Mindestlohn in Deutschland:Mehr Geld, mehr Jobs

7,50 Euro für ein stärkeres Wachstum: Einer Gewerkschafts-Studie zufolge würde ein Mindestlohn Millionen Geringverdienern helfen - und einen Konjunkturschub auslösen.

Thomas Öchsner

Von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 7,50 Euro pro Stunde würden knapp vier Millionen Arbeitnehmer mit einem Vollzeitjob und etwa fünf Millionen Arbeitnehmer profitieren, die geringfügig oder teilzeitbeschäftigt sind. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das das Institut Econometrics im Auftrag der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verfasst hat.

Maler, ddp

Eine Studie der Gewerkschaft Verdi belegt: Ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro würde Millionen Arbeitnehmern helfen.

(Foto: Foto: ddp)

Nach der Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, würde ein solcher Mindestlohn kurzfristig einen Konsumschub auslösen und hierdurch bis zu 225.000 zusätzliche Arbeitsplätze in den nächsten zwei Jahren schaffen.

"Das Gutachten beweist, dass ein gesetzlicher Mindestlohn von zunächst 7,50 Euro ein schnell wirkendes Konjunkturprogramm wäre. Nicht nur Banken brauchen einen Schutzschirm in der Krise, sondern auch die Arbeitnehmer und vor allem die Niedriglöhner", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg, am Montag der SZ.

Verdi-Chef Frank Bsirske sagte, eine wirksame Bremse gegen Lohndumping hätte auch eine positive Wirkung auf Tarifverhandlungen. "Die Tarifautonomie, die durch Tarifunterbietung, Austritte von Unternehmen aus den Arbeitgeberverbänden und Armutslöhne ausgehöhlt wird, würde so wieder besser funktionieren."

Neue Nahrung für eine hitzige Debatte

Die Debatte um einen Mindestlohn dürfte damit neue Nahrung erhalten. Sozialdemokraten und Gewerkschaften, Grüne und Linke haben sich für eine bundesweite Lohnuntergrenze ausgesprochen. Union und FDP sind dagegen.

In dem Gutachten des Econometrics-Ökonomen Klaus Bartsch wird mit einem Mindestlohn von 7,50 Euro gerechnet, der von 2010 an gilt. Diese Untergrenze erhöht sich schrittweise auf neun Euro bis Juli 2011. Dann wird simuliert, welche Effekte dies auf den Arbeitsmarkt hätte.

Das Ergebnis: Durch die deutliche Steigerung würden bis Mitte 2011 etwa neun Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor einen höheren Verdienst erhalten. Nach Angaben des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen beliefen sich 2007 die durchschnittlich im Niedriglohnsektor erzielten Stundenlöhne im Westen auf 6,88 und im Osten auf 5,60 Euro.

Auch die Rentner profitieren

Dem Econometrics-Gutachten zufolge würden von dem Mindestlohn auch Rentner zeitversetzt profitieren, weil ihre Ruhestandsbezüge mit steigenden Bruttolöhnen tendenziell ebenfalls anziehen. Auch die Gehälter oberhalb der Mindestlohnschwelle legten wegen des leicht höheren Beschäftigungsgrades und der stärkeren Verhandlungsmacht der Gewerkschaften zu.

Den Konsumschub und prognostizierten Zuwachs an Jobs begründet das Institut mit der erhöhten Nachfrage: "Menschen mit niedrigem Einkommen geben praktisch jeden zusätzlichen Euro vollständig aus. Zum Sparen kommen sie erst gar nicht." Das Institut Econometrics in Neuendorf in Brandenburg hatte bereits mehrfach Studien für Gewerkschaften erstellt.

In dem Gutachten wird unterstellt, dass ein Mindestlohn keine Jobs vernichtet. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Fünf Wirtschaftsweise") verwies in seinem letzten Jahresgutachten dagegen auf mehrere Studien, die hohe Beschäftigungsverluste prognostizieren.

Die Kehrseite: Arbeitsplatzverlust

Den stärksten Stellenabbau sagen das Ifo-Institut und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung voraus. Sie rechnen bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro mit einem Verlust von mehr als einer Million Arbeitsplätzen.

Das frühere Mitglied des Sachverständigenrats, Bert Rürup, befürwortet allerdings in einem Minderheitsvotum einen Mindestlohn von 4,50 Euro. Gerade der internationale Vergleich zeige, dass es bislang keine klaren Antworten darauf gebe, wie sich eine Lohnuntergrenze ökonomisch auswirke, merkte Rürup an. In 21 von 30 in der OECD organisierten Industriestaaten gilt bereits ein gesetzlicher Mindestlohn.

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