Süddeutsche Zeitung

Mitbestimmung:Die Wirtschaftsdemokratie

Welchen Einfluss Arbeitnehmer auf Entscheidungen in Firmen haben. Ein Überblick.

Von Detlef Esslinger

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie, aber die Demokratie soll sich nicht aufs Parlament beschränken, sondern es soll sie auch in der Wirtschaft geben. "Die gleichberechtigte Mitwirkung und Mitbestimmung der arbeitenden Menschen in Betrieb und Wirtschaft ist die notwendige Ergänzung der politischen Freiheit und Gleichberechtigung", so Erich Ollenhauer, der in den fünfziger und Anfang der sechziger Jahren die SPD führte. Bei der Mitbestimmung sind zwei Formen zu unterscheiden: die Unternehmensmitbestimmung und die betriebliche Mitbestimmung.

Die Unternehmensmitbestimmung regelt die Präsenz der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Sie gibt es nur in Kapitalgesellschaften (also zum Beispiel Aktiengesellschaften und GmbHs), und nur in Unternehmen mit mindestens 500 Arbeitnehmern. Drei verschiedene Gesetze regeln die Unternehmensmitbestimmung, bei Thyssenkrupp Steel gilt das weitestgehende: das zur Montan-Mitbestimmung. In knapp 40 Unternehmen des Bergbaus, der Eisen- und Stahlerzeugung benennen Anteilseigner und Arbeitnehmer jeweils die gleiche Anzahl von Aufsichtsräten und einigen sich zusätzlich auf ein neutrales Mitglied. Der Arbeitsdirektor, also der Personalchef, darf nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmer bestellt werden.

Nicht ganz so weit geht das Mitbestimmungsgesetz von 1976. Hier stellen Anteilseigner und Arbeitnehmer zwar ebenfalls die gleiche Anzahl an Aufsichtsräten. Die Anteilseigner benennen jedoch in aller Regel den Vorsitzenden - und dieser hat doppeltes Stimmrecht. Das Gesetz gilt für Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten. Für Kapitalgesellschaften, die zwischen 500 und 2000 Arbeitnehmer haben, gilt das Drittelbeteiligungsgesetz - die Arbeitnehmer bekommen nur ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat.

Darüber hinaus gibt es die betriebliche Mitbestimmung, in Gestalt eines Gremiums namens Betriebsrat. Die Rechtsgrundlage dafür ist das Betriebsverfassungsgesetz. Es regelt in Paragraf 1: "In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern (...) werden Betriebsräte gewählt." Das Gesetz legt fest, wie viele Betriebsratsmitglieder es in Betrieben mit wie vielen Arbeitnehmern geben muss und wie viele der Mitglieder für diese Arbeit freizustellen sind. Es bestimmt ferner die Kompetenzen des Gremiums. So darf es mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen zu Arbeitszeiten, Gesundheits- oder Datenschutz treffen. Sind Jobs in Gefahr, darf der Betriebsrat Vorschläge zu deren Sicherung machen; der Arbeitgeber muss sie mit dem Gremium zumindest beraten - wenn auch nicht befolgen. Woraus sich ergibt, dass es bei der Mitbestimmung auf den Wortteil "Mit" ankommt; völlig "gleichberechtigt", wie Erich Ollenhauer sagte, sind die Arbeitnehmer in dieser Wirtschaftsdemokratie also nicht.

Zurzeit finden in ganz Deutschland Betriebsratswahlen statt, wie alle vier Jahre zwischen dem 1. März und 31. Mai. Bei Thyssenkrupp Steel zum Beispiel müssen die Wähler zwischen Listen entscheiden; in anderen Betrieben wählen sie einzelne Personen direkt.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2018
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