Sie reinigen Fabriken, räumen Regale ein, bauen Bürohäuser oder zerlegen Schweine - und haben eines gemeinsam: Diese Menschen verdienen wenig Geld und sind nicht bei dem Unternehmen angestellt, in dem sie arbeiten. Stattdessen erhalten sie ihren Lohn von einer anderen Firma, die für dieses Unternehmen eine bestimmte Leistung ("Werk") erbringen soll. Diese Werkverträge scheinen sich mehr und mehr auszubreiten. Die Gewerkschaften sehen in ihnen bereits eine neue Form der Ausbeutung. Die Bundesregierung müsse deshalb schleunigst eingreifen, fordert DGB-Chef Michael Sommer im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.
"Leider besitzen zu viele Arbeitgeber eine erstaunliche Kreativität, wenn es darum geht, neue Billiglohnmodelle zu erfinden", sagt der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Nach dem Missbrauch der Leiharbeit suchten sich die Arbeitgeber "das nächste gesetzliche Schlupfloch - und das sind Werkverträge und Scheinselbständigkeit, um Löhne zu drücken und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern". Dies gehe auch zulasten der Stammbeschäftigten.
"Sie werden immens unter Druck gesetzt, auch zu niedrigeren Löhnen zu arbeiten oder mehr zu leisten, damit ihre Arbeitsplätze nicht an Werkvertragsnehmer vergeben werden", kritisiert Sommer. Er fordert die Bundesregierung auf, sich nicht länger "wegzuducken, sondern gegen den Missbrauch von Werkverträgen entschieden vorzugehen".
Auf dem Bau greift man schon lange zu Werkverträgen. Große Firmen stocken ihre Stammbelegschaft je nach Bedarf kräftig um fremde Beschäftigte auf, teilweise um das Zehnfache. Auch in der deutschen Schlachtindustrie ist es üblich, dass 80 bis 90 Prozent der Mitarbeiter aus Subunternehmen kommen, häufig aus Rumänien. Im Einzelhandel unterstützen mittlerweile mehr als 100 Fremdfirmen mit 350.000 Beschäftigten die Händler vor allem beim Einräumen der Regale; die Löhne liegen zum Teil unter sieben Euro. Diese Werkvertrags-Arbeitnehmer sind damit deutlich günstiger als Zeit- oder Leiharbeiter. Verglichen mit dem Einzelhandelstarif für solche körperliche Arbeiten verdienen sie sogar fast die Hälfte weniger.
Zahl der Werk- und Dienstverträge hat sich seit 2002 verdoppelt
Wie viele Arbeitnehmer bundesweit bei einem Unternehmen beschäftigt sind, das Werkverträge ausführt, ist nicht bekannt. Darüber führt die Bundesagentur für Arbeit (BA) keine Statistik. Die Denkfabrik der BA, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), schätzt, dass 2011 mehr als 600.000 Menschen als freie Mitarbeiter über Werk- und Dienstverträge beschäftigt waren. Ihre Anzahl habe sich damit seit 2002 "nahezu verdoppelt". Der Anteil der Betriebe, die freie Mitarbeiter einsetzen, ist demnach in diesem Zeitraum von vier auf mehr als sieben Prozent oder 150.000 gestiegen.
Die Arbeitsmarktforscher halten diese Zahlen aber nicht für vollständig, da die befragten Betriebe nicht wissen könnten, wie viele Beschäftigte ein beauftragtes Werkunternehmen einsetzt. "Das gilt gerade bei einfachen Tätigkeiten, die nicht in die Kernbereiche des Betriebs integriert sind (zum Beispiel Gebäudereinigung oder Einräumen von Regalen)", heißt es in der Analyse des IAB.