Microsoft: Deutschland-Chef Berg:"In höchster Gefahr"

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Microsoft-Deutschland-Chef Berg über den hiesigen Standort, die Bedeutung der Computer-Messe Cebit - und seine Jogging-Erlebnisse mit Konzernchef Ballmer.

Caspar Busse und Thorsten Riedl

Achim Berg, 45, wirkt gelassen. Nach vielen negativen Berichten läuft es besser für den Software-Konzern Microsoft. Das schlechte Image hat mittlerweile ein anderer. "Diesen Kelch haben wir weitergegeben", sagt Berg - und meint den Rivalen Google. Nun konzentriert sich der Deutschland-Chef von Microsoft auf den Ausbau des Geschäfts mit dem Mittelstand.

SZ: Herr Berg, Ihr Haus im Rheinland ist ein Smart Home, ein vernetztes Zuhause. Der Kühlschrank weiß, wann Strom am billigsten ist - bestellt er Ihnen auch schon das Essen?

Berg: Einen Kühlschrank, der sich selbst befüllt, halte ich für Unsinn. Aber ich will Energie sparen. Bald klappt das auch, dann liefert mein Stromanbieter die Minuten-Strompreise, und der Kühlschrank kühlt automatisch runter, wenn Energie günstig ist. In der übrigen Zeit läuft er zwar auch, kühlt aber nicht so stark, die Isolation des Kühlschrankes hält die Temperatur.

SZ: Das vernetzte Zuhause ist auch Thema auf der diesjährigen Cebit. Haben Sie gezählt, zum wievielten Mal?

Berg: Mindestens das zehnte Mal.

SZ: Das vernetzte Zuhause setzt sich nicht durch. Wollen die Verbraucher solche Technik vielleicht gar nicht haben?

Berg: Der Nutzen für den Verbraucher ist hoch. Deshalb bin ich überzeugt, dass Smart Homes sich durchsetzen werden. Bislang war es aber zu teuer und zu kompliziert, das eigene Heim computertauglich zu machen. Jetzt gibt es günstige Angebote. Das vernetzte Zuhause wird bald für jedermann erschwinglich. In Hannover auf der Cebit werden wir entsprechende Produkte zeigen.

SZ: Was soll das denn kosten?

Berg: Bald wird es für weniger als 1000 Euro einfache Lösungen geben.

SZ: Die Cebit ist in der Krise. 2010 werden so wenige Aussteller vor Ort sein wie zuletzt Anfang der 90er Jahre. Brauchen wir diese Messe überhaupt noch?

Berg: Die Cebit ist ein Glücksfall für Deutschland. Es ist nach wie vor die mit Abstand größte IT-Messe der Welt. In der kommenden Woche habe ich so viele Gespräche mit Topkunden wie noch auf keiner Cebit zuvor. Wir sollten uns diesen Schatz einer wichtigen IT-Messe vor der Haustür lange bewahren. Die Cebit ist für Microsoft das wichtigste Ereignis des Jahres.

SZ: Wenn die Cebit so toll ist: Warum leidet dann das Ansehen des IT-Standortes Deutschland?

Berg: Der IT-Standort Deutschland ist in höchster Gefahr, aber das ist sicher nicht die Schuld der Cebit. Welche deutsche Firmen können denn im globalen Wettbewerb mithalten? SAP und die Software AG, das war's. Dabei mangelt es nicht an guten Ideen. Nur sterben viele junge Firmen bald nach ihrer Gründung. Das liegt oft nicht mal an der fehlenden Finanzierung. Vielen wäre schon geholfen, wenn sie auf das Wissen eines Business Angels zurückgreifen könnten, eines erfahrenen Mentors aus der Industrie. In Großbritannien sind Investitionen solcher Know-how-Träger von der Steuer befreit. Dazu kommt: Das Studium der Informatik ist unattraktiv. Das alles ist nicht neu. Wir diskutieren seit Jahren, passiert ist bislang viel zu wenig.

SZ: Vielleicht ist die Cebit ja doch Teil des Problems: Mal schließt die Messeleitung Privatleute aus, mal sollen sie doch kommen. Kann man mit diesem Schlingerkurs für IT begeistern?

Berg: Verbraucherthemen gehören auf die Cebit und ich unterstütze den neuen Kurs der Messe nachdrücklich. Mittlerweile geben die Konsumenten den Ton an, welche Produkte in Unternehmen eingesetzt werden. Früher war das anders. Mit dem Chatten etwa, dem Verschicken von elektronischen Kurznachrichten über das Internet, hat man erst privat begonnen, jetzt wird es auch beruflich gemacht. Die Messeleitung muss überlegen, ob es richtig ist, die Cebit schon am Samstag enden zu lassen. Wenn es dieses Jahr gut läuft, brauchen wir 2011 wieder den Sonntag.

