Missbrauch von EU-Hilfen:Griechische Bank unterschlägt 700 Millionen Euro

Bis zu 700 Millionen Euro soll die griechische Privatbank Proton unterschlagen haben. Besonders brisant ist das, weil die Bank kürzlich mit 900 Millionen Euro vom griechischen Staat gerettet werden musste - Geld, das von EU-Partnern stammt. Und nun explodierte in Athen auch noch eine Ladung Dynamit, die offenbar als Warnung gedacht war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Klaus Ott und Christiane Schlötzer

Das Dynamit, das vor wenigen Tagen vor einem Wohnblock im Athener Vorort Halandri explodierte und vier Autos beschädigte, war offenbar als Warnung gedacht. Davon geht die griechische Polizei aus, seit sie weiß, wer in dem Gebäude wohnt: ein leitender Angestellter der Griechischen Zentralbank, ein akribischer Mitarbeiter, der gemeinsam mit Kollegen wegen Geldwäsche, Betrug und Bereicherung in einem besonders heiklen Fall ermittelt hat.

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Der Hauptsitz der Proton-Bank in Athen: Gegen die griechische Privatbank wird wegen Betrugs und Geldwäsche ermittelt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Untersuchungsbericht der Zentralbank ist mit Anlagen und Tabellen mehrere hundert Seiten stark. Es geht um verdächtige Geschäfte, bei denen letztlich auf Kosten des Staates Hunderte Millionen Euro verschoben worden sein sollen. Manipulationen also, wie sie zur gegenwärtigen Krise des Landes beigetragen haben. Der Anschlag sollte wohl zeigen, wer es wagt, Licht ins Dunkel zu bringen, der lebt gefährlich.

In dem Bericht geht es um die Privatbank Proton. Sie soll in den vergangenen Jahren von Athen aus bis zu 700 Millionen Euro auf fragwürdige Art und Weise außer Landes geschleust haben. Das Geld versickerte, so der Prüfbericht, zum Teil bei so genannten Offshore-Firmen, deren tatsächliche Inhaber unbekannt sind. Inzwischen geht die Athener Staatsanwaltschaft den Vorwürfen nach und ermittelt gegen sieben der bisherigen Proton-Verantwortlichen.

Der Untersuchungsbericht und das Justizverfahren kommen, politisch betrachtet, ebenfalls einer Ladung Dynamit gleich. In den vergangenen Monaten hat der griechische Staat die Privatbank Proton mit fast 900 Millionen Euro vor dem Niedergang bewahrt und verstaatlicht. Das Geld stammt aus dem Rettungsschirm, den die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) über Griechenland aufgespannt haben. Das wirft grundsätzliche Fragen auf. Müssen jene Staaten und Organisationen, an deren Tropf Athen hängt, auch für die Folgen krimineller Machenschaften einstehen? Und wie lange wären unter solchen Umständen weitere Milliardenhilfen noch vertretbar und vermittelbar?

Rätselhafte Überweisungen an Firmen mit Phantasie-Namen

Proton ist erst vor zehn Jahren gegründet worden, hat dann vor allem als Investmentbank agiert und bald Geschäfte in Milliardenhöhe gemacht. Ende 2009 bekam das Athener Finanzinstitut einen neuen Hauptinhaber und Präsidenten: Lavrentis Lavrentiadis, griechischer Unternehmer, der aus der Chemiebranche stammt und mit dem Waschmittelproduzenten Neochimiki bekannt wurde. Nach dem Einstieg des Fabrikanten soll auch bei Proton viel gewaschen worden sein. Lavrentiadis ist einer der Hauptbeschuldigten bei den Ermittlungen der Athener Staatsanwaltschaft. An Firmen wie Alapis und Elfe, die Lavrentiadis zugerechnet werden, sollen mehrere hundert Millionen Euro von Proton geflossen sein.

So steht es im Prüfbericht der staatlichen Zentralbank, in dem jede Menge rätselhafte Überweisungen dokumentiert sind. Mal wurden 18 Millionen Euro an Alapis überwiesen, mal 2,8 Millionen an Elfe, mal 20 Millionen, und Mitte 2010 an einem Tag sogar zwei Mal 25 Millionen Euro. Und es tauchen Gesellschaften auf wie Gold Valley, Blue Island, Bayland und Beauty Works. Das erinnert an Phantasie-Namen von Scheinfirmen, wie sie bei kriminellen Geflechten vorkommen. Gilt das auch hier?

Hochriskante Geschäfte

Die Experten der Zentralbank fanden noch mehr heraus. So habe der oberste Kreditrat von Proton viele hochriskante Darlehen an neu gegründete Gesellschaften wie Rovinvest oder Cyprus Properties genehmigt. Und schließlich seien Offshore-Firmen finanziert worden, von denen keine ausreichenden Wirtschaftsdaten vorgelegen hätten, oder deren wirkliche Inhaber gar nicht bekannt gewesen seien. Der Umfang dieser Engagements: 357 Millionen Euro. Die Zentralbank stuft auch das als "hochriskant" ein.

Das Geld ist wohl weg, und dem griechischen Staat bleibt nichts anderes übrig, als Proton aufzuspalten. In eine Neue Proton Bank, die mit dem noch vorhandenen Kapital weiter Geschäfte macht. Der Rest der Privatbank wird liquidiert, auf Kosten des Staates, der sich nach einem Bericht der griechischen Zeitung Kathimerini per Gerichtsbeschluss Zugriff auf das Vermögen von Lavrentiadis und sechs weiteren ehemaligen Proton-Verantwortlichen gesichert hat.

Der Unternehmer macht auch im Ausland Geschäfte. In Liechtenstein hat er mit Partnern ein neues Finanzinstitut gegründet, die Lamda Privatbank AG mit Sitz in Vaduz. Lamda bietet eine Reihe von Dienstleistungen an: Vermögensanalyse, Anlageberatung, Absicherungsstrategien, Risikomanagement. "Wir stehen für Unabhängigkeit, Kontinuität, Verlässlichkeit, Werterhalt und Diskretion", verkündet das Liechtensteiner Institut im Internet.

Auf Anfrage teilt Lamda mit, die Bank sei mit privaten Mitteln gegründet worden. Darunter sei kein Geld von Proton, von dort sei nichts geflossen. Weder direkt noch indirekt. Man unterhalte auch keine Geschäftsbeziehungen zu Proton. Und über ihren Teilhaber Lavrentiadis berichtet die Lamda AG, der Unternehmer habe eine weiße Weste. Lavrentiadis weise die in Athen erhobenen Vorwürfe "entschieden zurück", die Verdächtigungen seien unhaltbar. Er arbeite mit den Behörden zusammen "und wird die Angelegenheit klären".

Gleichzeitig greift Lavrentiadis die Regierung in Athen aber auch frontal an, wie die Zeitung To Vima berichtet. Er wirft ihr einen Verfassungsverstoß vor, weil sie die Bank verstaatlicht habe, ohne ihn ausführlich anzuhören.

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