Süddeutsche Zeitung

Mietrecht:BGH: Mieterschutz ist wichtiger als Profit des Vermieters

  • Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Mietern gestärkt.
  • Die Kündigung eines Mieters ist demnach nur dann erlaubt, wenn dem Vermieter andernfalls "erhebliche Nachteile" entstehen - und er diese nachweisen kann.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Bundesgerichtshof hat eine überraschend klare Entscheidung zum Vorrang des Mieterschutzes vor den Renditeinteressen des Vermieters gefällt. Die Kündigung einer Wohnung aus rein wirtschaftlichen Gründen ist dem Vermieter nur dann erlaubt, wenn ihm andernfalls "erhebliche Nachteile" für seine Immobilie entstünden. Damit hob er ein Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen auf.

Es ging um den Abriss eines Wohngebäudes im baden-württembergischen Sankt Blasien, weil dort ein Anbau für das benachbarte Modehaus entstehen sollte. Das Landgericht hatte grünes Licht für die Kündigung gegeben, weil der Erweiterungsbau "existenzielle Bedeutung" für das Geschäft habe. In der Verhandlung wurde freilich bekannt dass das Haus bereits abgerissen ist; für den Mieter geht es damit noch um Schadenersatz. Seine Aussichten dürften günstig sein. Der BGH konnte im Urteil des Landgerichts "nicht ansatzweise" erkennen, worin eine solche Bedrohungslage bestehe. Der Fall wurde an das Landgericht zurückverwiesen. (Az: VIII ZR 243/16)

Mit seinem Urteil setzt der BGH seine neuerdings wieder strengere Linie bei Kündigungen aus rein wirtschaftlichen Gründen fort. Während das Gericht bei Kündigungen wegen "Eigenbedarfs" - also zu eigenen Wohnzwecken des Vermieters und seiner Familie - relativ großzügig ist, versucht es, Kündigungen einen Riegel vorzuschieben, bei denen es einzig um den Profit geht.

Im konkreten Fall gestehen die Richter der Immobilienfirma zwar zu, dass der Abriss zur Erweiterung des Modehauses eine "von vernünftigen sowie nachvollziehbaren Erwägungen getragene und mithin angemessene wirtschaftliche Verwertung" des Grundstücks wäre. Nur sind damit eben die rechtlichen Voraussetzungen einer sogenannten Verwertungskündigung noch nicht erfüllt. Die Eigentumsgarantie im Grundgesetz schütze nicht nur den Vermieter, sondern auch das Besitzrecht des Mieters. "Eigentum gewährt dem Vermieter keinen uneingeschränkten Anspruch auf Gewinnoptimierung", sagte die Senatsvorsitzende Karin Milger. Der Vermieter kann also gerade nicht darauf pochen, seine Immobilie zum größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen.

Bereits Ende März hatte der BGH strenge Anforderungen für Eigentümer formuliert, die ihre Mieter loswerden und die Räume gewerblich nutzen wollen. Der Mietrechtssenat wollte damit erklärtermaßen einigen Auswüchsen in den unteren Gerichtsinstanzen entgegenwirken. Die Amts- und Landgerichte hatten nämlich die frühere, in diesem Punkt eher eigentümerfreundliche BGH-Rechtsprechung offenbar zu großzügig interpretiert und fast schon jede Form einer geplanten gewerblichen Nutzung ausreichen lassen, um Mieter aus der Wohnung zu werfen. Mit seiner neuen Linie will der BGH hier offenkundig gegensteuern und den Schutz der Mieterinteressen wieder in eine Balance mit den Belangen der Vermieter bringen.

Ein weiterer Aspekt, nicht unwichtig für das verzweigte Immobilienwesen: Es ging hier um zwei weitgehend identische, aber rechtlich getrennte Gesellschaften. Deshalb kann die Vermieterfirma sich nicht auf Nachteile berufen, die dem von der Schwestergesellschaft betriebenen Modehaus entstehen.

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SZ vom 28.09.2017/vit
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