Microsoft vs. EU:Die Mutter aller Schlachten

Missbraucht Microsoft sein Windows-Monopol, um Konkurrenten klein zu halten? Am Montag verkündet der Europäische Gerichtshof sein Urteil. Dabei geht es um mehr als um 500 Millionen Euro.

Alexander Hagelüken

Es ist ein weitreichendes Gerichtsurteil, ein Fall der Superlative, die Mutter aller Schlachten in der Wettbewerbspolitik des Kontinents. Wenn das Europäische Gericht an diesem Montag sein Urteil in Sachen EU-Kommission gegen Microsoft spricht, geht es um sehr grundsätzliche Fragen:

Drängt der weltberühmte US-Konzern Wettbewerber aus einem Softwaremarkt nach dem anderen, um die Produktvielfalt zu eliminieren und die Preise hoch zu halten?

Und: Vermag die Politik so etwas in hochkomplexen Wirtschaftsbranchen überhaupt noch zu verhindern? Seit langem dominiert Microsoft mit seinem Betriebssystem Windows die Computer des Erdballs. Weltweit laufen 95 Prozent aller PCs mit Windows, so EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes.

Ihr Vorgänger Mario Monti klagte Microsoft 2004 nach sechsjährigen Ermittlungen an, dieses Monopol missbraucht zu haben. Der Vorwurf lautete, dass durch die kostenlose Koppelung des eigenen Media-Players an Windows Konkurrenzprodukte zum Abspielen von Musik oder Videos am PC vom Markt verschwunden sind.

Rekordstrafe von 500 Millionen Euro

Microsoft verweigere den Konkurrenten Informationen, ohne die diese ihre Software etwa für große Betriebsrechner (Server) nicht mit Windows kompatibel gestalten können.

Monti verhängte eine Rekordstrafe von fast 500 Millionen Euro. Er forderte Microsoft auf, Windows-Versionen ohne den Media-Player anzubieten und den Konkurrenten mehr Informationen für die Kompatibilität zur Verfügung zu stellen. Der amerikanische Konzern aus Redmond nahe Seattle zog vor Gericht. Am Montag wird klar werden, wer Recht bekommt.

Fachleute sehen in dem Urteil einen Präzedenzfall. Für die EU-Kommission mit ihrem überschaubaren Personal war es riskant, gegen Microsoft mit seiner Armada hochbezahlter Techniker und Anwälte vorzugehen.

In der Informationstechnologie, die sich viel rasanter wandelt als andere Branchen, ist jeder politische Eingriff schwierig - Wettbewerbsbehörden drohen Marktkonstellationen zu regulieren, die bei ihrer Entscheidung schon längst nicht mehr gültig sind.

Dazu käme der politische Gesichtsverlust der Kommission, die erst kürzlich von den EU-Richtern verurteilt wurde, wegen eines schlampigen Fusionsverbots Entschädigung in Millionenhöhe zu zahlen.

"Wenn die Kommission diesmal gegen Microsoft verliert, wird sie solche Mammutverfahren künftig scheuen'', berichtet ein Insider. Dabei hält Kommissarin Kroes das Vorgehen gegen Microsoft für absolut notwendig.

Der US-Konzern drohe sonst, mit seinem Windows-Monopol einen Softwaremarkt nach dem anderen aufzurollen - und sich bei anderen Produkten weitere Monopole zu sichern.

Ein schwarzer Tag für die ganze Welt. "Wenn Microsoft sein Windows-Monopol missbrauchen kann, leiden die Verbraucher und die Innovation''. So habe Microsoft seinen Marktanteil bei der Software für Workgroup-Server seit 1998 bereits verdoppelt - von 40 auf 80 Prozent.

Unstrittig ist, dass die Kommission durch ihr Vorgehen weniger erreicht hat als erhofft. Konkurrenzprodukte zum Media-Player sind weitgehend vom Markt verschwunden.

Die von Brüssel erzwungene Windows-Version ohne Media-Player wird kaum gekauft. Und Microsoft hat den Konkurrenten bisher weit weniger Informationen zur Kompatibilität geliefert als die Wettbewerbskommissarin wollte.

Selbst eine weitere Strafe von 280 Millionen Euro hat den US-Konzern bisher nicht bewogen, sich den Brüsseler Auflagen zu beugen. Nach Angaben von Microsoft gibt es dafür gute Gründe.

Microsoft tut die Vorwürfe ab

Das Unternehmen bestreitet den Vorwurf, es wolle die Computer-Welt monopolisieren und Kunden und Konkurrenten schaden. Experten erwarten, dass die Richter in Luxemburg am Montag womöglich kein in allen Punkten eindeutiges Urteil sprechen.

Das Europäische Gericht erster Instanz könnte in einigen Fällen der Kommission Recht geben, in anderen Microsoft - und damit weitere Klagen heraufbeschwören.

Als am wichtigsten gilt die Frage, wie die Richter im Fall der Informationen urteilen, die Microsoft Konkurrenten übermittelt, damit deren Programme mit Windows harmonieren.

"Da geht es um die Zukunftsmärkte, um das Geschäftsmodell: Kann Microsoft das Windows-Monopol als Hebel nutzen, um sich den Löwenanteil bei anderen Software-Produkten zu sichern?"

Was den Fall Media- Player angeht, wird hier nur noch eine Schlacht der Vergangenheit geschlagen, da es bei diesem Produkt gar keine ernsthafte Konkurrenz für Microsoft mehr gibt.

Und die 500-Millionen-Euro-Strafe? Es geht um viel Geld. Andererseits ist das für den Konzern nur ein Posten unter vielen. Bill Gates' Firma ist Kummer gewöhnt. Rechtsstreitigkeiten mit Konkurrenten und Behörden sollen Microsoft bisher schon mehr als fünf Milliarden Dollar gekostet haben.

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