Militärtransporter Airbus A400M:Der Koloss klebt am Boden

Die Entwicklung des Militärtransporters A400M wird für Airbus zu einem finanziellen Desaster. Der europäische Flugzeughersteller hat seine Fähigkeiten überschätzt.

J. Flottau und P. Katzenberger

Die Entwicklung des Militärtransporters A400M wird für den Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und dessen Tochterunternehmen Airbus immer teurer.

Airbus-Militärtransporter AM400, Foto:AP

Der Airbus-Militärtransporter A400M: Auf jeden einzelnen Propeller sollen 11.000 PS wirken. Die Entwicklungsrisiken sind hoch.

(Foto: Foto: AP)

Nach den bekanntgewordenen weiteren Verspätungen muss der Konzern womöglich mehrere Milliarden Euro zusätzlich in das Projekt stecken, vorausgesetzt die im Konsortium Occar vereinten Erstkunden bleiben bei ihrer harten Haltung.

EADS hatte am Freitagabend nach Börsenschluss einen für das Unternehmen niederschmetternden neuen Zeitplan bekanntgegeben. Demnach würde die erste von derzeit 192 fest bestellten A400M drei Jahre nach dem Erstflug ausgeliefert werden, drei bis vier Jahre nach dem ursprünglichen Termin.

Der Erstflug wird derzeit nicht vor Mitte 2009 erwartet und wäre damit fast eineinhalb Jahre verspätet. Zum Vergleich: Der Airbus A380 wurde zwei Jahre später als vorgesehen fertig.

Miteinander verschlungene Probleme

Die nun genannte Zeitspanne von drei Jahren zwischen Erstflug und Auslieferung des A400M sei zudem ungewöhnlich lang, sagte Peter Pletschacher, Geschäftsführer der Fachzeitschrift Aviatic zu sueddeutsche.de. Bei Zivilflugzeugen würden zwölf bis 18 Monate für den Zeitraum zwischen Erstflug und Erstauslieferung veranschlagt. "Dass Airbus nun mit drei Jahren rechnet, weist auf viele Probleme hin, die miteinander verflochten sind", sagte Pletschacher.

Dem Konzern zufolge ist es derzeit nicht möglich, die finanziellen Folgen der Entscheidung abzuschätzen. Dies hänge davon ab, wann ein neuer industrieller Plan stehe und welche Position die Beschaffungsorganisation Occar zu dem Thema einnehme, zu der Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Belgien und Spanien gehören.

EADS hatte Ende 2008 bekanntgegeben, dass das Unternehmen vorerst keine Prototypen des A400M weiterbauen will, weil sich der Erstflug auf unbestimmte Zeit verzögert hatte. Die Serienproduktion soll erst starten, wenn die Flugtests erfolgversprechend verlaufen.

Die erneute Verschiebung könnte theoretisch weitreichende Konsequenzen haben - A400M-Erstkunden könnten im schlimmsten Fall ihre Aufträge stornieren. Dies gilt aber als sehr unwahrscheinlich, da die meisten Länder dringend modernere Transportflugzeuge benötigen. Dennoch können sie auf Konventionalstrafen pochen.

Vor allem bei Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ist EADS-Chef Louis Gallois bislang mit seinem Wunsch abgeblitzt, diese Strafzahlungen nicht einzufordern und im Gegenteil die Staaten sogar an den zusätzlichen Kosten zu beteiligen. Deutschland ist mit 60 Flugzeugen größter Einzelkunde.

Die A400M ist für EADS deswegen finanziell ein so gravierendes Problem, weil sie fast allein das wirtschaftliche Risiko von Verzögerungen trägt. Denn sowohl die Kunden als auch wichtige Lieferanten haben sich vertraglich gegen zusätzliche Kosten abgesichert.

Dies erweist sich für den Konzern nun auch deswegen als so nachteilig, weil er für einen großen Teil der Probleme nicht verantwortlich ist. So hat es das Triebwerkskonsortium Europrop International (EPI), zu dem auch die Münchner MTU Aero Engines gehört, bislang nicht geschafft, die TP400-Motoren für den Erstflug freizugeben.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Probleme beim Airbus A400M auch politische Ursachen haben.

Der Koloss klebt am Boden

"Wir hätten das verdammte Ding schon im September fliegen können, wenn wir nur flugbereite Triebwerke gehabt hätten", schimpfte Airbus-Chef Thomas Enders jüngst bei einem Presseempfang.

