Milchpreis:Die Wende im Milchstreit ist da

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Ein Teil der Milchbbauern in Oberbayern treiben im Sommer das Vieh auf die Almen, Geld verdienen sie damit derzeit nicht. (Foto: Julia Hecht)
  • Agrarminister Christian Schmidt hat sich erstmals offen gegenüber einer Regulierung der Milchmenge gezeigt; bislang hatte er jegliche staatliche Eingriffe abgelehnt.
  • Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält davon nichts und fordert stattdessen Hilfen in Höhe von einer Milliarde Euro vom Bund - im Gespräch waren bislang 100 Millionen.

Von Silvia Liebrich und Kristiana Ludwig

In den Streit zwischen Bund und Ländern um Auswege aus der Milchkrise kommt Bewegung. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU), bislang ein erklärter Gegner staatlicher Eingriffe in den Milchmarkt, hat nun eingelenkt und sich der Forderung der Länder nach einer Mengenregulierung angeschlossen. Bei einer außerplanmäßigen Agrarministerkonferenz am 15. Juli wollen Schmidt und die Landwirtschaftsminister der Bundesländer nun mit dem zuständigen EU-Kommissar Phil Hogan in Brüssel über konkrete Lösungen beraten.

Damit zeichnet sich ein Kurswechsel in der bisherigen Milchpolitik der Bundesregierung ab, der auch auf EU-Ebene Wirkung zeigen könnte. Schmidt und seine Amtskollegen aus Polen und Frankreich haben Ende vergangener Woche in Warschau eine Erklärung unterzeichnet, in der sie ein weiteres Hilfspaket für die Milchbauern fordern. Allerdings unter der Bedingung, dass Geld nur an diejenigen geht, die weniger Milch liefern. Deutschland, Frankreich und Polen zählen zu den größten Produzenten in der EU, ihre Stimme hat Gewicht. Gegen Eingriffe sträuben sich etwa Großbritannien und Irland. Schmidt stellt aber auch klar: "Wir wollen nicht die Rückkehr zu einer staatlichen Quotenregelung."

Das Problem lässt sich nicht mit finanziellen Hilfen allein lösen

Durch den drastischen Verfall der Milchpreise sehen immer mehr Produzenten ihre Existenz gefährdet. In Deutschland bekommen die Bauern teilweise weniger als 20 Cent je Liter. Damit sie kostendeckend arbeiten können, brauchen sie 30 Cent oder mehr. Damit wächst der Druck auf die Politik, strukturelle Reformen auf den Weg zu bringen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich das Problem der Überproduktion nicht allein mit finanziellen Nothilfen lösen lässt.

Die Milchkrise hat zuletzt einen handfesten Streit zwischen Bund und Ländern ausgelöst. "Es herrscht dicke Luft zwischen Schmidt und uns." So beschreibt Till Backhaus (SPD), Landwirtschaftsminister aus Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender der Länder-Agrarminister, die Stimmung der vergangenen Wochen. Robert Habeck, der grüne Agrarminister Schleswig-Holsteins, spart ebenfalls nicht mit Kritik. "Ich werde täglich mit der Not der Bauer konfrontiert und bin ziemlich auf der Zinne."

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Bislang habe Schmidt keine wirkungsvollen Vorschläge gemacht. Das bemängelt auch der neue Wirtschafts- und Agrarminister in Rheinland-Pfalz, der FDP-Politiker Volker Wissing. Solange kein klares Konzept vorliege, sei es unverantwortlich, öffentliche Mittel in die Hand zu nehmen, sagt dieser.

Verärgert habe Schmidt die Ländervertreter auch damit, dass er seine Kollegen zum Krisengipfel in der vergangenen Woche in Bayern erst ausgeladen und dann nach Protesten wieder eingeladen habe, sagt Backhaus. Dass Schmidt sich nun doch zu einer Kurskorrektur durchringen konnte, führt der SPD-Mann auf zwei Dinge zurück: zum einen auf den Widerstand der Bundesländer, die sich zuletzt geschlossen gegen Schmidt stellten - und zum anderen auf das Machtwort von CSU-Chef Horst Seehofer. Der hatte beim Agrargipfel vergangene Woche in München klar Position gegen seinen Bundesminister bezogen und eine Mengenreduktion gefordert.

