Wer im Norden oder im Osten über das flache Land fährt, kann zumindest erahnen, was da auf Deutschland zukommt. Wälder, Felder, dazwischen kleine malerische Dörfchen. Eine trügerische Idylle, schaut man genauer hin. Verwilderte Gärten und leer stehende Häuser sind kaum zu übersehen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in vielen kleinen und mittelgroßen Städten quer durch das Bundesgebiet: heruntergekommene Siedlungen mit ungenutzten Wohnungen, für die sich keine Mieter mehr finden. Ein Problem vor allem in jenen Gebieten, die fernab von Metropolen liegen und wenig Arbeitsplätze zu bieten haben.
Experten warnen schon lange davor, dass der demografische Wandel ganze Landstriche entvölkern könnte, während Wohnraum in Großstädten knapp bleibt. Wohin das alles führen dürfte, zeigt eine Marktanalyse der Deutschen Bank, die im Widerspruch zu den üblichen Debatten steht. Demnach werde sich der angespannte Wohnungsmarkt in Deutschland mittelfristig entspannen, und zwar trotz der anhaltenden Neubauflaute. Heißt im Klartext: In immer mehr Regionen wird es eher zu viele als zu wenige Wohnungen geben.
Der Grund ist wenig überraschend. Schuld ist der demografische Wandel, die Gesellschaft überaltert, es sterben mehr Menschen als Junge nachkommen. Absehbar ist auch, dass sich die entstehende Lücke durch Zuwanderung vermutlich nicht schließen wird. Erschreckend ist daher, wie wenig die Wohnungsbaupolitik auf diese langfristige Entwicklung ausgerichtet ist. Tatsächlich investiert die Bundesregierung so massiv wie lange nicht in den Bau bezahlbarer und klimafreundlicher Wohnungen. Sie geht davon aus, dass pro Jahr mindestens 400 000 neue Wohnungen gebraucht werden. Bis 2027 soll der soziale Wohnungsbau mit gut 18 Milliarden Euro gefördert werden.
Dabei scheint sich die Politik hauptsächlich an den überhitzten Mietmärkten in gefragten Großstädten zu orientieren. Doch schon in weniger gefragten Städten sieht die Lage ganz anders aus: Während in Städten wie München oder Hamburg der Leerstand laut dem Branchenportal Immo Scout 24 deutlich unter einem Prozent liegt, beträgt er in Städten wie Salzgitter oder Chemnitz zehn Prozent oder mehr.
Der Wohnungsmarkt steht vor einem tiefgreifenden Wandel
Angesichts dieser Unterschiede scheint es wenig sinnvoll, Milliarden-Beträge in Neubauprojekte zu stecken. Oft entstehen diese auf der grünen Wiese, die Flächenversiegelung geht weiter, während ungenutzter Wohnraum dem Verfall preisgegeben ist. Sinnvoller wäre es, vorhandene Wohngebiete intelligenter zu nutzen, alte Bausubstanz kostengünstig zu sanieren, damit am Ende mehr bezahlbare Wohnungen entstehen. Dafür braucht es einerseits eine kluge Stadtplanung. Andererseits bedarf es mutiger Konzepte, wie wenig gefragter Wohnraum in strukturschwachen Regionen sinnvoll genutzt werden kann.
Klar ist: Der Wohnungsmarkt steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der auch Investoren und Vermietern vieles abverlangen wird. Die Furcht vor Leerstand ist dabei ein bislang unterschätztes Investitionshemmnis. Eine energetische und klimaschutztaugliche Sanierung verschlingt Unsummen, die sich über Mieteinnahmen nur über Jahrzehnte hinweg wieder hereinholen lassen. Diese Ausgaben müssen nicht nur von Wohnungsgesellschaften getragen werden, sondern zu einem großen Teil von privaten Hausbesitzern, die oft nur einzelne Wohnungen vermieten. Die Modernisierung wird für sie zum Pleiterisiko – und viele Eigentümer zögern sie deshalb hinaus.
Umso wichtiger ist es für die Politik, die langfristige Marktentwicklung genau zu analysieren, um teure Fehlinvestitionen zu vermeiden. So mancher private Investor hat sich dabei zuletzt verschätzt, wie der Wiesbadener Großvermieter Deutsche Invest Immobilien, der im April Insolvenz anmeldete oder ein offener Immobilienfonds der Fondsgesellschaft Union Investment, der gerade erst schwere Wertverluste ankündigte. Sicher könnte dabei auch Missmanagement eine Rolle spielen. Doch auch für gut aufgestellte Konzerne wie etwa Vonovia wird es schwerer, das Unternehmen zögert, neue Bauprojekte zu beginnen. Man kann dies als Zeichen verstehen, das man besser nicht übersehen sollte.