Die "Keynote-Speech" ist für Computerjünger Kult. Steve Jobs hat sie perfektioniert. Wenn der Apple-Gründer nach einer langen Predigt über die Segnungen seiner Erfindungen die Hand ans Kinn legte und dann beiläufig "one more thing" säuselte, hielten die Zuhörer die Luft an. "One more thing" war meistens eine Sensation, der erste iPod, das iPhone oder das iPad - Produkte, die das Konsumleben nachhaltig veränderten.
Wenn Microsoft-Chef Steve Ballmer am Podium stand, stockte dem Publikum ebenfalls der Atem. Nur allzu oft nicht vor Begeisterung, sondern aus Fassungslosigkeit. Ein Auftritt von 2006 hat Hit-Status erreicht. Der bullige Ballmer stürmte auf die Bühne, fuchtelte wild mit den Armen, sprang wüst umher.
Als er endlich den Weg zum Mikrofon fand, schnappte er minutenlang nach Luft - und sagte damit mehr über sein Unternehmen allen seinen Reden. Dem Microsoft-Chef dienten seine Keynote-Speeches, deren vorerst letzte er 2012 in Las Vegas hielt, eher der eigenen Persönlichkeitsbestimmung, als der Präsentation neuer Produkte.
Ballmer sucht seinen Stil und eine Strategie. Beides hat er bisher nicht gefunden, obwohl er seit 13 Jahren die Geschicke des Unternehmens lenkt. Microsoft müht sich, Microsoft kämpft, Microsoft schmeißt neue Produkte auf dem Markt. Doch der große Wurf will einfach nicht gelingen.
Es feht: der Glanz, das Berauschende, das Triumphale
Der Konzern ist nicht mehr cool, schon gar nicht mehr ein Innovationsführer. Die Zukunft wird von Unternehmen wie Apple, Google und Facebook gestaltet. Microsoft verwaltet die Vergangenheit. Das macht es zugegebener Maßen ziemlich gut, wie die jüngsten Geschäftszahlen belegen. Im schwierigen Umfeld schlägt sich der Konzern wacker.
Obwohl die Verkaufszahlen von PCs auf das niedrigste Niveau seit 20 Jahren gefallen sind, konnte Microsoft Gewinn und Umsatz im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum kräftig steigern. Der Konzern profitiert davon, dass er in so vielen Bereichen der Technologiebranche mitmischt. Gefragt waren Office-Büroprogramme und Server-Software.
In der Spielesparte mit der Konsole Xbox stiegen die Einnahmen deutlich, und bei den Online-Diensten um die Suchmaschine Bing, die Google einst das Fürchten lehren sollte, konnte Microsoft zumindest den Verlust eindämmen. Unterm Strich blieb ein Überschuss von 6,1 Milliarden Dollar. Sogar eine saftige Kartellstrafe der EU wurde mühelos verkraftet.
Dennoch fällt im Quartalsbericht am stärksten auf, was fehlt: der Glanz, das Berauschende, das Triumphale. Bestenfalls lässt sich das Microsoft der Ära Ballmer als solide charakterisieren - und das ist zu wenig. Graduelle Verbesserungen und Solidität reichen nicht in einer Branche, die von einer Revolution zur anderen getrieben wird, in der Heldengeschichten geschrieben und erfolgreiche Manager wie Religionsstifter verehrt werden.