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Milliardäre und Arme:So könnte die Politik Ungleichheit bekämpfen

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Fragen und Antworten von Guido Bohsem und Thomas Öchsner, Berlin

Was Reiche und Superreiche wirklich besitzen, bleibt ein Geheimnis. In der Rangliste des Manager Magazins wird das Vermögen der 100 wohlhabendsten Bundesbürger auf knapp 428 Milliarden Euro geschätzt. Das klingt sehr genau. Tatsächlich aber weiß man nichts Genaues über die wahre Größenordnung.

Tendenziell wird das Vermögen der Großbesitzer wohl eher unterschätzt. Das zeigt etwa eine neue Berechnungsmethode des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Danach gehören 0,1 Prozent der reichsten deutschen Haushalte 14 bis 16 Prozent des gesamten Vermögens - viel mehr als angenommen. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die reichsten zehn Prozent der Haushalte über gut die Hälfte des Nettovermögens verfügen.

Was das Vermögen angeht, ist Deutschland seit Langem eine ungleiche Gesellschaft, obwohl der Trend zu größerer Ungleichheit laut Bundesarbeitsministerium zuletzt gebremst wurde. Dennoch: die Armen bleiben meistens arm und die Mittelschicht, die den Staat mit ihren Steuern und Abgaben trägt, muss um den Wohlstand kämpfen. Die Ungleichheit gilt als Gefahr für den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie. Doch den Politikern fällt es schwer, etwas dagegen zu tun.

Warum besteuert man die Reichen nicht einfach viel mehr?

In Deutschland stünden dafür drei Steuerarten zur Verfügung, die Grundsteuer, die Erbschaftsteuer und die seit 1997 nicht mehr erhobene Vermögensteuer. International gesehen ist die Vermögensbesteuerung in Deutschland relativ niedrig. Das liegt auch daran, dass die anderen Länder oft eine höhere Grundsteuer verlangen. Allerdings trifft diese nicht nur die Hausbesitzer, denn sie kann auf die Miete umgelegt werden. Da sie nicht mit dem Einkommen steigt, belastet die Grundsteuer Geringverdiener zudem relativ gesehen stärker als Haushalte mit höherem Einkommen.

Was ist mit der Erbschaftsteuer?

Bei der Erbschaftsteuer zeigt sich eine der schwierigsten Fragen der Umverteilung. Gut zwei Drittel der Erbschaften bestehen nämlich aus Betriebsvermögen. Dieses wird steuerlich günstiger behandelt, um den Bestand der Unternehmen nicht zu gefährden und die Arbeitsplätze zu sichern. Die Verschonung ist üppig und mit 7,9 Milliarden Euro die größte Steuersubvention im Bundeshaushalt. Zu groß, befand das Verfassungsgericht und forderte Nachbesserung. Seitdem versuchen Union und SPD eine Einigung über die künftige Ausgestaltung zu finden. Die CSU treibt die Sorge, dass die Unternehmen nach Österreich abwandern, wo es keine Erbschaftsteuer mehr gibt. Sie will die Belastung daher so niedrig ausgestalten wie möglich. Die SPD hingegen will die Betriebserben deutlich stärker zur Kasse bitten. So steht die Frage, was höher einzuschätzen ist - eine bessere Verteilung der Vermögen oder eine Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und von Jobs. Wobei es keinen bekannten Fall eines Unternehmens gibt, das durch die Erbschaftsteuer pleitegegangen ist.

Warum ruht die Vermögensteuer?

Das gleiche Problem wohnt auch der Vermögensteuer inne. Der größte Teil der Steuern würde die Unternehmen belasten. Die Inhaber von großen Privatvermögen würden womöglich ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern, um sich der Steuer zu entziehen. Das Verfassungsgericht hatte an der Steuer bemängelt, dass Immobilienvermögen nicht besser, sondern genauso behandelt werden müsse wie anderes Vermögen. Außerdem ist der Aufwand relativ hoch, die Steuer zu erheben. Nach unterschiedlichen Berechnungen betrugen die Kosten in der Finanzverwaltung zwischen 20 und gut 30 Prozent des Ertrages. Rechtlich umstritten ist auch die Frage, ob die Steuer höher sein darf als der Ertrag aus dem Vermögen oder ob sie auch aus dem Vermögen selbst entrichtet werden kann. Eine Vermögensteuer von einem Prozent würde zwischen elf und 23 Milliarden Euro im Jahr bringen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gerade vorgerechnet.