SZ: Wen treffen Sie in Hannover?

Berg: IT-Chefs unserer Großkunden kommen, Konsumenten, die Verantwortlichen der öffentlichen Hand und dazu Partner und Mittelständler.

SZ: Mittelständler sind gerade besonders umworben. Warum?

Berg: Allein schon die Zahl an kleinen und mittelständischen Firmen macht diese Kundschaft für uns interessant. Viele dieser Betriebe haben Nachholbedarf bei standardisierter Software, und viele haben in den vergangenen Jahren kaum in IT investiert.

SZ: Aber gerade kleinere Firmen fehlt doch in der Krise das Geld?

Berg: Stimmt. Mittelständler geben nur Geld aus, wenn sie dadurch unmittelbar Vorteile oder Ersparnisse haben. IT-Investitionen müssen sich heutzutage viel schneller rechnen. Früher haben wir über Zeiträume von zwei bis drei Jahren gesprochen, heute muss sich eine IT-Ausgabe schon innerhalb eines Jahres bezahlt machen.

SZ: Marktführer SAP will in diesem Jahr endlich eine Mittelstandssoftware bringen. Haben Sie Angst?

Berg: Die müssen erst mal kommen. Kein anderer Anbieter in Deutschland verzeichnet so viele Neukunden wie Microsoft. Eine Basis für unseren Erfolg sind 31.500 Partner mit mehr als 200.000 Beschäftigten. Die verkaufen Software von Microsoft an Unternehmen, warten die Programme und passen sie an die Bedürfnisse an. Ein gutes Geschäft: Für jeden Euro Umsatz, den wir machen, macht der Partner acht Euro. Der Aufbau eines solchen Partnersystems nimmt viele Jahre in Anspruch.

SZ: Mit 2500 Mitarbeitern ist Microsoft in Deutschland selbst Mittelständler. Können Sie überhaupt eigenständig führen?

Berg: Die Zentrale in Redmond bei Seattle hat viel Vertrauen in die Regionen. Ich bin verantwortlich für Umsatz und Ergebnis von Microsoft hier in Deutschland - im guten wie im schlechten. Gerade erst hatten wir in den USA ein Treffen, bei dem es auch um die Zahlen ging.

SZ: Und? Sind Ihre Zahlen gut?

Berg: Deutschland ist hinter Japan und den USA der drittgrößte Markt für Microsoft, was Umsatz und Gewinn angeht. Im vergangenen Jahr sind wir in Deutschland stärker gewachsen als der Markt, der allerdings stagnierte.

SZ: Ihr Vorgänger ist gegangen, weil ihm bei Microsoft die Freiheit für eigene Entscheidungen gefehlt hat.

Berg: Ich habe so viele Freiheiten wie bei keinem anderen amerikanischen Konzern, für den ich je gearbeitet habe. Bei Microsoft führe ich die deutsche Niederlassung wie einen Mittelständler. Nur produzieren wir nicht vor Ort.

SZ: War es bei der Deutschen Telekom nicht interessanter? Sie saßen dort im Vorstand und haben an der Strategie mitgearbeitet. Jetzt führen Sie aus, was sich jemand in den Staaten ausgedacht hat.

Berg: Das ist so nicht richtig. Als Deutschland-Chef von Microsoft bin ich an allen wichtigen Strategiesitzungen beteiligt. Bei diesen Konferenzen sitzen drei bis vier Mal im Jahr an die 30 Vertreter der wichtigsten Microsoft-Regionen aus aller Welt zusammen und legen die Richtung fest. Das hat schon mal 21 Stunden am Stück gedauert, dieses Mal waren es zwei Tage mit je elf Stunden.

SZ: Wie oft erkundigt sich Microsoft-Chef Steve Ballmer nach den Dingen?

Berg: Zu Ballmer habe ich ein enges Verhältnis. Er mailt mich von Zeit zu Zeit an, wenn er an meiner Meinung interessiert ist. Die Nachrichten sind nur wenige Zeilen lang. "Was hältst du von unserem neuen Produkt?", fragt er etwa.

SZ: Treffen Sie ihn auch?

Berg: Jedes Mal, wenn er nach Deutschland kommt, joggen wir gemeinsam um sechs Uhr morgens. Er stellt dann kurze Fragen und rennt immer schneller. Ich habe eine halbe Stunde Zeit, neben her zu hecheln und zu antworten. So holt sich Steve seine Informationen.

© SZ vom 25.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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