Der Luftfahrtanalyst Nick Cunningham sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, die zusätzlichen Kosten könnten nun bis zu sechs Milliarden Euro betragen.

In der Vergangenheit haben sich die Mitglieder des Triebwerkskonsortiums und EADS gegenseitig die Schuld zugeschoben. EADS beschuldigte EPI, Probleme mit der Motorsoftware nicht in den Griff zu bekommen. In EPI-Kreisen hieß es, die technischen Spezifikationen seien dafür zu spät eingetroffen.

Die Konstruktion der A400M-Triebwerke gilt in Branchenkreisen zudem als sehr ambitioniert. Denn jeder der vier Propeller des Militärfliegers soll mit einer Motorleistung von 11.000 PS angetrieben werden. "So etwas hat es noch nicht gegeben. Das sind enorme Kräfte, die da auf den Propeller wirken", sagt dazu Luftfahrtexperte Pletschacher. Man könne Airbus nur wünschen, dass es bei den Probeflügen keine bösen Überraschungen geben werde.

Übergewicht

Neben Problemen bei der Konstruktion der Triebwerke sei Airbus mit Komplikationen bei der Entwicklung der Bordsysteme konfrontiert. "Die Navigationsanlage und die Tiefflugsysteme sind derzeit noch weit von der Serienreife entfernt", mahnt Pletschacher.

Wie die Financial Times Deutschland am Montag meldete, heißt es darüber hinaus in Branchenkreisen, dass der Militärflieger nach den derzeitigen Planungen statt der zugesagten Nutzlast von 32 Tonnen lediglich 29 bis 30 Tonnen transportieren könne. Überdies habe das Flugzeug im Augenblick etwa zwölf Tonnen zu viel Gewicht.

Diese Angaben seien allerdings wenig überraschend, so Pletschacher: "Es ist völlig normal, dass ein Flugzeug in der Entwicklungsphase viel zu schwer ist." Zwischen Erstflug und Auslieferung würde in aller Regel erst das Gewicht optimiert. "Das ist branchenüblich. Am Rechner kann da noch einmal geschaut werden, wo in den Strukturen zu viel Fett ist und Gewicht rausgenommen werden", sagte der Experte.

Tatsächlich gilt als Kern des Problems aber, dass der Hersteller mit der A400M an seine technologischen Limits gehen muss, die Entwicklungsarbeiten aber auch nach politischen Gesichtspunkten vergeben wurden.

Als Erstes hat EADS kürzlich intern organisatorische Konsequenzen gezogen. Die Konzernsparte Military Transport Aircraft, in der die A400M angesiedelt ist, wird bei der wichtigsten EADS-Tochter Airbus integriert.

Verlockendes Angebot aus der Ukraine

Dass es überhaupt zur Entwicklung des A400M gekommen ist, hat ebenfalls politische Gründe. Denn Ende der neunziger Jahre galt der ukrainische Hersteller Antonow als ernstzunehmender Auftragnehmer für die Entwicklung eines neuen Militärtransporters für die Bundeswehr. Dessen Modell Antonow An-70 sollte Langstreckentransportkapazitäten bereitstellen, die durch das bisherige Transportflugzeug Transall nicht mehr bewältigt werden konnten. Bereits 1997 soll die An-70 dabei die Ansprüche westlicher Luftwaffen weitgehend erfüllt haben.

Auf Druck des Nato-Partners USA und auf Wunsch der europäischen EADS-Partner Großbritannien, Frankreich und Spanien wurde schließlich aber Airbus mit der Konstruktion der Airbus A400M beauftragt.

Hätte Deutschland auf seinem ursprünglich präferierten Partner Antonow bestanden, wäre es möglicherweise zu einer Zweiteilung innerhalb der Nato bei der Beschaffung von Militärtransportern gekommen. Logistisch hätte das keinen Sinn ergeben, wohl aber möglicherweise bei den Kosten. Denn hätten die Ukraine und Russland zusätzlich Flugzeuge abgenommen, wären die Preise pro Maschine auf Grund der hohen Stückzahlen gesunken. Allerdings haben weder Russland noch die Ukraine bislang die Antonow An-70 bestellt. Deren Entwicklung liegt derzeit auf Eis.

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