Muss die Abgeltungsteuer steigen?

Vermögende haben tendenziell auch höhere Kapitaleinkünfte. Schließlich verfügen sie neben Spareinlagen auch überdurchschnittlich häufig über Aktien und andere Kapitalanlagen. Der SPD-Politiker und damalige Finanzminister Peer Steinbrück führte die Abgeltungsteuer damals mit dem Hinweis ein: "25 Prozent von X ist besser als nix". Er wollte mit diesem Niedrigsteuersatz einer Kapitalflucht ins Ausland vorbeugen. Inzwischen sind jedoch die Vereinbarungen über einen Informationsaustausch beständig ausgedehnt worden. Schwarzgeld im europäischen Ausland anzulegen, ist dadurch erheblich schwieriger geworden. Die SPD und auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dringen deshalb darauf, die Abgeltungsteuer abzuschaffen und die Kapitaleinkünfte so zu besteuern wie die Einkünfte aus Arbeit. Die CSU jedoch sperrt sich dagegen.

Hilft ein höherer Spitzensteuersatz?

Gegen die ungleiche Verteilung von Vermögen nur wenig. 2005 lag der Gini-Koeffizient für das Einkommen in Deutschland bei etwa 0,29 (bei Null haben alle Bürger gleich viel. Bei Eins hat einer alles) und ist bis 2010 leicht gesunken. Die Gesellschaft ist so gesehen schon jetzt relativ gleich. Ein höherer Spitzensteuersatz würde zudem nicht nur die Superreichen, sondern auch Haushalte mit einem Bruttoeinkommen von knapp 70 000 Euro im Jahr treffen. Schon jetzt zahlen die obersten zehn Prozent der Lohnstatistik etwa 55,5 des gesamten Einkommensteueraufkommens.

Was ist mit einer Erhöhung von Hartz IV?

Die 6,1 Millionen Hartz-IV-Empfänger liegen sicherlich am untersten Ende in der deutschen Einkommensskala. Über ein Vermögen verfügen sie in der Regel nicht oder nur in geringem Umfang. Daran würden höhere Leistungen für diese Gruppe nichts ändern. Da der Regelsatz für einen Alleinstehenden mit 404 Euro knapp bemessen ist, würde das Geld vermutlich in den Konsum fließen. Sozialverbände und etwa die Linken fordern nun den Hartz-IV-Satz auf bis zu 500 Euro zu erhöhen.

Der Vorschlag hätte aber starke Nebenwirkungen: Ein Euro mehr nur für die 4,3 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher kostet 50 Millionen im Jahr, macht bei einem Aufschlag von 100 Euro fünf Milliarden Euro plus höhere Ausgaben für die gut 1,7 Millionen Kinder in Hartz-IV-Haushalten. Tatsächlich wären die Folgekosten viel höher, rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor: Bei einer stark erhöhten Regelleistung würde die Zahl der Hartz-IV-Bezieher drastisch steigen, weil mehr Geringverdiener einen Anspruch darauf hätten, ihren Lohn mit der Grundsicherung aufzustocken. Die staatlichen Ausgaben für die Unterkunftskosten von Hartz-Haushalten erhöhen sich. Zugleich geht die Einkommensteuer zurück, weil einige Geringverdiener lieber Hartz IV beziehen werden, als auf ihren Mini-Lohn Abgaben und Steuern zu zahlen und sich dafür abzustrampeln. Die Kosten einer so starken Hartz-IV-Erhöhung würden sich dadurch mehr als verdoppeln.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2016
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