Arbeitsmarkt:Grüne wollen Sozialversicherungspflicht für Minijobs

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In Branchen wie der Gastronomie gibt es besonders viele Minijobber. (Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Die Grünen plädieren für "die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen".
  • Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund übt Kritik an den steuerfreien Minijobs.
  • Viele geringfügig Beschäftigte arbeiteten unterhalb ihrer Qualifikation, zudem sei der hohe Frauenanteil mit ein Grund für die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Sie fahren Pizza aus, kellnern, arbeiten im Einzelhandel, putzen Wohnungen, betreuen Kinder: Mehr als sieben Millionen Menschen haben in Deutschland einen Minijob. Den Grünen missfällt diese Entwicklung. Um den Niedriglohnsektor einzudämmen, plädieren sie für "die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen". So zumindest steht es in einem neuen Arbeitsmarktpapier, das der Bundesvorstand am Dienstag auf seiner Klausur in Hamburg beschlossen hat.

Mit einem Minijob darf man höchstens 450 Euro im Monat verdienen - oder auf maximal 70 Arbeitstage im Jahr kommen. Für Beschäftigte ist das Einkommen steuerfrei, sie müssen auch nicht in die Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen, von der Rentenversicherungspflicht können sie sich befreien lassen. Arbeitgeber führen pauschal Beiträge zur Sozialversicherung ab, zahlen eine pauschale Steuer und in die Unfallversicherung ein. Für Privathaushalte sind die Abgaben noch niedriger. Es gilt der Mindestlohn.

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Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) gab es im Oktober 2019 knapp 7,6 Millionen Minijobber. Für gut drei Millionen von ihnen war der Minijob nur eine Nebentätigkeit; zusätzlich zu einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung, oft in Teilzeit. Während die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten seit einiger Zeit sinkt, steigt die Zahl der nebenberuflichen Minijobber leicht. Nach den Daten der Minijobzentrale arbeiten gut 300 000 Minijobber in privaten Haushalten. Der Rest ist in Unternehmen angestellt, besonders viele im Handel und in der Gastronomie.

Kritik an den Minijobs gibt es schon lange, etwa vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Der ist der Ansicht, dass mit den Minijobs die Flexibilisierungswünsche der Arbeitgeber auf Kosten der Beschäftigten gelöst würden, denen oft eine reguläre Beschäftigung vorenthalten werde. Viele Minijobber arbeiteten unterhalb ihrer Qualifikation. Zudem sei der hohe Frauenanteil mit ein Grund für die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern. Kritisch sieht die Minijobs auch Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) - vor allem mit Blick auf die Nebenjobs. Einen Job steuerlich und bei den Sozialabgaben zu begünstigen, nur weil es der Zweitjob ist, sei eine reichlich schlechte Begründung: "Wenn man sich überlegt, welche Arbeitsmodelle staatlich subventioniert werden sollten, würde einem wohl kaum als erstes der Nebenjob einfallen."

Weber plädiert für die Abschaffung der Minijob-Privilegien; für Nebenjobs sowieso, letztlich aber auch für reine Minijobs. Minijobber seien vor allem Schüler, Studenten, Rentner - und verheiratete Frauen. Für die ersten drei Gruppen sei eine Begünstigung nicht notwendig, für letztere oft sogar problematisch. Minijobs seien vielfach nicht nachhaltig und auch kein Grundstein für eine berufliche Entwicklung oder Karriere, sagt Weber. In Kombination mit dem Ehegattensplitting und der kostenlosen Mitversicherung aber sei es für viele Frauen enorm unattraktiv, mehr als nur einen Minijob zu machen.

"Die Subventionierung von Billigjobs kann keine Antwort sein"

Holger Schäfer, Ökonom beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), kann den Minijobs dennoch etwas Gutes abgewinnen. Für ihn sind sie eine Art "Bagatellgrenze". Es sei nicht sinnvoll, sagt er, für kleine Jobs die "ganze Sozialversicherungsmaschinerie anzuwerfen". Allerdings könne es durchaus problematisch sein, wenn Beschäftigte lieber nach Feierabend Pizza ausfahren, statt in ihrem Hauptjob Überstunden zu machen oder die Arbeitszeit auszuweiten.

Für Arbeitgeber sei vor allem die Flexibilität wichtig, sagt Weber vom IAB. Es wäre aber auch ohne Minijob möglich, jemanden für nur fünf Stunden in der Woche anzustellen. Eine möglichst einfache verwaltungstechnische Handhabung solcher Jobs sollte seiner Meinung nach gewährleistet werden. Angesichts der demografischen Entwicklung und des sinkenden Arbeitskräftepotenzials müsse die Devise für Arbeitgeber eigentlich "Klasse statt Masse" lauten, sie sollten in die Qualifizierung von Arbeitskräften investieren. "Die Subventionierung von Billigjobs jedenfalls kann keine Antwort sein. Für die Zukunft brauchen wir etwas anderes."

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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