Microsoft-Geschäftszahlen:Auf der Suche nach Stil und Strategie

2012 Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, Nevada

Bemüht, und doch glanzlos: Microsoft Chef Steve Ballmer

(Foto: dpa)

Microsoft müht sich, kämpft, wirft immer wieder neue Produkte auf den Markt. Schlecht geht es dem Konzern damit nicht, zeigt Chef Steve Ballmer mit jüngsten Geschäftszahlen. Doch Anleger sind frustriert. Die kommenden Monate werden über Ballmers Zukunft entscheiden.

Von Moritz Koch, New York

Die "Keynote-Speech" ist für Computerjünger Kult. Steve Jobs hat sie perfektioniert. Wenn der Apple-Gründer nach einer langen Predigt über die Segnungen seiner Erfindungen die Hand ans Kinn legte und dann beiläufig "one more thing" säuselte, hielten die Zuhörer die Luft an. "One more thing" war meistens eine Sensation, der erste iPod, das iPhone oder das iPad - Produkte, die das Konsumleben nachhaltig veränderten.

Wenn Microsoft-Chef Steve Ballmer am Podium stand, stockte dem Publikum ebenfalls der Atem. Nur allzu oft nicht vor Begeisterung, sondern aus Fassungslosigkeit. Ein Auftritt von 2006 hat Hit-Status erreicht. Der bullige Ballmer stürmte auf die Bühne, fuchtelte wild mit den Armen, sprang wüst umher.

Als er endlich den Weg zum Mikrofon fand, schnappte er minutenlang nach Luft - und sagte damit mehr über sein Unternehmen allen seinen Reden. Dem Microsoft-Chef dienten seine Keynote-Speeches, deren vorerst letzte er 2012 in Las Vegas hielt, eher der eigenen Persönlichkeitsbestimmung, als der Präsentation neuer Produkte.

Ballmer sucht seinen Stil und eine Strategie. Beides hat er bisher nicht gefunden, obwohl er seit 13 Jahren die Geschicke des Unternehmens lenkt. Microsoft müht sich, Microsoft kämpft, Microsoft schmeißt neue Produkte auf dem Markt. Doch der große Wurf will einfach nicht gelingen.

Es feht: der Glanz, das Berauschende, das Triumphale

Der Konzern ist nicht mehr cool, schon gar nicht mehr ein Innovationsführer. Die Zukunft wird von Unternehmen wie Apple, Google und Facebook gestaltet. Microsoft verwaltet die Vergangenheit. Das macht es zugegebener Maßen ziemlich gut, wie die jüngsten Geschäftszahlen belegen. Im schwierigen Umfeld schlägt sich der Konzern wacker.

Obwohl die Verkaufszahlen von PCs auf das niedrigste Niveau seit 20 Jahren gefallen sind, konnte Microsoft Gewinn und Umsatz im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum kräftig steigern. Der Konzern profitiert davon, dass er in so vielen Bereichen der Technologiebranche mitmischt. Gefragt waren Office-Büroprogramme und Server-Software.

In der Spielesparte mit der Konsole Xbox stiegen die Einnahmen deutlich, und bei den Online-Diensten um die Suchmaschine Bing, die Google einst das Fürchten lehren sollte, konnte Microsoft zumindest den Verlust eindämmen. Unterm Strich blieb ein Überschuss von 6,1 Milliarden Dollar. Sogar eine saftige Kartellstrafe der EU wurde mühelos verkraftet.

Dennoch fällt im Quartalsbericht am stärksten auf, was fehlt: der Glanz, das Berauschende, das Triumphale. Bestenfalls lässt sich das Microsoft der Ära Ballmer als solide charakterisieren - und das ist zu wenig. Graduelle Verbesserungen und Solidität reichen nicht in einer Branche, die von einer Revolution zur anderen getrieben wird, in der Heldengeschichten geschrieben und erfolgreiche Manager wie Religionsstifter verehrt werden.

Der Konzern eifert nach, statt zu gestalten

Das Magazin Vanity Fair spottet: "Microsoft ist zum High-Tech-Äquivalent der Autokonzerne aus Detroit geworden". Es habe nur aufgepeppte Modelle der ewig alten Produkte zu bieten, während die Konkurrenten die Welt veränderten. Am Beispiel von General Motors und Chrysler hat sich gezeigt, wohin dieser Weg führen kann: ins Desaster.

Die Anleger waren am Freitag trotzdem gnädig gestimmt. Die Geschäftszahlen verhalfen der Aktie zu einem Kurssprung. Niemand rechnet mehr mit einer Sensation. Die Erwartungen haben sich der Realität angepasst. Das sind nicht die Erfolge, die Ballmer braucht. Die kommenden zwölf Monate werden über sein Schicksal entscheiden, da sind sich viele Beobachter an der Wall Street sicher. Es hat sich Frust aufgestaut unter den Investoren. Ballmer hat sich zum Gespött gemacht.

2012 führte er die Forbes-Rangliste der schlechtesten CEOs des Jahres an. Kein Wunder, bei dieser Bilanz. Die Microsoft-Aktie war der Börsenliebling der 90er Jahre. Doch seit Ballmer die Konzernführung von Gründer Bill Gates übernommen hat, stagniert der Kurs. Knapp 30 Dollar kostete sie vor zehn Jahren, 30 Dollar kostet sie heute.

Der Konzern ist in den 90er Jahren verhaftet geblieben

Niemand kann sagen, dass sich Ballmer nicht bemüht. Zuletzt hat Microsoft ein neues Windows-Betriebssystem für Handys herausgebracht, um mit Google und Apple aufzuschließen. Es hat versucht, PCs mit Windows 8 einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen.

Und in Läden, die den Apple-Stores nachempfunden sind, vertreibt es einen Tabletcomputer namens Surface, der dem iPad Konkurrenz machen soll. Die nächste Enthüllung steht bereits bevor. Eine modernisierte Xbox soll eine neue Generation von Computerspielern begeistern. Es besteht kein Zweifel: Ballmer will den Neustart, sucht den Anschluss und positioniert Microsoft auf Märkten, die andere geschaffen haben.

Doch genau das ist das Problem. Microsoft eifert nach, statt zu gestalten. Im Kern ist der Konzern in den 90er Jahren verhaftet geblieben, im PC-Zeitalter. Der Produktoffensive, die Ballmer angestoßen hat, ist notwendig. Doch ihr fehlt ein Fokus. Daher wirkt sie fast verzweifelt. Und so bliebt der Erfolg in wichtigen Bereichen bisher aus. Windows Phone ist nach wie vor ein Nischenprodukt. Windows 8 kommt bei Kundenbefragungen schlecht weg. Und das Surface-Tablet ist auch kein Durchbruch. Ballmer braucht mehr als nur ein gutes Quartal. Er braucht "One more thing".

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