Bei den Bauernverbänden stößt Schmidts Einlenken auf geteiltes Echo. Lob kommt vom Milchbauernverband BDM. Der mächtige Deutsche Bauernverband DBV hält dagegen wenig von der Idee, Hilfen für Bauern an die Milchmenge zu koppeln. Sobald ein Landwirt weniger produziere, bringe er sein Unternehmen in Gefahr, argumentiert ein DBV-Sprecher. Der Staat sei "ein langsames Schiff", bis die Hilfsmittel bei den Bauern ankämen, seien die längst bankrott. Die Bundesregierung solle den Betrieben lieber bei Exporten helfen, als ihnen Schranken zu setzen.

Der DBV fordert statt der angekündigten Hilfen vom Bund in Höhe von 100 Millionen Euro deutlich mehr. Notwendig sei mindestens eine Milliarde Euro, heißt es dort. Der Bauernverband hatte Molkerei-Vorständen zuletzt vorgeschlagen, den Bauern gestaffelte Preise zu zahlen: für überschüssige Milch weniger als für bestellte Ware. Branchenexperten halten es allerdings für unrealistisch, dass sich die Molkereien darauf einlassen werden.

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Auch Bundesminister Schmidt hat lange auf Hilfspakete und Freiwilligkeit gesetzt. "Es ist und bleibt die Aufgabe der Marktbeteiligten, selbst ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu finden", ließ er noch im Mai verlauten. Erst in der gemeinsamen Erklärung mit seinen französischen und polnischen Amtskollegen in der vergangenen Woche ändert sich Schmidts Tonfall: Wenn es freiwillig nicht klappe, würden "andere Maßnahmen" erwogen, um den europäischen Milchmarkt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Was er genau damit meint, lässt sein Sprecher offen. "Es gibt nichts, was wir ins Schaufenster stellen." Erst einmal wolle man abwarten, ob die Milchbranche nicht doch noch eine Lösung finde. Der Zeitplan sei flexibel.

Skeptisch bleibt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Ob Minister Schmidt es ernst meint, wird sich erst noch zeigen", sagt deren stellvertretender Vorsitzender Ottmar Ilchmann. Spätestens bis zum nächsten Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel Ende Juni müssten Vorschläge auf dem Tisch liegen, findet der Milchbauer.

Länder knüpfen Unterstützung an Drosselung der Milchmenge

Unklar ist, ob es weitere zusätzliche finanziellen Hilfen geben wird und wie sie finanziert werden können. Eine Milliarde Euro Hilfen für die Landwirte, wie sie der DBV fordert, seien unrealistisch, heißt es im Berliner Agrarministerium. Derzeit stellt der Bund 100 Millionen Euro an Nothilfen bereit. Im Raum steht, dass die Länder noch einmal so viel beisteuern.

Doch die Länder knüpfen ihr Unterstützung ganz klar an eine Reduktion der Milchmenge, sonst gibt es kein Geld. Das betont Schleswig-Holsteins Agrarminister Habeck. "So wie die Hilfsmittel jetzt eingesetzt werden, werden sie wirkungslos verplempert." De facto gehe es derzeit im Schnitt um 350 Euro in Form von Steuererleichterungen pro Betrieb und pro Jahr. "Davon haben die Bauern nichts. Das ist der Betrag, den sie derzeit pro Tag im Schnitt verlieren." Er geht davon aus, dass sich mit 200 Millionen Euro von Bund und Länder praktikable Modelle zur Mengenreduktion finanzieren lassen. Noch wichtiger sei jedoch eine Lösung auf EU-Ebene. Auch darum wird es beim Treffen von Bund und Ländern mit EU-Kommissar Hogan am 15. Juli gehen.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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