Geldverschwendung in Milliardenhöhe:Durchleuchtet das Gesundheitswesen auf Betrug!

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Ein Schild weist den Weg zu einen Corona-Testzentrum. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die erst fehlenden und jetzt mangelhaften Kontrollen bei Corona-Schnelltests sind kein Einzelfall. Das Gesundheitswesen kostet auch deswegen immer mehr, weil es an Transparenz mangelt. Der Staat lässt sich viel zu leicht ausnehmen.

Kommentar von Klaus Ott, München

Bei Jens Spahn saß das Geld ziemlich locker. Und bei Karl Lauterbach schon auch. Nicht deren eigenes Geld, sondern das des Staates. Spahn hat als Gesundheitsminister Corona-Schnelltests eingeführt, die für die Bevölkerung kostenlos waren und mit denen Betrüger mehr als eine Milliarde Euro abgezockt haben sollen. Lauterbach hat als Nachfolger von Spahn lange gebraucht, um gegen den massenweisen Betrug vorzugehen. Und hat jetzt einen Plan vorgelegt, der sich als untauglich erweist. Betreiber von privaten Schnellteststationen, die den Staat mit falschen Abrechnungen ausnehmen wollen, mussten Spahn nicht fürchten und müssen Lauterbach nicht fürchten.

Diese Geldverschwendung ist kein Einzelfall. Sondern bezeichnend dafür, wie der Staat das Gesundheitswesen organisiert. Was der Kampf gegen die Pandemie, was die Krankenhäuser, was Spezialbehandlungen und anderes mehr kostet, spielt an vielen Stellen offenbar keine Rolle. Das Geld ist ja da. Der Staat hat es von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, oder macht eben neue Schulden. Und erhöht die Zuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung, wenn dort das Geld nicht langt. Hier ein paar Milliarden Euro mehr, dort ein paar Milliarden Euro mehr; den Gesundheitsministern und -ministerinnen müsste eigentlich schwindelig werden. Ob sie nun Spahn oder Lauterbach heißen, oder Holetschek (Bayern), Lucha (Baden-Württemberg) oder Behrens (Niedersachsen).

Sie sind aber nicht alleine für die Geldverschwendung im Gesundheitswesen verantwortlich, wie das Beispiel der Schnelltests zeigt. Im Frühjahr 2021 wollten alle Regierungen von Bund und Ländern, um noch mehr Lockdowns und noch mehr Unmut darüber zu vermeiden, die staatlich bezahlten Schnelltests. Sich freitesten lassen, lautete die schnelle Lösung. Kontrollen der vielen tausend privat betriebenen Teststationen, die wie Pilze aus dem Boden schossen, waren erst gar nicht vorgesehen. Das war eine Einladung zum Betrug, ausgesprochen von Spahn, mit Billigung der Regierungen in Bund und Ländern.

Erst als Medien entlarvten, wie manche Schnelltestbetreiber mit erfundenen, nie durchgeführten Tests den Staat systematisch betrogen haben, wurde dies für die Politik zum Thema. Doch konsequente Kontrollen gibt es bis heute nicht. Und wird es wohl auch nicht geben. Lauterbachs Idee, das Robert-Koch-Institut (RKI) damit zu beauftragen, ist eine Schnapsidee. Hauptaufgaben des RKI sind die Bekämpfung von Infektionskrankheiten und die "Analyse langfristiger gesundheitlicher Trends in der Bevölkerung". Betrugsanalyse ist nicht die Sache des RKI. Mediziner sollen jetzt gewissermaßen den Job von Staatsanwältinnen machen.

Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaften kommen mit ihren Ermittlungen bei Schnelltestbetrügereien und anderen Delikten im Gesundheitswesen kaum hinterher. Die Ermittlungsbehörden erweisen sich zunehmend als Reparaturbetrieb der Politik, weil Regierungen und Parlamente es an Vorsorge fehlen lassen. Weil es an Kontrollen und an Transparenz mangelt. Das rügen der Bundesrechnungshof und die gesetzlichen Krankenkassen seit Jahren mit immer neuen Beispielen. Bei medizinisch überflüssigen Kieferbehandlungen, bei falschen Klinikabrechnungen, bei überteuerten Maskenkäufen, bei staatlichen Geschenken für Apotheken, und so weiter.

Deutschland gibt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in der EU umgerechnet das meiste Geld für das Gesundheitswesen aus. Mehr als 400 Milliarden Euro pro Jahr. Das liegt nicht nur an der Pandemie, die ohnehin nicht dazu verleiten sollte, hektisch statt überlegt vorzugehen. Und es liegt auch nicht daran, dass Deutschlands Einwohner im Vergleich zu anderen Staaten besonders siechend wären. Es liegt auch an einem System, das den Betrug leicht möglich macht. Nicht nur, aber auch.

Aus den Ermittlungsbehörden kommt der Vorschlag, das Gesundheitswesen mal systematisch von Kriminologen und Kriminologinnen durchleuchten zu lassen. Derlei Fachleute beschäftigen sich mit den Ursachen, Auswirkungen und Kontroll- sowie Präventionsmöglichkeiten für kriminelles Verhalten in der Gesellschaft. Das wäre eine sinnvoller Auftrag, den Lauterbach erteilen könnte. Und keine Schnapsidee.

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