Das Haus gewinnt immer. Das ist die wichtigste Regel in Las Vegas – weshalb man übrigens auch den unfassbar ausgelutschten Spruch „What happens in Vegas, stays in Vegas“ dringend ändern sollte in: Was auch immer in Vegas passiert – dein Geld bleibt dort. Bis Dienstag indes, da kehren sie dieses Mantra um; zumindest im Hotel-Kasino-Komplex Mirage, der am Mittwoch schließen wird. Bis dahin heißt es dort: Das Haus muss verlieren, insgesamt mindestens 1,6 Millionen Dollar.
Grund dafür ist die Gesetzgebung im Bundesstaat Nevada, der zufolge ein Kasino vor der Schließung sämtliche sogenannte „Progressive Jackpots“ an die Besucher ausschütten muss. Das sind Jackpots, die man in Deutschland beim Lotto kennt: Sie steigen pro Spiel so lange an, bis sie jemand knackt. In Las Vegas sind diese Jackpots vor allem an Automaten beliebt: Die Gewinnmarge liegt hier meist bei etwa fünf Prozent. Es werden also lediglich 95 Prozent aller Einsätze der Spieler ausgeschüttet, was zur eingangs erwähnten Erkenntnis führt, dass das Haus immer gewinnt – selbst in diesem einen Moment, in dem man das Glück auf seiner Seite hat und doch den Jackpot knackt. Etwa ein Prozent der Einsätze dient dem Wachstum der Jackpots, die meist blitzend und blinkend angezeigt werden, als Lockmittel für Zocker.
Von der sündigen Meile zum Disneyland
Das Mirage öffnete am 22. November 1989 seine Pforten und sorgte sogleich für Aufregung, weil ein Besucher mit einem Einsatz von nur einem Dollar einen 4,6-Millionen-Dollar-Jackpot knackte. Beste Reklame fürs neue Kasino, dessen Wahrzeichen der Vulkan vor dem Eingang war. Der führte dazu, dass auch andere Kasinos bombastische Attraktionen anbrachten wie zum Beispiel das Kanalsystem mit Gondeln im Venetian oder die Fontänen vor dem Bellagio.
Ebenfalls legendär: das Delfinarium, der künstlich angelegte Dschungel und natürlich die Zaubershows des Duos Siegfried & Roy samt weißen Tigern. Das Mirage setzte damit neue Maßstäbe in puncto Entertainment, es erklärte den bis dahin gültigen Dreiklang (Trinken, Zocken, Sex) für obsolet und sorgte dafür, dass sich der Strip von einer sündigen Meile zu einer Art Disneyland für Erwachsene entwickelte.
Robert De Niro sagt am Ende des wunderbaren Films „Casino“ zum Schlusschor der Matthäus-Passion von Bach: „Die Stadt wird nie mehr die gleiche sein. Die Konzerne haben übernommen, es sieht aus wie Disneyland. Mami und Papi lassen die Kinder in Themenparks aus Karton spielen und verzocken an Poker-Automaten das Ersparte fürs Eigenheim oder die Ausbildung der Kids.“ Im Hintergrund ist unter anderem der Mirage-Vulkan zu sehen.
Mehrere Tausend Angestellte müssen gehen
Ende 2022 übernahm der Hard-Rock-Konzern das Kasino-und-Hotel-Geschäft des Mirage für knapp 1,1 Milliarden Dollar von MGM. Bis Mitte 2028 sollte das Hotel renoviert und um einen 214 Meter hohen, gitarrenförmigen Hard-Rock-Turm erweitert werden. Ursprünglich war geplant gewesen, Hotel und Kasino während des Um- und Neubaus geöffnet zu lassen; im Mai verkündeten die neuen Besitzer, dass dieser Plan nicht mehr zu realisieren sei. Man werde am 17. Juli zusperren, dafür jedoch ein Jahr früher, im Mai 2027, als Hard Rock mit dann 3640 statt bisher 3049 Zimmern eröffnen. 3000 Leute werden entlassen, die Abfindungen liegen bei insgesamt 80 Millionen Dollar.
Diese Änderung führt nun dazu, dass bis Dienstag den Regeln des Nevada Gaming Control Board zufolge mindestens 1,6 Millionen Dollar an „Progressiven Jackpots“ ausgeschüttet werden müssen; 75 Prozent davon an Automaten-Zocker, der Rest an Besucher, die an Tischen zum Beispiel Blackjack, Baccarat oder Pai Gow spielen. Es läuft so: Wer an einem der letzten Tage seit Dienstag etwas setzte und seine Spielerkarte hinterlegte, erhielt automatisch ein Los für Ziehungen, die alle halbe Stunde (bei Tisch-Spielen am Donnerstag und Freitag jeweils um 20:30 Uhr) stattfanden – bis zum Finale am Dienstag, wenn insgesamt mindestens 100 000 Dollar verlost werden.
Gar nicht mal so unwichtiges Detail: Wer gewinnen will, muss bei der Ziehung anwesend sein und den Preis-Voucher spätestens fünf Minuten danach abholen; sonst wird neu gezogen. Wer seine Chancen maximieren will, sollte mehrere Stunden am Tag im Mirage verbringen – und höchstwahrscheinlich das tun, was man in Hotel-Kasinos in Vegas nun mal tut: Geld ausgeben. Genau das freilich ist die Botschaft des Monologs von De Niro am Ende von „Casino“: Alles mag sich verändern in Las Vegas; aber eines bleibt stets gleich: Das Haus gewinnt immer.