Mietenstopp:Der letzte Beweis grenzenloser Überforderung

Was die Berliner Landesregierung in Sachen Wohnungspolitik hinlegt, ist eine panische Verzweiflungstat. Helfen würden ganz andere Maßnahmen.

Kommentar von Henrike Roßbach, Berlin

Die schlechtesten Entscheidungen trifft man in Panik. Deshalb taugen die meisten Menschen auch nicht zum Kampfpiloten oder Minenräumer; extrabesonnen zu handeln, wenn es heikel wird, ist nur wenigen gegeben. Auch der Berliner Senat hat kein besonders starkes Nervenkostüm. Denn was die Landesregierung derzeit in Sachen Wohnungspolitik hinlegt, ist eine Verzweiflungstat angesichts eines weitgehend selbst verschuldeten Desasters.

Weil der Unmut der Alt- und Neuberliner über den Wohnungsmarkt im Gleichschritt mit den Mieten und Immobilienpreisen steigt, wollen SPD, Linke und Grüne nun die Mieten einfrieren. Ein Deckel soll für Ruhe im Karton sorgen, und in diese Ruhe hinein soll gebaut und der Bürger und Wähler besänftigt werden. So weit die Theorie. Die ist, wie sehr viele Experten der Berliner Landesregierung unermüdlich zu erklären versuchen, durchaus gewagt. Hinzu kommt die mangelhafte praktische Umsetzung. Der Senat hatte den Mietendeckel nämlich vorher angekündigt. Die Reaktion des Eigentümerverbands Haus und Grund kam prompt: Er empfahl Mieterhöhungen auf den letzten Drücker, und in der Tat bekam so mancher Mieter unerfreuliche Post.

Was folgte, war Empörung. Und natürlich ist es weder besonders feinfühlig noch schlau, in einer explosiven Debatte auch noch das Feuerzeug zu zücken. Trotzdem war die Empörung über Haus und Grund der denkbar billigste Punkt, der zu holen war. Zum einen hat erst der Dilettantismus des Senats die Last-Minute-Mieterhöhungen möglich gemacht. Und zum anderen löst der Mietendeckel nicht ein einziges Problem auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Er ist deshalb weder das soziale Vorzeigeprojekt, zu dem er von den Befürwortern verklärt wird, noch ein Modell für ganz Deutschland.

Die Eckpunkte, die der Senat nun verabschiedet hat, sehen einen fünfjährigen Mietenstopp in der Hauptstadt vor. Jedenfalls für Wohnungen, die nicht gerade erst neu gebaut wurden. Das Problem aber ist: Der Deckel bestraft ausgerechnet die Vermieter, die ihre Wohnungen derzeit noch vergleichsweise günstig anbieten. Wer jetzt schon verlangt, was die Mietpreisbremse maximal hergibt, dem kann das Mietenmoratorium herzlich egal sein. Außerdem dürfen auch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften die Mieten nicht mehr erhöhen. Damit aber fehlt ihnen das Geld, mit dem sie ansonsten neue, bezahlbare Wohnungen hätten bauen können - was den Markt entlasten würde. Und schließlich wird der Mietwohnungsbau generell unattraktiver. Berlin aber ist eine wachsende Stadt, die dringend neue Wohnungen braucht - sehr viele neue Wohnungen.

In der Wohnungspolitik ist das politische Versagen ziemlich umfassend

Berlin ist doppelt so groß wie Hamburg, hat in den vergangenen Jahren aber nur halb so viele Sozialwohnungen gebaut. Das Problem: Es fallen weiterhin mehr Sozialwohnungen aus der Mietbindung, als neue gebaut werden. Zudem sind deutschlandweit eine halbe Million Wohnungen zwar genehmigt, werden aber nicht gebaut, weil Investoren ungestraft auf weiter steigende Preise warten dürfen. Die Verdichtung und Aufstockung kommt viel zu schleppend voran, größere Bauprojekte stoßen immer wieder auf Widerstand und langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse. Darüber hinaus haben die Länder die Grunderwerbsteuer munter erhöht, Käufer müssen weiterhin den Makler bezahlen, den der Verkäufer bestellt hat, und das Baukindergeld hilft vor allem dort, wo das Wohnen gerade nicht teuer ist. Kurz: Das politische Versagen ist ziemlich umfassend. Den leidgeplagten Bürgern nun aber auch noch einen schief gezimmerten Mietendeckel als Placebo anzubieten, ist unerhört - und der letzte Beweis grenzenloser Überforderung.

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