Mineralölkonzern:OMV-Chef kündigt Rückzug an

Chief Executive of Austrian oil and gas group OMV, Seele, addresses a news conference in Vienna

Immer neue Vorwürfe gibt es gegen sein Unternehmen. Nun hat OMV-Chef Rainer Seele entschieden, seinen Vertrag nicht zu verlängern.

(Foto: Heinz-Peter Bader/Reuters)

Bespitzelung von Klimaschützern, verschwendete Firmengelder: Es gab zuletzt schwere Vorwürfe gegen den österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV. Und immer wieder fiel ein Name: Rainer Seele. Nun kündigt der Firmenchef an, seinen Vertrag nicht zu verlängern.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der Chef des teilstaatlichen österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV, Rainer Seele, verzichtet auf eine Vertragsverlängerung 2022, nimmt also de facto im kommenden Jahr seinen Hut. Die Ankündigung vom Montagmorgen ist - je nach Blickwinkel - das vorläufige Ende oder aber der Höhepunkt einer von internen Machtkämpfen, externen Vorwürfen und Skandalen geprägten Zeit, in der immer wieder Seeles Name fiel. So hatten ihm zuletzt Greenpeace und Fridays for Future Austria vorgeworfen, Klimaaktivisten durch internationale Spionagedienstleister systematisch überwachen zu lassen. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

Zudem steht die OMV seit längerem heftig in der Kritik für die Übernahme des Plastikherstellers Borealis, dessen Anteile der Konzern vor einem Jahr durch den Zukauf vom Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate, Mubadala, von 36 auf 75 Prozent aufgestockt hatte. Die Emirate sind mit 24,9 Prozent der zweitgrößte Aktionär der OMV. Seele argumentierte damals, der Ölkonzern müsse unabhängiger vom Energiesektor werden; Kritiker werfen ihm aber vor, einen viel zu hohen Kaufpreis bezahlt und den Aufsichtsrat nicht ausreichend über den Deal informiert zu haben.

Über beide Fälle - die mutmaßliche Bespitzelung von Klimaaktivisten sowie den womöglich überhöhten Kaufpreis für die Borealis-Aktien - hatte die österreichische Rechercheplattform Dossier berichtet. Demnach hatten die "Borealis-Controller vor Kaufvertragsabschluss am 12. März 2020 einen Rückgang der Borealis-Ergebnisse wegen der Pandemie und eines Ölpreissturzes prognostiziert. Trotzdem blieb der Borealis-Kaufpreis unverändert." Die Informationen über einen möglichen Preisverfall seien erst nach der Aufsichtsratssitzung vom 11. März weitergereicht worden, heißt es. Das österreichische Parlament befasste sich mit den Vorwürfen; sie waren auch Thema im sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Der Konzern will Schadenersatz von der Rechercheplattform Dossier

In der Borealis-Causa hat die OMV Klage gegen Dossier eingereicht, die Schadenersatzforderung beläuft sich auf insgesamt 130 000 Euro. Die Rechercheplattform bezeichnete den Schritt der OMV als "Einschüchterungsklage". Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte am Montag, der Verzicht Seeles auf seine Vertragsverlängerung folge "einer Lawine an Skandalen, die unter seiner Führung den teilstaatlichen Konzern erschüttert" hätten. Die Vorwürfe der Überwachung von Klimaschützerinnen und Klimaschützern müssten lückenlos aufgeklärt und die Klage gegen Dossier sofort fallengelassen werden.

Die Vorwürfe der Bespitzelung betreffen mögliche Aufträge an Überwachungsfirmen in Österreich und Neuseeland. So sollen - über Aufträge an die Sicherheitsfirmen Weland sowie T + C - nicht nur Aktivisten von Greenpeace sowie der Klimabewegung Fridays for Future, sondern auch Schüler und Senioren bei Protestaktionen in Neuseeland beobachtet worden sein. Diese Informationen stützen sich auf eine zweijährige Recherche des Senders Radio New Zeeland sowie auf interne Emails von OMV-Mitarbeitern. Das Unternehmen bestreitet das vehement, man habe nur öffentlich zugängliche Informationen zusammengetragen. Gleichwohl wandten sich der grüne Vizekanzler, die Umweltministerin und die Oppositionsparteien mit der dringenden Bitte um Aufklärung an den Konzern.

Und als sei all das nicht genug, drangen zuletzt Hinweise auf weitere interne Querelen bei der OMV an die Öffentlichkeit: So soll der Konzern auf der Suche nach Leaks Mitarbeiter ausforschen lassen haben. Dossier zufolge prüfen die Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie die Datenschutzbehörde die Vorgänge im Konzern - unter anderem, weil Seele Diensthandys und E-Mails der Belegschaft untersuchen ließ. Mehrere Dutzend Mitarbeiter, von den Senior Vice Presidents bis hinab in untere Hierarchieebenen, seien in den vergangenen Monaten das Ziel einer Untersuchung der Innenrevision gewesen. Grund sei die "Weitergabe von vertraulichen Informationen" über den Verkauf der OMV-Tankstellen in Deutschland gewesen.

Seele ist der zweite mächtige Vorstandschef in Österreich, der in den vergangenen Tagen einen Verzicht auf eine Vertragsverlängerungsoption verkündete. Zuletzt hatte Thomas Schmid, umstrittener Chef der Staatsholding Öbag und Vizeaufsichtsratschef bei der OMV, angekündigt, seinen Posten im kommenden Jahr abzugeben.

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