Süddeutsche Zeitung

Mifid-Richtlinie 2:Alles hat seinen Preis

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Mit der neuen EU-Richtlinie soll beim Thema Geldanlage vieles anders werden. Eine der wichtigsten Neuerungen sieht vor, dass Fonds künftig für die Finanzstudien der Bank-Analysten zahlen müssen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Eigentlich ist es schon fast ein Naturgesetz, dass Banken nur an das Geschäft denken. Eine Ausnahme aber gibt es: Jahrelang verteilten die Banken ihr Finanzresearch - das sind Studien über Aktien, Rohstoffe oder Anleihen - quasi umsonst an die Fondsgesellschaften, die diese Expertise in ihre Kaufentscheidung von Wertpapieren einfließen ließen. Altruistisch war das natürlich nicht. Denn im Austausch für die Studien wickelten die Fonds den gebührenpflichtigen Handel über die Bank des Analysten ab. Es war ein System, von dem irgendwie alle profitierten - außer die Anleger. Und es war ein System, das noch lange weiter bestanden hätte, wäre es nicht von der EU gestoppt worden. Und zwar durch die sogenannte "Mifid"-Richtlinie, durch die beim Thema Geldanlage nun fast alles anders werden soll. In verschärfter Fassung ("Mifid 2") tritt sie Anfang 2018 in Kraft.

Nun aber ist die Bankenbranche in Aufruhr. "Mifid 2" enthält viele Neuerungen. Die Sache mit den Wertpapieranalysen aber zählt zu "den umstrittensten Aspekten des neuen Regelwerks", wie die Finanznachrichtenagentur Bloomberg schreibt. Künftig nämlich müssen die Fondsgesellschaften direkt für die Analysen bezahlen, nicht mehr nur hintenherum. Anleger, die über ihre Sparkasse oder Volksbank zum Beispiel einen Deka- oder Union-Investment-Fonds kaufen, sollen damit klarer erkennen können, wie hoch die laufenden Kosten ihres Fonds eigentlich sind und was auf die Anleger umgelegt wird.

Das bleibt nicht ohne Folgen: Die US-Analysefirma Greenwich Associates schätzt, dass US-amerikanische und europäische Fondsmanager ihre - bisher mit dem Handel verrechneten Budgets - für Studien um mehr als 300 Millionen Dollar kürzen werden. Die Beratungsfirma McKinsey erwartet, dass die Regeländerung Hunderte von Analysten-Arbeitsplätze bei den Banken kosten wird. Und selbst bei der Münchener Baader Bank sieht man "20 bis 30 Prozent der Stellen im Aktienresearch" bedroht.

Auch Privatanleger sollen profitieren: Für sie werden Wertpapierfonds wohl günstiger

So bitter das womöglich für die Betroffenen ist, die Kosten für die Fondsanleger werden dann hoffentlich sinken. Bisher gelten sogenannte aktiv verwaltete Fonds als teuer, zumindest im Vergleich zu den "passiven" Indexfonds, den sogenannten ETF. Für Letztere braucht es in der Regel keine teuren Analysen, weil sie nur einen Index nachbilden. Nach Angaben der kanadischen Analysefirma BCA Research flattern den meisten Fondsgesellschaften im Durchschnitt immer noch 500 Studien pro Tag ins Haus. Davon lesen die Investoren aber wohl nicht mehr als zwei bis fünf Prozent, schätzen Experten.

Bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volksbanken, will man daher künftig genauer hinschauen, welches Research unbedingt gebraucht wird. In der Folge könnten dann die Gesamtkosten für die Fondsanleger sinken, sagt ein Sprecher. Auch bei der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka geht es wohl in diese Richtung. Beide Frankfurter Fondsgesellschaften wollen die Kosten für das Research dann den jeweiligen Fonds zurechnen und werden es dabei einzeln ausweisen.

In der Branche kann man der Entwicklung daher auch Positives abgewinnen. "Es wird der Analystenzunft durchaus gut tun, dass sie ihre Studien oder ihr Wissen künftig verkaufen müssen", sagt Ralf Frank, Geschäftsführer des Analysten-Berufsverbandes DVFA. Die neue Regelung verbessere ganz sicher die Qualität und helfe Interessenkonflikte zu reduzieren.

Tatsächlich gibt es immer wieder Fälle, in denen Analysten die Aktie eines Unternehmens zum Kauf empfohlen haben, nur um die eigene Bank dort für die Beratung bei dem Börsengang einer Tochter oder einer Übernahme ins Spiel zu bringen. Hinzu kommt, dass die Wertpapieranalysten, ähnlich wie ihre Kollegen von den Ratingagenturen, die Märkte häufig zu lange in die falsche Richtung treiben. Etwa zu Zeiten des Neuen Marktes, der vor bald zwanzig Jahren mit Hilfe von Analysten zu immer neuen Höhen getragen wurde, nur um kurz darauf in sich zusammenzufallen. Legendär ist auch das Beispiel des US-Energiekonzerns Enron, der 2001 nach fortgesetzter Bilanzfälschung Pleite ging. Selbst wenige Wochen vor dem Zusammenbruch empfahlen noch alle zuständigen Analysten die Aktie zum Kauf. Als Enron einräumte, dass man die Zahlen der vergangenen fünf Jahre korrigieren müsse, gab immer noch die Mehrheit ein positives Votum ab.

Solche Ausreißer dürften seltener werden, wenn die Fonds für die Analysen zahlen. Das wird schließlich richtig teuer, auch wenn sich die ersten aufgerufenen Preise wohl nicht durchsetzen: So soll eine Bank schon einmal angekündigt haben, dass ein einstündiges Gespräch mit ihren Staranalysten für 5000 Euro zu haben ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Fonds gleichsam Abos abschließen müssen. Als erstes deutsches Haus hat zum Beispiel die Landesbank Baden-Württemberg durchblicken lassen, dass sie zwischen 20 000 und 30 000 Euro für unterschiedlich Pakete aufrufen wird. Dafür erhalten die Kunden Zugang zu verschiedenen Studien und können an Veranstaltungen teilnehmen.

Auch inhaltlich aber wird sich die Finanzanalyse weiter verändern "zum Beispiel hin zu ausgefeilten Daten-Analysen", wie Experte Ralf Frank glaubt. Künftig kommt es dann nur noch am Rande darauf an, in den Bilanzen Ungereimtheiten zu entdecken oder die Märkte richtig zu lesen. Längst gibt es etwa Anbieter, die Fotos von Ikea-Parkplätzen in China auswerten und daraus ihre ganz eigenen Schlüsse über die Konjunktur in Fernost ziehen.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2017
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