Süddeutsche Zeitung

Mindestlohn:Höherer Mindestlohn - der Kampf beginnt

  • Die Mindestlohnkommission muss im Sommer entscheiden, ob Millionen Menschen künftig mehr Geld verdienen.
  • Gewerkschaften und Industrievertreter streiten schon jetzt, ob eine Anhebung von 8,50 auf neun oder gar zehn Euro realistisch ist.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Im Juni dieses Jahres werden voraussichtlich sechs Menschen entscheiden, ob ein paar Millionen Arbeitnehmer in Deutschland bald mehr Lohn bekommen. Dann muss die Mindestlohnkommission einen Vorschlag vorlegen, wie die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in Zukunft aussehen soll.

An diesem Mittwoch trafen sich die Mitglieder des Gremiums zum ersten Mal in diesem Jahr. Viel reden will darüber keiner. Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber, die jeweils mit drei stimmberechtigten Vertretern in der Runde vertreten sind, bringen sich aber bereits in Stellung. Es geht dabei, auch wenn das noch nicht so offen ausgesprochen wird, um die Marke von neun Euro.

Der Arbeitgeberpräsident hält schon 50 Cent mehr für "völlig unverständlich und illusorisch"

Für Reinhard Göhner, als Hauptgeschäftsführer der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) selbst Mitglied des Gremiums, ist die Sache klar: Er weist darauf hin, dass sich die Kommission laut Mindestlohngesetz bei der zum 1. Januar 2017 fälligen Anpassung an der Tarifentwicklung zu orientieren habe. Maßgebend sei dabei der Tarifindex des Statistischen Bundesamtes. Davon abzuweichen, sei nur bei "außergewöhnlichen Umständen" möglich. "Es ist daher völlig abwegig, wenn einzelne Stimmen aus den Gewerkschaften oder der Politik von einer Anhebung auf zehn Euro reden", sagte Göhner der Süddeutschen Zeitung. Vielmehr müsse man zunächst auf neue Daten des Amtes warten.

Verdi-Chef Frank Bsirske hatte bereits 2015 einen Mindestlohn von zehn Euro verlangt. Auch die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), deren Chefin Michaela Rosenberger der Kommission angehört, fordert bereits seit Langem wie Bsirske einen Aufschlag um 1,50 Euro. Deutlich zurückhaltender hatte sich Ende 2015 DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell geäußert. Er erinnerte damals ebenso an die maßgebliche Entwicklung der Tariflöhne, merkte aber an: "Eins ist heute schon klar: Die Gewerkschaftsseite wird keinerlei faule Ausreden akzeptieren, mit denen der Mindestlohn eingefroren, für Flüchtlinge ausgesetzt oder abgesenkt und durch staatliche Mittel aufgestockt werden soll."

Vorsichtig bleibt auch IG-BAU-Chef Robert Feiger, ebenfalls Mitglied der Kommission: "Ein steigender Mindestlohn ist ein notwendiges Mittel, um der stark zunehmenden Konzentration von Vermögen bei wenigen etwas entgegenzusetzen", sagt er. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wiederum hält sich wie vorgesehen heraus. Sie ließ lediglich durchblicken, dass es für eine Erhöhung "gut" aussehe.

Dass der Mindestlohn auf zehn Euro steigen wird, ist so gut wie ausgeschlossen. Tatsächlich dürfte die Arbeitgeberseite versuchen, unter der Marke von neun Euro zu bleiben. BDA-Präsident Ingo Kramer hatte Ende 2015 betont, dass schon die Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns auf neun Euro "völlig unverständlich und illusorisch" sei. So oder so, es bleibt spannend.

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SZ vom 28.01.2016/jasch
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