Milliardenverluste für Dax-Konzerne:Steuerreform drückt Gewinne

Unternehmen wie Telekom und Daimler müssen ihre Bilanzen korrigieren. Leidtragende könnten die Aktionäre seien, denen geringere Dividenden drohen.

Claus Hulverscheidt

Die Unternehmensteuerreform wird die Gewinne der deutschen Firmen in diesem Jahr um mehrere Milliarden Euro drücken. Der Grund sind die hohen Verlustvorträge in den Bilanzen vieler Betriebe, die durch die Reform an Wert verlieren. Leidtragende könnten die Aktionäre seien, denen geringere Dividenden drohen.

Die Reform war im Sommer von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden und tritt eigentlich erst zum 1. Januar 2008 in Kraft. Sie sorgt dafür, dass die Steuerlast der Unternehmen von knapp 40 auf etwa 30 Prozent sinkt. Die Kehrseite dieser Entscheidung ist jedoch, dass die milliardenschweren Verlustvorträge vieler Betriebe ihre steuerliche Wirkung zum Teil verlieren.

Bei diesen Posten handelt es sich um Verluste der Unternehmen aus früheren Jahren, die bis zu einer bestimmten Grenze mit dem jeweils aktuellen Gewinn verrechnet werden können. Dadurch verringert sich die Steuerlast beträchtlich.

Nach Berechnungen des Wiesbadener Steuerrechtlers Lorenz Jarass stecken allein in den Bilanzen der Dax-30-Konzerne noch Verlustvorträge von fast 200 Milliarden Euro. Bei einem Steuersatz von 40 Prozent hatten dieseVorträge einen "Wert" von 80 Milliarden Euro.

Gewinneinbrüche erwartet

Durch die Senkung des Satzes auf knapp 30 Prozent verringert sich dieser Wert nun auf 60 Milliarden Euro. Da Unternehmen Steuerrechtsänderungen unmittelbar nach deren Bekanntwerden in ihren Bilanzen berücksichtigen müssen, werden sie nicht umhinkommen, den Buchverlust von rechnerisch 20 Milliarden Euro noch in diesem Jahr auszuweisen - und damit noch vor dem eigentlichen Inkrafttreten der Steuerreform.

"Wir werden im vierten Quartal eine Vielzahl von Gewinneinbrüchen erleben, selbst wenn sich im Vergleich zum dritten Quartal am eigentlichen Geschäftserfolg gar nichts geändert hat", sagte Jarass der Süddeutschen Zeitung. "Alle Unternehmen mit Verlustvorträgen werden negativ betroffen sein." Als Beispiele nannte er Daimler und die Deutsche Telekom, die in früheren Jahren teils kräftige Fehlbeträge verzeichnet hatten.

Für Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) haben die zu erwartenden Gewinneinbrüche keine Konsequenzen, denn sie schlagen sich zunächst nur in der Buchhaltung der Unternehmen nieder; erst wenn die Unternehmen die Verlustvorträge nutzen und diesen Posten in der Bilanz auflösen, macht sich dies auch in ihrer Steuererklärung und damit in der Kasse des Fiskus bemerkbar.

Sehr wohl betroffen sein könnten dagegen die Aktionäre der Unternehmen, die besonders hohe Wertberichtigungen vornehmen müssen.

"Es könnte Fälle geben, in denen die Dividende wegen eines deutlich niedrigeren Gewinns nach Steuern geringer ausfällt, als dies sonst der Fall gewesen wäre", sagte Marion Sangen-Emden, Steuerberaterin und Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, die zu den größten wirtschaftsberatenden Anwaltskanzleien in Deutschland zählt. Ähnlich äußerte sich Heiko Schreiber, Steuerexperte beim Bundesverband deutscher Banken: "Mancher Aktionär wird das spüren."

Es gibt allerdings auch Unternehmen, die von der Neuregelung profitieren. Dazu zählen vor allem Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen. Sie haben in ihren Bilanzen Vorsorgeposten gebildet, um sich für künftige Steuerzahlungen zu wappnen, etwa beim Fälligwerden einer Lebensversicherung oder anderer Anlageformen.

Künftig müssen auch diese Institute statt 40 nur noch 30 Prozent Steuern zahlen; sie können deshalb einen Teil der Vorsorgeposten auflösen und in diesem Jahr als außerordentlichen Gewinn ausweisen. So erwartet die Münchener Rück einen Sondererlös von 400 Millionen Euro, die Hannover Rück von 180 Millionen Euro.

Die Deutsche Bank wies den Einmalertrag bereits vorige Woche aus - mit dem kuriosen Effekt, dass der Gewinn nach Steuern im dritten Quartal mit 1,4 Milliarden Euro höher ausfiel als der Ertrag vor Steuern mit 1,2 Milliarden Euro.

Steinbrücks Sprecher Torsten Albig sagte, der Bundesregierung seien beide Effekte - Korrekturbedarf bei Verlustvorträgen einerseits, Sondererlöse andererseits - bei der Konzeption der Steuerreform bewusst gewesen. "Das liegt alles im erwarteten Bereich", sagte er.

Im Übrigen gehe die Regierung davon aus, dass die Unternehmen die einmaligen Buchverluste angesichts der insgesamt guten Ertragslage der Wirtschaft verkraften könnten.

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