Gründung von Scheingesellschaften:Wie Arbeitgeber den Mindestlohn umgehen

Lesezeit: 2 Min.

  • Mit Tricks versuchen Arbeitgeber, Mindestlohn und Sozialabgaben zu umgehen.
  • Ein beliebtes Mittel ist die Gründung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Ihre Zahl soll seit Einführung des Mindestlohns verstärkt gestiegen sein.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Sie arbeiten auf Baustellen, als Ausbeiner in Schlachthöfen oder als Lkw-Fahrer. So, wie sie dabei ihr Geld verdienen, sind sie eigentlich Arbeitnehmer. Auf dem Papier sind sie aber als Selbständige etikettiert. Wie viele es dieser Scheinselbständigen in Deutschland gibt, weiß niemand. Sicher ist nur: Ihr Einsatz ist lukrativ, weil sich auf diesem Weg viel Geld sparen lässt.

Der tatsächliche Arbeitgeber, der sich als Auftraggeber ausgibt, muss zum Beispiel keine Sozialabgaben abführen. Er muss weder den Kündigungsschutz und branchenübliche Mindest-Lohngrenzen beachten noch den neuen Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Das gilt auch für Scheinselbständige, die sich in sogenannten Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) verbergen. Deren Gründung scheint deshalb immer beliebter zu werden.

Normalerweise treten vermeintliche Selbständige, die häufig aus den neuen EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa kommen, als Einzelunternehmer auf. "Nicht selten werden sie bei der Anmeldung zu Gewerbetreibenden von deutschen Auftraggebern unterstützt, die von den günstigen Arbeitsleistungen profitieren möchten", heißt es bei der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft. Dabei gebe es "teilweise organisierte Strukturen mit Vermittlern und/oder Rechtsanwälten und Steuerbüros, die die Formalitäten der Firmengründung übernehmen als auch die Verbindungen zu deutschen Auftraggebern herstellen".

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Beschäftigte im Nachteil

Die GbR gilt als Sonderform dieses Geschäftsmodells, sofern sich verschiedene Einzelunternehmer nur deshalb darin zusammengeschlossen haben, um ihre Scheinselbständigkeit zu verschleiern. Dann sind alle Mitarbeiter Gesellschafter, keiner Arbeitnehmer, und einer ist in Wahrheit der Chef.

Für Martin Schinke, Vorsitzender bei der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist klar: "Die Berichte von Kollegen zeigen uns, dass die Gründung solcher Gesellschaften seit Jahren zunimmt." Die scheinselbständigen Arbeitnehmer blieben dabei vom Initiator der Gesellschaft, der im Prinzip ihr Arbeitgeber ist, weiter abhängig. "Häufig trifft dies ausländische Arbeitnehmer, oft aus Bulgarien oder Rumänien." Die seien leichter auszubeuten. Denn für sie könne es attraktiv sein, "für fünf Euro netto in Deutschland zu arbeiten. Diese Menschen sind so sparsam und leben hier in so ärmlichen Verhältnissen, dass sie von ihrem geringen Verdienst noch Geld zu ihren Familien nach Hause schicken", sagt Schinke.

Auch die Zollgewerkschaft ist überzeugt, dass GbR-Gründungen "seit Einführung des Mindestlohns verstärkt festzustellen sind", um die Zahlung der 8,50 Euro zu umgehen. Einen statistischen Nachweis gibt es dafür naturgemäß nicht: Angaben des Statistischen Bundesamtes zeigen nur, dass die Zahl solcher Gesellschaften seit der EU-Osterweiterung 2004 schrittweise auf mehr als 200 000 zugenommen hat.

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"Das Problem für die Ermittler dabei ist, herauszufinden, ob hinter einer solchen Gesellschaft kriminelle Machenschaften stecken", sagt Schinke. "Da reicht die Kontrolle der Ausweise auf der Baustelle eben nicht. Da sind Ermittlungen der Hintergründe notwendig, und dafür fehlt leider oft die nötige Zeit."

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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