvertrag" verkündeten. Das Foto zeigt die drei nebeneinander, ihre rechten Hände haben die Männer aufeinandergelegt und nach vorne gestreckt - wie Sportler vor einem großen Turnier, wenn sie sich gegenseitig noch mal anfeuern und dem Gegner zeigen wollen: Wir sind ein unschlagbares Team. Wir machen euch jetzt fertig.

Clemens Tönnies, 63, der Senior, sprach damals von einem Friedensvertrag, als hätten sich zwei kriegerische Stämme gerade nach einem blutigen Kampf versöhnt. Den einen Stamm führt er, den anderen sein Neffe Robert, 41, Sohn des 1994 verstorbenen Firmengründers Bernd Tönnies. Die Holding, unter deren Dach der Konzern geführt wird, gehört beiden Stämmen zu gleichen Teilen. Das war ein wichtiger Punkt in der Einigung vom Frühjahr 2017.

Für ein paar Augenblicke wirkte Clemens Tönnies, der so gerne den starken und erfolgreichen Mann in einem knallharten Geschäft wie der Fleischwirtschaft gibt, damals den Tränen nahe. Doch mit dem Frieden ist es wieder vorbei. Im Auftrag von Robert Tönnies hat die Kanzlei Rellermeyer & Partner bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) eine Schiedsklage eingereicht. Streitwert 600 Millionen Euro. Tönnies pocht auf eine Klausel im Einigungsvertrag, die vorsieht, dass der Konzern verkauft werden soll, falls es wieder zu Streitereien kommt. Clemens Tönnies lehnt das kategorisch ab.

Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin pökelt Clemens Tönnies das Eisbein schon mal persönlich

Fehden in Familienunternehmen gibt es immer wieder, und sie werden häufig besonders vehement ausgefochten, weil es eben immer um mehr geht als die Firma. In Familienunternehmen prallen Welten aufeinander. Sie sind ein System voller Paradoxe. Im Unternehmen geht es um die Sache, um Produkte und Dienstleistungen, um Effizienz. Familien sind das Gegenteil. Sie werden im Idealfall nicht wegen nüchtern kalkulierter Vorteile gegründet, in Familien geht es um Gefühle, um Emotionen. Gefühle aber können leicht - absichtlich oder unabsichtlich - verletzt werden. Auch in der Familie Oetker gab es Streit, er wurde außerhalb der Gerichte geschlichtet.

Die Tönnies haben ihren Streit öffentlich ausgetragen. Clemens und Robert haben sich immer wieder tief verletzt, mehr als heilen kann. Wer sehr liebt, kann sehr hassen. Es gab viele Prozesse an verschiedenen Gerichten, sie zogen sich über Jahre hin. Oft saßen sich Onkel und Neffen, flankiert von ihren Rechtsanwälten, zornerfüllt mit hochroten Köpfen im Gericht gegenüber. Clemens Tönnies wirkt wie ein Dickschädel, Robert auch. Vielleicht sind sich die beiden Männer zu ähnlich, um wirklich Frieden schließen zu können.

Frisch geschlachtete Schweine hängen in einem Kühlhaus des Fleischunternehmens Tönnies. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

In einem zentralen Verfahren am Landgericht Bielefeld bekam Robert Tönnies zu hören, dass sein Vater seine Mutter vom "Hof jagen" habe jagen wollen. Zur Verhandlung stand der Schenkungswiderruf. Robert forderte einen Anteil von fünf Prozent zurück, den er seinem Onkel geschenkt hatte. Dieser hatte behauptet, dass ihm sein Bruder Bernd, Roberts Vater, auf dem Sterbebett versprochen habe, dass er zu gleichen Teilen am Konzern beteiligt sein sollte. Und in besseren Zeiten hatten Robert und auch sein Bruder Clemens dem Onkel ihre jeweils fünf Prozent überlassen. Im Testament von Bernd Tönnies hatte von diesem Wunsch nichts gestanden. Doch dann forderte Robert seine fünf Prozent zurück, warf dem Onkel arglistige Täuschung und groben Undank vor, Clemens' Familie hatte, das kam in einem Kartellverfahren heraus, neben der Tönnies-Gruppe ein Schattenreich aufgebaut, dazu zählte der Kauf der Zur-Mühlen-Gruppe. Darin sah Neffe Tönnies einen Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot.

