Millionenstrafe wegen Korruption:Zahltag für Ferrostaal

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Siemens, MAN, Daimler: Deutsche Firmen haben im Ausland kräftig geschmiert, um an Aufträge zu kommen. Auch der Industrie-Dienstleister Ferrostaal ist ertappt worden - und soll Millionen zahlen. Den größten Teil wird wohl ein früherer Inhaber berappen müssen.

Klaus Ott

Seit einigen Jahren gibt es eine neue Gepflogenheit bei der Abteilung XII der Münchner Staatsanwaltschaft, die gegen Korruption vorgeht: Im Spätherbst ist Zahltag. Ende 2007 wie auch Ende 2008 musste der Industriekonzern Siemens viel Geld an die Staatskasse überweisen, insgesamt knapp 600 Millionen Euro. Vor einem Jahr war das Lkw- und Busunternehmen MAN mit 150 Millionen Euro dran.

Stahl-Lager in einem Werk der Ferrostaal AG (Archivbild): 200 Millionen Euro für die Staatskasse. (Foto: DPA)

Demnächst könnte ein größerer Betrag aus Essen hinzukommen, von der Handelsgesellschaft Ferrostaal AG. Die hat früher ebenso wie Siemens, MAN, Daimler und andere deutsche Firmen im Ausland teilweise kräftig geschmiert, um lukrative Aufträge zu erhalten, und ist schließlich ertappt worden. Seit Monaten verhandeln Abgesandte aus Essen in München darüber, was das die Ferrostaal AG kosten soll.

Jetzt ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Einigung greifbar nahe, zum Preis von knapp 200 Millionen Euro. So hoch soll schätzungsweise der Profit aus den illegalen Geschäften sein, den die Staatsanwaltschaft abschöpfen will, inklusive eines Bußgelds. Nach Erkenntnissen der Ermittler haben die Essener beim Verkauf von U-Booten nach Griechenland ebenso geschmiert wie bei Schiffslieferungen oder Kraftwerksanlagen in Afrika und Südamerika. Die Münchner Strafverfolger ermitteln gegen Ex-Vorstandschef Matthias Mitscherlich und weitere frühere Manager. Auch gegen das Unternehmen selbst geht die Staatsanwaltschaft vor.

Bei dem letzteren Verfahren sei man auf einem "sehr guten Weg", ist aus dem Umfeld von Ferrostaal zu hören. Ferrostaal selbst erklärt, die Gespräche verliefen "sehr konstruktiv", man äußere sich aber nicht zum Stand der Dinge, da man solche Verhandlungen nicht in der Öffentlichkeit führe. Und die Staatsanwaltschaft schweigt, wie fast immer bei noch laufenden Ermittlungen.

Mit der anstehenden Zahlung aus Essen haben Unternehmen in Deutschland binnen weniger Jahre dann mit mehr als 1,5 Milliarden Euro für die Bestechung von Geschäftspartnern, Behörden und Regierungen rund um den Globus büßen müssen. Der mit Abstand größte Anteil entfällt auf Siemens.

Kurzfristig mag Korruption Aufträge bringen, auf lange Sicht lohnt sich das nicht. Top-Manager haben ihre Jobs verloren, mussten Schadenersatz zahlen oder kommen sogar vor Gericht. Das könnte auch Matthias Mitscherlich passieren, Sohn des Psychoanalytiker-Ehepaars Margarete und Alexander Mitscherlich ("Die Unfähigkeit zu trauern"). Als der Ferrostaal-Vorstandschef vor einem halben Jahr in Essen gehen musste, wies er allerdings die Vorwürfe gegen ihn zurück.

Mittlerweile hat auch Telekom-Chef René Obermann Ärger mit der Justiz. Die Bonner Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn, in mutmaßliche Korruptionsdelikte des Telefon-Konzerns auf dem Balkan verwickelt zu sein. Obermann beteuert seine Unschuld, der Aufsichtsrat der Telekom glaubt ihm und will seinen Vertrag verlängern. Dass Telekom-Gesellschaften auf dem Balkan bestochen haben sollen, womöglich aber ohne Wissen von Obermann, dafür liegen viele Hinweise vor. Vielleicht muss auch der in Bonn ansässige Konzern eines Tages einiges zahlen. Der Betrag läge aber deutlich niedriger, als das demnächst bei der Ferrostaal AG der Fall sein wird.

Die Bedeutung des Essener Unternehmens für die deutsche Wirtschaft ist weit größer, als es in der Zahl von gut 4000 Beschäftigten und im Jahresumsatz von 1,6 Milliarden Euro zum Ausdruck kommt. Ferrostaal betreut nicht nur eigene Projekte, sondern agiert für die heimische Industrie als eine Art Außenhandelsstelle.

Die Essener wickeln weltweit Geschäfte im Auftrag anderer Firmen ab, bis hin zu Konzernen wie Thyssen-Krupp. Die müssen sich dann nicht selbst um den Verkauf ihrer Maschinen, Anlagen, U-Boote oder Schiffe kümmern, was viele Vorteile hat. Darunter auch den Vorzug, dass das Schmiergeldrisiko ausgelagert wird. In manchen Teilen der Welt ist es nach wie vor üblich, die Hand aufzuhalten.

Solche Hände haben auch Ferrostaal-Manager nach den Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft lange Zeit geschüttelt und dabei viel Geld mitgebracht, dass dann in die Taschen von zwielichtigen Vermittlern, Militärs und womöglich auch Politikern floss. Diesen Praktiken auf die Schliche gekommen war die Staatsanwaltschaft, als sie bei der früheren Ferrostaal-Mutter MAN Korruptionsdelikte aufdeckte. In den MAN-Akten in München fanden sich Spuren, die nach Essen führten. Dort schlugen die Ermittler bei einer Razzia zu, sie wurden bei der Aufklärung aber vom Management unter Mitscherlich behindert. Erst als der Ferrostaal-Aufsichtsrat die Unternehmensspitze weitgehend austauschte, endete die Blockade.

Der neue Vorstandschef Jan Secher will offenbar schnell mit der Staatsanwaltschaft handelseinig werden, um mit der Vergangenheit abzuschließen und das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Die Existenz des Unternehmens soll gesichert werden. Einen ersten Bonus hat Secher schon bekommen. Vor einem halben Jahr verlangte die Staatsanwaltschaft noch 240 Millionen, jetzt sind es weniger als 200 Millionen Euro.

Den größten Teil davon wird am Ende wohl MAN zahlen müssen. Die Essener Korruptionsdelikte fallen in jene Zeit, als MAN Alleininhaber von Ferrostaal war. Inzwischen hat MAN 70 Prozent der Ferrostaal-Aktien an den Staatsfonds Ipic aus dem Emirat Abu Dhabi am Persischen Golf verkauft. Die Scheichs wollen nicht auf den Kosten der Korruptionsaffäre sitzen bleiben und gehen nun gegen MAN vor.

In MAN-Kreisen heißt es, man werde die Verantwortung für das übernehmen, was in Essen geschehen sei, und damit wohl auch einen Teil der Kosten. Womöglich überlässt der Lkw- und Bus-Konzern seine restlichen Ferrostaal-Aktien den Arabern umsonst. Offiziell äußert sich MAN nicht. Dazu ist es noch etwas zu früh.

© SZ vom 30.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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