Microsoftchef Steve Ballmer:Abgang des Hünen

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Microsoft-Chef Steve Ballmer: Rückzug innerhalb der nächsten zwölf Monate. (Foto: Bloomberg)

"Come on, come on!" - seine Auftritte waren legendär: Steve Ballmer verabschiedet sich nach 13 Jahren bei Microsoft - nicht sofort, aber innerhalb der nächsten zwölf Monate. Sein Rückzug hat Auswirkungen auf die Börse. Die Aktie, die unter ihm stark an Wert verloren hat, legt kräftig zu.

Von Varinia Bernau und Kathrin Werner, New York

Seine Auftritte waren legendär, vor allem bei Firmenpräsentationen. "Ladies and Gentlemen, Steeeeeve Baaallmeeeeerrrrrr", ruft der Ansager. Der Microsoft-Chef katapultiert seinen massigen Körper auf die Bühne, hopst und rudert mit den Armen, die Hände zu Fäusten. Er kreischt in einer Tonlage, die man seiner sonst eher sonoren Stimme bisher nicht zutraute. Hemdsärmelig, keine Krawatte, die obersten Knöpfe offen, hüpft er im Kreis auf der Bühne, immer wieder um das Mikro herum, wirft die Arme in die Luft und schreit: "Come on, come on!"

Es dauert 45 Sekunden, bis er es zum Rednerpult schafft. Es wirkt wie eine sehr lange Zeit. Ballmer, der kahle, schmerbäuchige Hüne, muss dann erstmal gehörig japsen. Und er sagt damit mehr über sein Unternehmen als in allen seinen Reden.

Nun ist Steve Ballmer, 57, endgültig die Luft ausgegangen. Er wird seinen Posten als Konzernchef innerhalb der kommenden zwölf Monate aufgeben. Das kündigte der Konzern aus Redmond an der amerikanischen Westküste am Freitag an. Der Verwaltungsrat setzte einen Sonderausschuss für die Suche nach einem Nachfolger ein. Microsoft-Gründer Bill Gates kündigte an, dass er bei der Suche nach einem neuen Konzernlenker helfen werde. Mehrere Manager, die mal als mögliche Nachfolger gehandelt wurden, haben das Unternehmen mittlerweile verlassen - etwa Steven Sinofsky, für das Betriebssystem Windows verantwortlich, oder Robbie Bach, der für die Spielkonsole XBox stand.

"Es gibt nie eine perfekte Zeit für einen solchen Übergang, aber jetzt ist die richtige Zeit", teilte Ballmer mit. Microsoft brauche einen Chef, der für längere Zeit den Wandel zu einem Unternehmen für Geräte und Dienstleistungen begleiten werde. Die Anleger an der Börse sahen das auch so: Die Aktie des Konzerns legte unmittelbar nach Bekanntwerden von Ballmers Abgang im vorbörslichen Handel in New York um acht Prozent zu.

Microsoft hat viele Entwicklungen verpennt

Seit 13 Jahren hat Ballmer die Geschicke des Softwarekonzerns aus Redmond gelenkt - und dies in ähnlicher Weise, wie er seine Keynotes absolvierte: Microsoft mühte sich, schmiss neue Produkte auf den Markt. Doch es fehlte die Vision.

Microsoft war getragen vom Erfolg seines Betriebssystems Windows. Für den Konzern mit seinen 94.000 Mitarbeitern waren Windows und das dazu passende Office-Paket über Jahre hinweg ein sicheres Geschäft. Doch dieses Geschäft geriet ins Wanken, als der Siegeszug der mobilen Geräte und der Abstieg des klassischen PCs begann. Vor allem aber: Der Erfolg von Windows hat Microsoft träge gemacht.

So träge, dass das Unternehmen in den vergangenen Jahren jede neue Entwicklung nur halbherzig nachgemacht oder gleich ganz verpennt hat: Internetsuchmaschinen, tragbare Musikspieler, digitale Bücher, soziale Netzwerke. Gewiss, auch Microsoft vertreibt in Läden, die den Apple-Stores nachempfunden sind, inzwischen einen Tabletcomputer namens Surface, der dem iPad Konkurrenz machen soll. Doch niemand will das Surface haben, nicht einmal mit Rabatt: Im vergangenen Quartal musste der Konzern 900 Millionen Dollar auf die Bestände abschreiben. Erst im Oktober hatte der Konzern das Modell in die Läden gebracht, mehr als zwei Jahre, nachdem Apple sein iPad vorgelegt hatte. Und nun blieb das Surface doch liegen.

Ballmer verbrachte seine gesamte Karriere bei Microsoft

Als Ballmer den Chefposten von Gründer Bill Gates übernahm, war Microsoft an der Börse mehr als 400 Milliarden Dollar wert. In dieser Kennziffer spiegelt sich wider, ob Aktionäre daran glauben, dass ein Unternehmen Visionen hat - und es versteht, daraus in der Zukunft ein gutes Geschäft zu machen. Und der Glaube an die Blüte der New Economy war damals besonders groß. Doch der Aktienkurs blieb unter Ballmer ein Zickzack. So wirr, wie der Chef selbst. Derzeit liegt der Börsenwert unter 290 Milliarden Dollar. Die Zukunft wird von Unternehmen wie Apple, Google und Facebook gestaltet. Microsoft verwaltet die Vergangenheit.

Ballmer hat seine gesamte Karriere bei Microsoft verbracht. 1980 hat er sein Studium an der renommierten Stanford-Universität abgebrochen, als Gründer Gates ihn zum ersten kaufmännischen Manager bei dem Unternehmen machte. Er war der 30. Angestellte bei dem damals noch jungen Start-up. Es gibt ein spektakuläres Video, wo er mit Bill Gates zu Haddaways "What Is Love (Baby Don't Hurt Me)" tanzt. Die beiden wackeln synchron mit den Köpfen, mit Goldkettchen und übergroßen Anzügen.

Microsoft hat Ballmer reich gemacht, das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 15,2 Milliarden Dollar. Doch zuletzt stellte sich die Frage, ob jemand, der mehr als 13 Jahre lang Konzernchef bei einem Unternehmen ist, für das er schon 33 Jahre arbeitet, der Richtige ist, um Microsoft durch das schnelllebige Internetzeitalter zu führen. Ballmer hat diese Frage nun selbst beantwortet. Mit nein.

© SZ vom 24.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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