Microsoft:Trüffel und Verantwortung

Der Konzern lädt zu einem parlamentarischen Abend, nur leider kommt kein einziger Parlamentarier.

Von Ulrike Schuster

Auf der Backsteinwand leuchtet "Inspiration" in Versalien, daneben leuchtet "digitale Transformation", die Kellner reichen Wildlachs mit Kräuter-Landgurke und Sommertrüffel, wer durstig ist, bekommt einen Pimm's, die Musik entspannt. Nebenan, im Konferenzsaal drehen sich die Diskokugeln. Microsoft Deutschland will die richtigen Leute zusammenbringen, um voran zu kommen.

Die großen Digitalunternehmen sitzen in den USA und in China, "Deutschland muss sich anstrengen", hat die Kanzlerin in ihrem jüngsten Podcast gesagt.

Vielleicht auch deshalb die Einladung von Microsoft Deutschland am vergangenen Donnerstag für das politische Berlin und die Parlamentarier zum "Parlamentarischen Abend" über Künstliche Intelligenz. Bloß, die Parlamentarier kamen nicht. Von 50 angemeldeten, hat es auch kein junger Digital Native geschafft.

Selbst die Kanzlerin schaffte es in der vergangenen Woche zwischen Regierungskrise und Brüssler EU-Gipfel zur Messe Morals&Machines in Berlin, ließ sich von Sprech-Roboter "Sophia" über das Ausscheiden der Nationalelf bei der Fußball-WM trösten (Merkel: "Aber heute Abend sind wir alle sehr traurig."), und verriet, dass sie ihren Roboter zum Orangen auspressen einsetzen würde. Das zeigt, das Thema ist nicht nur das Top-Thema der Zukunft, es ist auch das Thema der Chefin.

Es geht um viel: Laut PWC-Studie hat KI das Potenzial das Bruttoinlandsprodukt um zwölf Prozent, also um 430 Milliarden Euro nach oben zu schrauben. Die Bundesregierung will das Fördervolumen von derzeit rund 230 Millionen auf bis 1,8 Milliarden Euro aufstocken und im Herbst die nationale KI-Strategie vorlegen. Microsofts vier Punkte-Plan legte Sabine Bendiek, Geschäftsführerin des Konzerns in Deutschland, jetzt vor: Forschungstransfer, Gründerförderung, Qualifizierung und die gesellschaftliche Debatte, alles unter der Prämisse: "Die Maschinen haben weiter den Menschen zu dienen." Hat Angela Merkel im Podcast auch gesagt.

Beiden liegt das gleiche am Herzen: die Ethik, die Gesetze die Inklusivität. Bendiek sagt: "Die Verantwortung ist enorm, aber die Gefahren sind es auch." Füttere man die Maschinen mit der falschen Intelligenz, könnten sie Vorurteile lernen, also nach Rassismen und Stereotypen entscheiden. Bleibt das Thema ein Elite-Thema, blieben viele zurück. Abgehängte Menschen sind keine Freunde der Demokratie. Zuletzt warnt sie vor der KI als Blackbox-Thema, das den Menschen Angst macht, weil niemand nachvollziehen könne, aus welchem Input der Output entstehe, sie nennt es "schwarze Magie".

Richtig ernst scheinen die 250 Interessensvertreter von Verbänden, Stiftungen und NGOs die Aufforderung nicht zu nehmen, sie wollen den Parlamentarischen Abend lieber Parlamentarischen Abend sein lassen - da gewesen sein, aber nicht darüber reden oder damit in Verbindung gebracht werden. Jeder stimmt Bendiek in Punkto Transparenz, Verantwortung und Kontrolle von Algorithmen zu, aber sich öffentlich äußern? Will keiner.

Tanja Böhm, Leiterin der Hauptstadtvertretung von Microsoft, glaubt, dass zwischen der Zentrale in Deutschland und Microsoft USA nicht mehr differenziert werde, "wir werden nicht mit offenen Armen empfangen", vielleicht weil man mit Facebook, Google und Amazon in einen Topf gesteckt werde, als Datensammler. Was das Fernbleiben der Politiker betrifft, Sabine Bendiek nahm sich die Bühne für sich. 40-Minuten Vortrag, keine Nachfragen.

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