Mittwochsporträt:Stiller Killer

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Vincent Bolloré hat als Firmenjäger ein Milliardenvermögen gemacht. Jetzt attackiert der Franzose mit seinem Medienkonzern Vivendi Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Von Leo Klimm

Mit Wein geizt er weniger als mit Worten. Wenn Vincent Bolloré zu einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte einlädt, kredenzt er den Gästen gern einen famosen Cru Classé, den er auf seinem Weingut in Saint-Tropez anbaut. Bittet man ihn aber, mehr über seine Firmenstrategie preiszugeben oder gar über sich selbst, dann fletscht der höfliche Monsieur Bolloré plötzlich die Zähne zu einem Haifischlächeln, von dem man nicht weiß, ob es noch ein Lächeln ist oder schon eine Drohung. Der Aufsichtsratschef des Pariser Vivendi-Konzerns und Patriarch der Bolloré-Gruppe ist ein Medienmagnat, der keine Medien mag. Er geht seinen Geschäften lieber im Verborgenen nach.

Doch jetzt hat sich der Mann, der als Firmenjäger zum Milliardär wurde, ein so prominentes Opfer ausgesucht, dass Aufmerksamkeit unvermeidlich ist: Bolloré attackiert Silvio Berlusconi. Wird der flamboyanteste Unternehmer und Politiker Italiens, der so viele Skandale, Staatsanwälte und politische Gegner überdauert hat, am Ende von einem stillen Bretonen mit Hang zu unmodischen Trenchcoats bezwungen?

Suchen Bolloré und Berlusconi nicht schnell einen Kompromiss, könnte es ein dramatischer Kampf werden. Doch beide Männer sind keine Typen für Kompromisse. Und für beide geht es jetzt um nichts weniger als um ihr unternehmerisches Erbe: Bolloré, 64, könnte sein Lebenswerk vollenden - indem er das von Berlusconi, 80, zerstört. Indem er ihm Italiens größten Fernsehkonzern Mediaset abnimmt, das Stammgeschäft der Berlusconis.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mediaset nicht mehr von meiner Familie geführt wird", japst Italiens Ex-Ministerpräsident. Bolloré plane eine feindliche Übernahme. Nachdem der Vivendi-Haupteigner erst Willen zur Zusammenarbeit vorgetäuscht habe, zeige er nun seine wahren Absichten. Die Berlusconis wollten sich "überall, mit allen Mitteln verteidigen". Bolloré sagt zu alledem natürlich nichts.

Der Streit begann, als Vivendi Mitte 2016 die einvernehmliche Übernahme eines einzelnen Berlusconi-Senders platzen ließ - wegen angeblicher Zweifel an der Bewertung. Kürzlich dann überrumpelten die Franzosen die Italiener, indem sie binnen zehn Tagen fast 30 Prozent am gesamten Mediaset-Konzern über die Börse kauften. Damit liegt Vivendi nur knapp unterhalb der Schwelle für ein Pflichtangebot an alle Mediaset-Aktionäre.

"Wenn er zum Angriff übergeht, ist es oft zu spät, sich zu wehren."

Die Berlusconis besitzen selbst nicht viel mehr. Also versuchen sie panisch, ihren eigenen Anteil etwas aufzustocken, klagen wegen vermeintlicher Marktmanipulation, veranlassen lauten Protest durch die Regierung in Rom. Jetzt, nach dem ersten Schlagabtausch, gewährt Bolloré dem Rivalen erst einmal eine Atempause.

Der Franzose pflegt einen anderen Stil als sein Kontrahent. Über ausschweifende Partys ist bei ihm nichts bekannt. Dafür geht Bolloré allsonntäglich zur Messe. Als 2007 aufflog, dass er dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy eine Yacht geliehen hatte, war ihm das ziemlich peinlich. Bolloré möchte lieber als fleißiger Asket gelten. Er fährt zum Beispiel immer selbst Auto, statt sich einen Chauffeur zu leisten. Nach eigener Darstellung geht er früh ins Bett, steht früh auf - und arbeitet dazwischen 15 Stunden am Tag. Nur angeblich nicht so sehr für Vivendi.

Ein Bretone mit Hang zu unmodischen Trenchcoats: Vincent Bolloré tritt anders auf als Silvio Berlusconi. Im Ehrgeiz aber ist er ihm ebenbürtig. (Foto: Eric Piermont/AFP)

"Ich tue nicht viel bei Vivendi. Ich erzeuge nur die Atmosphäre", kokettierte der Aufsichtsratschef einmal in der Financial Times. Das ist Insidern zufolge zwar stark untertrieben. Aber Atmosphäre erzeugen gegenüber Geschäftspartnern oder Mitarbeitern - etwa durch ein Haifischlächeln, wie es auch Berlusconi so gut beherrscht - ist auch schon ziemlich viel. Nicht nur in diesem Punkt hat Bolloré doch einiges mit seinem Gegner gemein: Er teilt mit ihm die Faszination für die Medienindustrie, ein Selbstverständnis als Firmendynast - und ein aggressives Geschäftsgebaren, das von Instinkt und manchmal von Ruchlosigkeit zeugt. "Er lullt die Partner ein", sagt ein Bolloré-Kenner. "Wenn er zum Angriff übergeht, ist es oft zu spät, sich zu wehren."

