Süddeutsche Zeitung

Übernahme von Activision Blizzard:Microsoft wettet aufs Metaversum

Fast 70 Milliarden Dollar für Activision Blizzard: Mit der teuersten Übernahme in der Firmengeschichte will Microsoft den Einstieg in die prophezeite virtuelle 3-D-Welt schaffen.

Von Jannis Brühl und Helmut Martin-Jung

Sie lieben und sie hassen es, dieses Spiel. 100 Millionen Menschen haben angeblich schon "Call of Duty" gezockt und dabei 25 Milliarden Stunden verbracht, die Zahl der abgegebenen Schüsse in dem Ballerspiel soll sich in Billiarden bemessen. CoD, wie die Fans es kurz nennen, ist einer der Kassenschlager im Angebot des Spieleherstellers Activision Blizzard. Außerdem hat das US-Unternehmen auch "Candy Crush", ein quietschbuntes Puzzlespiel fürs Handy, das Sportspiel "Overwatch" oder das Online-Rollenspiel "World of Warcraft" entwickelt. Nun ist das Unternehmen auf dem Weg zum ultimativen Deal: Der Softwarekonzern Microsoft, nach Börsenwert das zweitgrößte Unternehmen der Welt nach Apple, will es für 68,7 Milliarden Dollar kaufen.

In der Branche wird die geplante Übernahme als strategische Entscheidung von Microsoft gewertet. Der Konzern hatte sich in den vergangenen Jahren vor allem auf seine Geschäftskunden konzentriert. Besonders seine Cloud-Dienste haben Umsatz und Gewinn kräftig nach oben getrieben. Daneben geriet fast ein wenig in Vergessenheit, dass Microsoft stets auch eine starke Spielesparte hatte, die Spielekonsole X-Box beispielsweise ist direkter Konkurrent von Sonys Playstation.

Jetzt aber geht es nicht mehr nur um Spiele, wie man sie heute überwiegend antrifft: Spiele, die am Computer oder am Fernsehbildschirm gespielt werden. Die - wenn sie denn genehmigt wird - größte Akquisition in der Firmengeschichte Microsofts ist auch eine Wette auf das sogenannte Metaverse. Das ist bislang allerdings wenig mehr als ein Schlagwort, das von Konzernen wie Microsoft und Facebook genauso wie von der Kryptowährungs-Szene verbreitet wird. Nach Ansicht seiner Vordenker soll es eine Art ununterbrochene Live-Spielewelt im Internet sein, die Spieler auch über Virtual-Reality-Brillen "betreten" können, und in der Transaktionen mit unterschiedlichsten Unternehmen möglich sind - was das Ganze für Konzerne attraktiv macht.

Gute Ausgangsposition für Spiele-Studios

Wie dieses Erlebnis konkret aussehen wird, ist noch völlig unklar. Erste Entwürfe zeigen grafisch eher anspruchslose Virtual-Reality-Spiele und virtuelle Büromeetings. Noch ist die Technik der Brillen auch nicht völlig ausgereift, auch wenn sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat. Die Geräte arbeiten zum Beispiel mittlerweile auch drahtlos. Microsoft hat sich über seine Hololens-Brille, die vor allem im Arbeitsumfeld eingesetzt wird, schon ein Standbein in der Welt der Augmented Reality geschaffen. Dabei werden virtuelle Inhalte über die reale Welt gelegt. Von Activision Blizzard erhofft sich Microsoft nun offensichtlich einen Kompetenzzuwachs, um virtuelle Welten zu erschaffen.

Unternehmen wie Activision Blizzard mit ihrem wertvollen geistigen Eigentum an erfolgreichen Spielen und ihren Erfahrungen im Gaming-Sektor sind in jedem Fall in einer guten Ausgangsposition. Gamer sind die erste Zielgruppe für das Metaverse - gleich nach den Investoren, die das Schlagwort derzeit anzieht. Im Metaverse soll auch der Handel mit digitalen Objekten wie virtuellen Waffen eine zentrale Rolle spielen, wie sie in vielen Spielen schon lange genutzt werden.

Ein Deal mit Risiken

Die Übernahme könnte für Microsoft aber auch zum Problem werden. Nicht nur wachen in den USA die Kartellbehörden mittlerweile sehr genau darüber, dass Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung erreichen - gerade läuft dazu ein Verfahren gegen Facebook. Der Spielehersteller Activision Blizzard steckt zudem mitten in einer Diskussion über seine wohl teils vergiftete Unternehmenskultur. Einige Frauen und Angehörige von Minderheiten sollen sich dort unwohl wegen diverser sexistischer Übergriffe gefühlt haben. Unter anderem sollen stillende Frauen öfter belästigt worden sein. Vergangenes Jahr hatten mehr als 100 Mitarbeiter in einer Protestaktion die Büros des Unternehmens kurzzeitig verlassen; 1900 Mitarbeiter haben eine Petition unterschrieben, in der sie die Absetzung von Firmenchef Bobby Kotick fordern.

Erst am Montag hatte das Wall Street Journal berichtet, dass Activision Blizzard wegen Vorwürfen sexueller Belästigung mehr als drei Dutzend Mitarbeiter gefeuert oder aus dem Unternehmen gedrängt habe. 40 weitere seien gemaßregelt worden. Diesen Sturm hat Kotick überstanden, obwohl Mitarbeiter und Aktionäre ihn wegen des laxen Umgangs mit den Problemen seit längerem scharf kritisiert hatten. Nun heißt es, dass er auch nach der Übernahme an Bord bleiben soll. Dass Kotick nun doch hart durchgriff, dürfte auch im Zusammenhang der bevorstehenden Übernahme zu sehen sein: Microsoft dürfte kaum ein Interesse daran haben, ein Unternehmen zu kaufen, in dem nicht "aufgeräumt" wurde.

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