Dabei waren die Tönnies mal eine richtige Familie, die Metzgersöhne Bernd und Clemens stammen aus ärmlichen Verhältnissen. Bernd gründete und holte später seinen Bruder Clemens in die Firma. "Mein Bruder war der beste Typ, den ich in meinem Leben kennengelernt haben", sagte Clemens Tönnies mal in einem Gespräch. "Er war der Souverän." Sein Lebenslauf liest sich so, als habe er immer beweisen wollen, dass er mindestens so gut ist wie sein Bruder - als Fleischindustrieller. Clemens Tönnies macht das Unternehmen zum größten Vermarkter von Schweinen in Europa. 2018 setzte der Familienkonzern aus dem Rheda-Wiedenbrück 6,7 Milliarden Euro um. Und als Aufsichtsratschef des FC Schalke o4, dessen Präsident sein Bruder Bernd einst war. Clemens Tönnies will es schaffen, und das hat er aus seiner Sicht wohl auch. Er kennt die Schönen, Reichen, Mächtigen. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin pökelt er das Eisbein schon mal persönlich. Seinen 60. Geburtstag feiert er mit Hunderten Gästen in Rheda-Wiedenbrück, und kurz nach Mitternacht singt Helene Fischer in einem Privatkonzert "Atemlos" für den Jubilar.

Robert Tönnies will auch wer sein. Er macht sein eigenes Ding, investiert in Elektromobilität. Aber er will auch mitreden im Familienkonzern. Doch er fühlt sich wieder ausgeschlossen, hintergangen und betrogen. Er sitzt nicht wie sein Onkel Clemens in der Holding der Gruppe, sondern im Beirat, der über die Firma wacht. In der Schiedsklage werden die Verfehlungen des Onkels aus Sicht des Neffen minutiös aufgelistet. Schon wenige Wochen nach der Einigung fingen sie wieder an zu streiten. "Dauer und Heftigkeit dieser Streitigkeiten haben seit einiger Zeit den Grad überschritten, bis zu dem man noch auf eine Chance zu einem gedeihlichen, zumutbaren Zusammenwirken der Gesellschafter hoffen mag", heißt es in der Schiedsklage.

Sie suchen ihren Platz. Maximilian, Robert und Clemens Tönnies (von links nach rechts) bei der Pressekonferenz im Frühjahr 2017. Damals verkündeten sie das Ende im jahrelangen Streit. Jetzt kracht es wieder. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Robert Tönnies wirft seinem Onkel Währungsgeschäfte vor, die weit über das Maß hinausgehen, das zur Absicherung des Warengeschäfts nötig seien. Ihm seien die ihm zustehenden Entnahmen verweigert worden, die sich mittlerweile auf mehr als 30 Millionen Euro summierten, klagt Robert. Während ihm Entnahmen mit Hinweis auf die wirtschaftliche Situation des Konzerns verweigert würden, wolle der Onkel sein "Hobby Schalke 04" bei Bedarf zu Lasten der Tönnies-Gruppe finanzieren.

Robert pocht auf einen geregelten Verkaufsprozess, um den besten Preis herauszuholen. Jeder Stamm könne sich beteiligen, einzeln oder gemeinsam mit Dritten. Über ein solches Konstrukt war schon vor der Einigung spekuliert worden. Damals soll der Finanzinvestor BC Partners eine halbe Milliarde Euro für die Hälfte des Konzerns geboten haben. Familienunternehmen können am Streit verenden. Manchmal ist die Trennung die Rettung. So machten es 1999 die Brüder Bahlsen. Der ältere, Lorenz, nahm die salzige Hälfte - Salzstangen, Chips und Erdnusslocken, der jüngere, Michael, die süße.

© SZ vom 31.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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