Miserable Arbeitsbedingungen in China:Aufstand gegen Foxconn

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Foxconn-Arbeiter: Schrauben für Apple (Foto: Bobby Yip/Reuters)

Unterdrückte Streiks, Brände, Unfälle und Suizide: Mehr als eine Million Chinesen schrauben in den Foxconn-Fabriken für Apple - die Arbeitsbedingungen sind miserabel. Immer wieder kommt es zu Protesten. Nun soll es bei einer Massenschlägerei Tote gegeben haben.

Von Varinia Bernau und Marcel Grzanna

Anfangs war es wohl nur ein Streit zwischen zwei Frauen. Der Anlass? Kaum der Rede wert. Am Ende wurde daraus eine Massenschlägerei, mehr als 300 junge Männer gingen mit Eisenstangen aufeinander los. Polizisten versuchten, die aufgebrachte Menge in den Griff zu bekommen. Womöglich starben in dem Tumult drei Menschen.

Das ist die eine Version dessen, was in den vergangenen Tagen auf dem Gelände einer Foxconn-Fabrik im ostchinesischen Yantai passiert ist. Die inoffizielle Version. Als Beleg dient ein Video, das nun im Internet kursiert. Es gibt auch eine offizielle Version. Nachzulesen ist sie in einer Stellungnahme des Unternehmens. Dort wurden die Krawalle nach außerhalb des Firmengeländes verlegt. Elf Verletzte habe es dabei gegeben. Die Polizei habe die Lage schnell in den Griff bekommen. Die Produktion sei nicht beeinträchtigt worden.

Welche Version näher an der Wahrheit liegt, lässt sich schwer sagen. Fest steht nur eines: Foxconn ist der weltweit größte Auftragsfertiger für Smartphones, Konsolen und anderen technischen Spielkram. Und Skandale wie der um die Massenschlägerei in Yantai, bei der es womöglich sogar Tote gab, werfen ein Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen der Werkbank der Welt.

Akkordschrauber aus Asien

13 Werke betreibt Foxconn im Reich der Mitte. Mehr als eine Million Chinesen schrauben für Foxconn. Oder genauer gesagt: Sie schrauben für Apple, etwa das iPhone und das iPad. Aber sie schrauben auch Computer für Hewlett-Packard, Spielekonsolen für Sony, Handys für Nokia. Mehr als zwei Dutzend namhafter Unternehmen aus aller Welt sind die wichtigsten Auftraggeber für die Akkordschrauber aus Asien. Berichte über chinesische Arbeiter, die sich gegenseitig totschlagen, während die Elite des Landes mit den ausländischen Konzernen gemeinsame Sache macht, können den Unmut der einfachen Bevölkerung schüren. Die chinesische Regierung fürchtet um die soziale Ruhe im Land.

Je stärker das wirtschaftliche Wachstum ins Stocken gerät, desto härter wird um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen gerungen. Nach Zahlen der China Labor Bulletin, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Hongkong, gab es von Juni bis August 183 Streiks im Reich der Mitte - mehr als doppelt so viele wie in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.

In China verbinden viele Menschen mit Foxconn die Möglichkeit, schnell viel Geld zu verdienen. In der westlichen Welt hingegen verbinden die meisten Menschen mit dem Namen nichts - oder nichts Gutes: Eine tragische Selbstmordserie und gewaltsam unterdrückte Streiks, Proteste und Krawalle von Arbeitern, Brände und Unfälle, all das hat das Bild des größten Fertigers für Unterhaltungselektronik geprägt.

Ein absurdes Schauspiel

Foxconns Kunden gerieten in Erklärungsnot. Unternehmen wie Apple sahen sich plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, auf Kosten chinesischer Arbeiter Milliarden zu scheffeln. Mithilfe der US-amerikanischen Vereinigung für faire Arbeitsbedingungen FLA drängte Apple vor eineinhalb Jahren auf eine Analyse der Arbeitsbedingungen - mit ernüchterndem Resultat. Dem Konzern aus Kalifornien geht es um mehr als das gute Image: Als es vor einem knappen Jahr, kurz vor dem Verkaufsstart eines neuen iPhones, erneut zu Unruhen beim Auftragsfertiger kam, stand die rechtzeitige Auslieferung der begehrten Smartphones auf der Kippe.

Foxconn hat, nicht zuletzt auf Drängen von Apple und anderen Konzernen, versucht, sein Image zu verbessern. Die Löhne wurden erhöht. Mitarbeiter mussten an Aktionstagen T-Shirts tragen, auf denen stand "I love Foxconn". Ein absurdes Schauspiel. Erst im Frühjahr klagten mehr als ein Dutzend Arbeiter der Fabrik in Shenzhen über eine mangelnde Perspektive, Vereinsamung und einen militärischen Führungsstil.

Die Krawalle in dem Werk in Ostchina zeigen, welch sozialer Sprengstoff in den Fabriken von Foxconn steckt: Je nach Standort leben bis zu Hunderttausende zumeist junge Wanderarbeiter aus dem ganzen Land auf ein paar Quadratkilometern zusammen. Fernab der Heimat, fernab neuer Bekanntschaften. Sie arbeiten in Schichten rund um die Uhr. Ihr Job besteht aus wenigen einfachen Handgriffen, die sie stetig wiederholen. Weiterbildungen gibt es kaum.

Aufträge an andere Fertiger

Yantai, jener Standort, an dem es nun zu der Massenschlägerei kam, stand im vergangenen Jahr bereits in den Schlagzeilen: Unter dem Druck, Apples neuestes iPhone schnell in die Läden zu bringen, hatte der Zulieferer Foxconn gegen geltendes Recht zum Arbeitsschutz verstoßen. Bei einer Kontrolle wurde in der Fabrik in Yantai eine 14-Jährige entdeckt, obwohl in China erst von 16 Jahren an gearbeitet werden darf.

Auch andernorts darf Foxconn gegen eine Pro-Kopf-Gebühr Schüler oder Studenten aus dem Unterricht reißen, um sie für wenige Monate als Arbeitskräfte gegen minimale Bezahlung anzuheuern. Die Behörden gestatten dies als eine Form des dualen Ausbildungssystems. Für ein ausreichendes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit sollen ein paar Sportplätze, Karaokemaschinen und Internetcafés auf den Werksgeländen von Foxconn sorgen.

Ob sich daran in Zukunft etwas ändert, ist ungewiss. Zwar hat beispielsweise Apple Teile seiner Produktion kürzlich bei Foxconn abgezogen und Aufträge an den chinesischen Mitbewerber Pegatron vergeben - nicht zuletzt wegen des öffentlichen Drucks. Doch die Arbeitsbedingungen sind dort nicht viel besser. 86 unterschiedliche Arten von Arbeitsrechtsverletzungen haben die Beobachter der China Labor Watch in einem Bericht festgehalten: Kinderarbeit, exzessive Arbeitszeiten, unzureichende Löhne, Verletzung von Sicherheitsbestimmungen und Misshandlungen durch das Management. Das Fazit: Bei Pegatron werden Gesetze und die Regelungen von Apples firmeneigenem Verhaltenskodex für Zulieferer gebrochen.

Anmerkung der Redaktion: In der ersten Version trug der Artikel die Überschrift "Aufstand gegen Apple". Nach Angaben von Apple lässt das Unternehmen aber nicht in der Fabrik fertigen, in der es zur beschriebenen Massenschlägerei kam.

© SZ vom 24.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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