Süddeutsche Zeitung

Software-Konzern:"Me Too" bei Microsoft

Das Unternehmen muss künftig mehr tun gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Von Helmut Martin-Jung, München

Es begann mit einer E-Mail. Eine Mitarbeiterin von Microsoft fragte darin im Frühjahr 2019 Kolleginnen, wie es bei ihnen denn so sei mit gläserner Decke und sexueller Belästigung. Sie "riss damit den Schorf von einer schwärenden Wunde", so drückte es eine andere Mitarbeiterin später aus. Die Personalabteilung des größten Software-Konzerns der Welt, die das Problem zuvor offenbar nicht ernst genug genommen hatte, musste nun doch reagieren.

Besonders viel kam dabei allerdings nicht heraus, zu wenig jedenfalls nach Meinung des Aufsichtsrates. In einer der seltenen Fälle, in denen das Aufsichtsgremium den Vorstand überstimmt, votierten dessen Mitlieder nun, eineinhalb Jahre später, dafür, dass Microsoft nicht nur jährlich Bericht erstatten soll, wie viele Fälle es gab und wie damit verfahren wurde. Auch die Führungsebene wird dabei nicht verschont.

Im Fall von Microsoft trifft das bis dato eine Firmenlegende: Bill Gates, den Mitgründer und langjährigen Chef des größten Software-Konzerns der Welt. Vor einiger Zeit waren Berichte darüber aufgetaucht, dass der Aufsichtsrat Gerüchten über eine Liebesbeziehung zu einer Mitarbeiterin nachgehe. Gates gehörte bis zum vergangenen Jahr noch dem Aufsichtsrat an.

Beziehungen unter Mitarbeitern, besonders von Chefs zu Untergebenen, gelten in den USA als anstößig. Mark Hurd, der Chef des Computerkonzerns HP etwa, musste 2010 von seinem Posten zurücktreten, nachdem seine Beziehung mit einer Untergebenen bekannt geworden war.

Bill Gates spielte bei Microsoft schon länger keine größere Rolle mehr, er konzentrierte sich vor allem auf seine Stiftung. Die Geschäfte führt seit 2014 Satya Nadella. Dieser sagte im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung, man schätze den Schritt des Aufsichtsrates und dessen Feedback sehr. Man sei immer bemüht, zuzuhören zu lernen und zu handeln.

Damit steht der in Indien geboren Philanthrop und Manager Nadella nun in der Pflicht, eine Firmenkultur zu schaffen, in der Frauen weder benachteiligt noch sexuell belästigt werden. Er hat Microsoft zu unerwartet großen Höhenflügen geführt - der Aktienkurs stieg um fabelhaft anmutende 800 Prozent, seit er ans Ruder kam.

Ganz unbelastet ist Nadella in Sachen Geschlechtergerechtigkeit allerdings nicht. Kurz nach seinem Amtsantritt wandten sich weibliche Microsoft-Angestellte an ihn und baten ihn, er möge doch dafür sorgen, dass mehr Chancengleichheit herrsche. Er aber bürstete sie mit dem Satz ab, sie müssten eben die entsprechende Leistung bringen. Aus dem Sturm der Entrüstung, der sich danach erhob, sollte er jedoch gelernt haben.

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