Milchbauern-Streik:Der Tod im Milchsee

Die Nerven liegen blank: Mit immer radikaleren Methoden streiken Bauern in ganz Europa für bessere Preise. Jetzt ruft der Bauernverband die Landwirte zur Mäßigung auf.

Christian Sebald

Kein Tag ohne Protest der Milchbauern: Am Dienstag haben 600 Landwirte aus Bayern, Tirol und Italien stundenlang jeden Milchtransport über den Brenner nach Italien blockiert. Zur gleichen Zeit marschierten Tausende Bauern vor den Agrarministerien in Baden-Württemberg, in Niedersachsen und in anderen Bundesländern auf. Mit Parolen wie "Hier sitzen die Bauernmörder" ließen sie ihrer Verbitterung über die Milchkrise freien Lauf.

Auch in Frankreich, den Beneluxstaaten und der Schweiz sind Tausende im Ausstand. "Die Nerven liegen blank", sagt Romuald Schaber, Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. "So lange der Milchpreis auf Tiefststand bleibt, gehen die Proteste weiter."

Ein anderer Protest als im Frühsommer

Um die 80.000 Bauern dürften sich dem neuen Milchstreik inzwischen europaweit angeschlossen haben. Allein in Frankreich sind es an die 40.000. In Deutschland schätzt Schaber ihre Zahl auf etwa 25.000. Der aktuelle Protest ist aber ganz anders als der Milchstreik im Frühsommer 2008. Der war ein zentral und straff organisierter Ausstand. Der neue Milchstreik besteht aus vielen dezentralen Aktionen. Der Grund ist, dass das Bundeskartellamt den Boykottaufruf des BDM von 2008 für rechtswidrig erklärt hat und in seiner Auffassung, zumindest bisher, gerichtlich bestätigt worden ist.

Immer radikalere Aktionen

Und noch etwas ist anders: Die Landwirte sind viel verzweifelter als im Sommer 2008, die Radikalität ihrer Aktionen steigt dramatisch an. So haben die Bauern bereits an die 40 Millionen Liter Milch in Gülleanhängern auf ihre Felder ausgebracht, was nicht nur vielen Verbrauchern, sondern auch bei Kirchenleuten Unbehagen auslöst. Aber nicht nur das.

In Nordbayern goss eine Milchbäuerin dem CSU-Bundestagsabgeordneten Alois Karl eine Kanne voller Milch vor die Füße und beschimpfte ihn. Darauf ohrfeigte der die Frau. Auf einer anderen Kundgebung hängte sich ein Bauer am Frontlader seines Traktors auf - symbolisch zwar, aber äußerst martialisch.

Während der Konferenz der Länder-Agrarminister vergangene Woche in Sachsen-Anhalt ließen Demonstranten Tausende Liter Milch in ein Gewässer nahe dem Tagungslokal laufen. Prompt verendeten darin massenweise Fische. Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung. Und diesen Montag entzündeten Bauern vor dem Gebäude der EU-Kommission ein Feuer und löschten es mit Milch.

Bauernverband gegen die harten Demonstrationen

Dem Deutschen Bauernverband gehen die Proteste inzwischen zu weit. Zwar hatte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner kürzlich noch Verständnis für die Verzweiflung der Bauern geäußert und der EU-Kommission vorgeworfen, ihnen nicht entschieden genug zu helfen. Aber zugleich warnte Sonnleitner die Milchbauern bereits vor einer weiteren Radikalisierung.

"Milch ist ein sehr hochwertiges Lebensmittel", sagte der Bauernpräsident. "Die Gefahr ist groß, dass die Milchbauern die Sympathien der Bevölkerung verspielen, wenn sie sie tonnenweise ausgießen und zerstören." Am Dienstag forderte der Bauernverband nun die Landwirte zur "Rückkehr zu einem gewaltfreien Streit" auf.

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