Mitarbeiterbeteiligung:Anreiz für Talente

Start-ups fordern von der Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen für eine angemessene Entlohnung ihrer Mitarbeiter. In vielen anderen Ländern laufe es besser. Dort würden Mitarbeiter gezielt motiviert, indem die Firma sie am eigenen Kapital beteiligt.

Von Katharina Kutsche, Hannover

Mehr als 700 Start-up-Unternehmer fordern derzeit in einem offenen Brief europäische Gesetzgeber auf, die Bedingungen rund um Mitarbeiterbeteiligungen zu verbessern. Der Start-up-Beauftragte von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Danyal Bayaz, wollte daher in einer kleinen Anfrage wissen, wie die Bundesregierung zu dem Thema steht? Deren Antwort fiel eher knapp aus und verwies auf den aktuellen Koalitionsvertrag: "Die Bundesregierung setzt sich für eine stärkere Verbreitung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen ein und prüft dazu auch neue Formen der Mitarbeiterbeteiligung", so die Rückmeldung aus dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium.

Hintergrund ist, dass gerade junge Unternehmen verstärkt auf virtuelle Anteilsformen (Stock Options) setzen. Sie beteiligen Mitarbeiter am Gewinn, wenn das Start-up bei einem Exit verkauft wird. Im Gegensatz zu echten Beteiligungen werden Arbeitnehmern dabei aber keine Geschäftsanteile übertragen, sondern es wird eine Art anteilige Bonuszahlung im Arbeitsvertrag festgelegt. Für Mitarbeiter ist das durchaus ein Motivationsfaktor, allerdings haben sie kaum Kontroll- und keine Mitspracherechte - was das System wiederum für Gründer interessant macht. Ein wesentliches Hindernis ist aber, dass die Boni lohnsteuerpflichtig sind. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart etwa schlug vor, die Steuerfreigrenze von derzeit 360 Euro auf 5000 Euro jährlich anzuheben.

Anlass der kleinen Anfrage war auch eine Studie der Risikokapitalfirma Index Ventures aus November. Die größte Herausforderung für europäische Start-ups seien demnach nicht mehr fehlendes Kapital, sondern fehlende Fachkräfte. Zwar würden in Europa viele junge Menschen hervorragend ausgebildet, dann aber abgeworben vom Silicon Valley oder der Wall Street. Und während die hiesigen Gründer nicht die dort üblichen Gehälter und Vergünstigungen zahlen können, könnten sie mit Stock Options einen anderen Anreiz schaffen, um Talente zu werben und zu halten. Die Studie verglich außerdem die Voraussetzungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in 18 europäischen und vier weiteren Ländern. Estland, Israel und Kanada bieten demnach die besten Grundlagen, Deutschland landete auf dem vorletzten Platz: Die Steuerbelastung ist zu hoch.

Aktienoptionen sollen die Motivation steigern

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs, der im Januar Politikern in ganz Europa zugestellt wurde, gehören Gründer von bekannten Start-ups wie BlaBlaCar, Trustpilot, Hello Fresh oder Delivery Hero. Sie führen aus, dass die Gründerszene Europas nicht mehr im Schatten des Silicon Valley lebe. In den nächsten zwölf Monaten müssten Start-ups rund 100 000 neue Mitarbeiter rekrutieren. Sie fordern die Gesetzgeber auf, "ohne Verzögerung die lückenhaften, inkonsequenten und oft bestrafenden Normen zu überarbeiten, die Mitarbeiterbeteiligungen regeln."

Das sieht auch der Bundesverband Deutsche Start-ups so. "Mitarbeiter sind in der Digitalwirtschaft der entscheidende Faktor", sagt der Vorsitzende Florian Nöll. Sind sie am Unternehmen beteiligt, steigere sich ihre Motivation und Identifizierung. "Mitarbeiterbeteiligungen, egal ob echte oder virtuelle, müssen attraktiver und rechtlich deutlich einfacher gestaltet werden als bisher, wenn wir im internationalen Wettbewerb um die besten Talente eine Chance haben wollen."

Was das Anheuern von Mitarbeitern außerdem erschwert, ist das Risiko, das Start-ups mit sich bringen - hält das Geschäftsmodell, was es verspricht? Wächst das Unternehmen schnell genug? Grünen-Abgeordneter Bayaz argumentiert daher, dass gerade bei der Absicherung dieses Risikos ein politischer Hebel liegt, um Unternehmensbeteiligungen in Deutschland attraktiver zu machen. "Deswegen bin ich enttäuscht, dass die Bundesregierung das Thema nur halbherzig und langsam bearbeitet. Gerade angesichts der Veränderungen durch die Digitalisierung, könnte die Mitarbeiterbeteiligung ein wichtiges Element für den Arbeitsmarkt der Zukunft sein."

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