Mit Mut zum Risiko und überfallartigen Attacken hat Bolloré sein auf 7,3 Milliarden Euro geschätztes Vermögen gemacht. Der Erbe einer Papierfabrik am Westzipfel der Bretagne ging nach dem Jurastudium beim feinen Geldhaus Rothschild in die Lehre. Kritiker sagen, dort habe er gelernt, Firmen als Spekulationsobjekte zu betrachten. Sicher ist: Bolloré hat Anfang der Achtziger erkannt, dass die Zukunft nicht in Spezialpapier für Bibeln oder dem bekannten Zigarettenpapier OCB lag, mit dem der elterliche Betrieb pleitegegangen war.

Stattdessen beginnt der junge Bolloré, sich bei Unternehmen einzuschleichen, deren Anteile günstig und weit verstreut sind. Gegenüber dem Management gibt er sich als Freund aus; hat er aber erst einmal genug Anteile gesammelt, erzwingt er einen neuen Kurs oder gar die Zerschlagung. Zwar scheitert er damit manchmal - wie beim Angriff auf den Telekomkonzern Bouygues. Doch in diesen Fällen steigt er zumindest mit einem Gewinn in dreistelliger Millionenhöhe aus, den er durch die eigene, kurstreibende Attacke ausgelöst hat.

Das ist die eine Seite Bollorés. Die andere ist die eines langfristig orientierten Familienunternehmers. Denn Bolloré, dessen bretonischer Spitzname "Pen-Carn", Dickschädel, lautet, hat im Lauf der Jahrzehnte auch Beteiligungen fortentwickelt. Sie formen die Groupe Bolloré, ein Firmen-Sammelsurium mit 58 000 Mitarbeitern und 11 Milliarden Euro Umsatz, das in 150 Ländern aktiv ist. Zur Mediensparte gehört etwa der Werbekonzern Havas. Eine besondere Leidenschaft Bollorés ist ein Batteriehersteller, über den er im Geschäft mit E-Autos mitmischt. Drei Milliarden Euro hat er in die Entwicklung einer eigenen Stromspeicher-Technologie gesteckt. Von Paris bis Los Angeles sind schon Tausende Leihautos mit diesen Batterien unterwegs.

Bollorés großer Gewinnbringer aber ist Afrika: Dank geschickter Zukäufe ist er der dominante Hafenbetreiber des Kontinents, beherrscht wichtige Teile der afrikanischen Rohstofflogistik. Zudem ist er an Plantagen beteiligt. Kritik, der zufolge er allzu gute Beziehungen mit afrikanischen Autokraten pflegt, stört Bolloré wenig.

Bei Telecom Italia ist er bereits Hauptaktionär

Kurzfristig orientierter Spekulant oder ausdauernder Unternehmer? Sowohl nach der Machtübernahme bei Vivendi als auch beim Angriff auf Berlusconi ist noch unklar, welcher Bolloré hier am Werk ist. Bei Vivendi hat er sich auf bewährte Manier an die Spitze geputscht. Eine Strategie lässt er aber nicht erkennen (siehe Kasten). Dafür serviert er beim Pay-TV-Sender Canal+ missliebige Moderatoren ab und nimmt in Kauf, dass sich ein Nachrichtenkanal in die Bedeutungslosigkeit streikt. Unter Bolloré hat die Gruppe Fußballrechte und Abonnenten verloren. Der deutsche Internetvideo-Dienst Watchever wurde abgewickelt. Mittels feindlicher Übernahmen verleibt sich Vivendi Videospielefirmen ein - nachdem das Geschäft erst aufgegeben wurde.

Bolloré behauptet: "Wir haben einen Plan." Zentraler Teil soll Italien sein. Dort hat er Vivendi bereits zum Hauptaktionär von Telecom Italia gemacht. Seine Idee ist, die Kanäle des größten italienischen Telekomkonzerns für den Vertrieb von Medienprodukten zu nutzen. Zusammen mit dem Vivendi-Angebot soll ein "Netflix für Südeuropa" entstehen. Vivendi habe ein "ehrgeiziges, langfristiges Projekt", warb ein Emissär jüngst in Italien um Vertrauen in Bolloré. Doch das verweigern ihm Berlusconi und die Aufsichtsbehörden beharrlich.

Solch Widerstand schreckt einen wie Bolloré kaum - er stachelt ihn eher an. Ein bisschen Zeit hat er noch, die Sache in Italien zu erledigen. Zwar bringt er allmählich seine vier Kinder in Stellung, um die Geschäfte der Gruppe zu übernehmen. Abtreten wird er aber erst am 17. Februar 2022. Das ist der Tag, an dem das bretonische Familienunternehmen Bolloré 200 Jahre alt wird. Bis dahin muss Vincent Bolloré sein Lebenswerk vollbracht haben.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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