Mineralienvorkommen in Sibirien:Milliardenschatz löst Diamantenfieber aus

Der Markt für Edelsteine könnte mit diesem Fund umgewälzt werden: In Sibirien liegt das größte Diamantenvorkommen der Erde, melden russische Forscher. Doch der Schatz ist nicht leicht zu heben.

Julian Hans

Was russische Wissenschaftler am Wochenende auf dem internationalen Innovationsforum "Interra 2012" in Nowosibirsk verkündeten, klang wie eine Sensation: Im hohen Norden Sibiriens sei ein Diamantenvorkommen entdeckt worden, wie es auf der Erde kein zweites gebe.

Diamantmine in Udatschny/Sibirien

Ebenfalls im Norden Sibiriens befindet sich die mehr als 500 Meter tiefe Diamantmine Udatschnaja bei Udatschny, Republik Sacha (Jakutien). Archivbild von 2004.

(Foto: Stepanov Alexander/CC-by-sa-3.0)

"Viele Billionen Karat" lagerten an einem Ort namens Popigai, hieß es in einer Mitteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften. Zum Vergleich: 2011 wurden weltweit etwa 124 Millionen Karat gefördert. Der Fund könne den Diamantenbedarf über mehrere tausend Jahre decken, rechneten die Forscher vor. Er habe des Potenzial, den Markt für Diamanten umzuwälzen.

Bereitwillig ließen sich Beobachter vom Diamantenfieber anstecken: "Russland enthüllt ein funkelndes Staatsgeheimnis" titelte der Christian Science Monitor, "es ist von Diamanten überflutet". Der Schatz sei seit Sowjetzeiten als Staatsgeheimnis gehütet worden, berichtete die Zeitung, die Partei habe der aufwendig aufgebauten Industrie zur Erzeugung künstlicher Diamanten nicht schaden wollen. Eine schöne Geschichte, wenn sie wahr wäre.

Ein Geheimnis ist der diamantene Krater in Sibirien zumindest für Fachleute lange nicht mehr, sagt der Geologe Alexander Deutsch, der als Professor für Planetologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster lehrt. Er selbst hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf Einladung russischer Wissenschaftler eine Forschungsreise zu dem abgelegenen Ort an der Grenze der Regionen Krasnojarsk und Jakutien unternommen.

Vor 35 Millionen Jahren hat dort ein Meteorit die Erde getroffen, sagen die Geologen. Dabei ist ein Krater entstanden, der drei Mal so groß ist wie Luxemburg. Der Druck beim Einschlag des Meteoriten auf das Schiefergestein habe tatsächlich Diamant entstehen lassen, sagt Deutsch, allerdings in der "völlig unspektakulären Form" von winzigen Plättchen.

Die Geologen sprechen von Impakt-Diamant, der durch kurzfristige Einwirkung von hohem Druck auf kohlenstoffhaltiges Gestein entstehe. Allerdings hat er wenig gemeinsam mit den großen Diamanten, die sich über Jahrmillionen in der Erdkruste bilden. Es sei zwar gut möglich, dass in Popigai die größten Diamantenvorkommen der Erde lagerten, sagt Deutsch, dass das den Diamantenmarkt umwälzen könne, halte er aber "für ein Märchen".

Legenden helfen, die Preise zu steigen zu lassen

Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank schätzt die Vorkommen ähnlich nüchtern ein: "Es ist möglich, dass da Milliarden Karat liegen, aber auf den Preis der Schmuckdiamanten hat das keinen Einfluss", sagt er. Zum einen seien die Diamanten im Popigai Vorkommen rein industrieller Natur und für Schmuck völlig ungeeignet. Außerdem bekämen Diamanten ihren Wert nicht entscheidend von der Angebotsseite. Obwohl in den vergangenen Jahren die Förderung enorm gestiegen ist, gingen auch die Preise nach oben.

Eine größere Rolle als die Vorkommen spiele der Mythos um den härtesten Stein der Welt - und der werde durch geschicktes Marketing lebendig gehalten. Der Rubin zum Beispiel sei viel seltener als der Diamant und eigentlich sogar schöner, findet Weinberg. Dennoch ranke sich kein Mythos um ihn und die Preise für Rubine seien niedriger.

Das Problem für Anleger ist, dass der Wert von Diamanten viel schwerer zu bestimmen ist, als etwa der von Gold. Eine Unze ist eine Unze. Aber was ein Einkaräter wert ist, hängt in hohem Maße von der Qualität des Steins ab und vom Schliff. Schon heute fördert die Russische Föderation mehr Diamanten als jede andere Nation. Über 35 Millionen Karat waren es im Jahr 2011. Botswana hat knapp 23 Millionen Karat gefördert, die Demokratische Republik Kongo folgt an dritter Stelle mit etwas weniger als 19 Millionen Karat.

Doch das ist nur das Volumen. Die Qualitätsunterschiede sind gewaltig. So kostete ein Karat aus russischer Produktion auf dem Markt im Schnitt etwa 76 Dollar, die wertvollsten Steine kommen aus dem Königreich Lesotho im Süden Afrikas. Durchschnittlich 1600 Dollar wurde für sie 2011 pro Karat bezahlt. Impakt-Diamanten aus dem Popigai-Krater könnten vielleicht ein bis zwei Dollar pro Karat erzielen, schätzt der Analyst Weinberg - wenn man sie denn fördern und aus der unwegsamen russischen Niemandsland auf den Markt bringen könnte.

Diese Hürde ist groß. Vielleicht zu groß. Selbst wenn in der Industrie Verwendung für die Popigai-Diamanten finden könnte - etwa in der Hochtechnologie, wie die sibirischen Forscher anregten -, müssten sie erst aus dem schwer zugänglichen Gebiet gefördert und auf den Markt gebracht werden. Nur für wenige Monate taut in Nordsibirien der Permafrost-Boden auf, dann verwandeln sich die Wege in eine Matschwüste. Alexander Deutsch erinnert sich, dass er bei seiner Exkursion nach langwieriger Reise die letzten zweieinhalb Stunden mit dem Helikopter fliegen musste, um den Krater zu erreichen.

Es kann also gut sein, dass Russland tatsächlich auf dem weltweit größten Diamantschatz sitzt. Aber ihn zu heben und ihn zu Geld zu machen, könnte unmöglich sein. Was tragisch klingt, hat aber auch eine gute Seite: Die abgelegene Region Popigai, in der vor 35 Millionen Jahren der Meteorit einschlug, wurde von der Unesco zum geologischen Welterbe erklärt. Immerhin würde dieser Schatz nicht durch den Bergbau zerstört.

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