Es sind nicht immer fehlende Aufträge, die einem Unternehmen zum Verhängnis werden können. Bestes Beispiel ist die Meyer Werft in Papenburg in Niedersachsen: Aufträge sind da – und doch muss sich die Werft gerade mit Kräften gegen eine Insolvenz stemmen. Noch Ende Mai war ein Abbau von 440 Stellen verkündet worden, ein Schock für die rund 3300 Mitarbeiter am Standort Papenburg. Die Politik in Niedersachsen war über die Situation von Deutschlands größter Werft im Kreuzfahrtgeschäft zunehmend alarmiert, Ministerpräsident Stephan Weil will sie am Leben erhalten – wenn sie ihren Firmensitz aus Luxemburg zurück nach Deutschland holt. Damit verknüpft ist der Wunsch, einen Aufsichtsrat aufbauen zu können. Eine Forderung, der das Unternehmen jetzt nachkommt.
Am Mittwoch verkündeten Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall neue Rahmenbedingungen der Sanierung: Statt 440 Stellen sollen „nur“ noch 340 abgebaut werden, wovon 100 Verträge auslaufen. Außerdem wurde eine Mindestbeschäftigung von 3100 Mitarbeitern bis 2030 zugesichert. Es sind positive Signale aus dem zuletzt so betrübten Papenburg – wohl wissend, dass es jetzt um finanzielle Zusagen von der Politik geht.
Die Finanzierungslücke bis 2027 liegt bei 2,7 Milliarden Euro – Sanierer Ralf Schmitz sagte, 2,3 Milliarden Euro bezögen sich auf die normale Finanzierung der aktuell zu bauenden Schiffe, 400 Millionen Euro auf Eigenkapital, um vergangene Verluste und Kosten für die Restrukturierung zu bezahlen. „Wir wollen nichts geschenkt haben, wir wollen das auch zurückzahlen“, sagte Schmitz. Steuern seien in Deutschland zudem immer gezahlt worden, der Luxemburger Firmensitz hatte aber eben den fehlenden Aufsichtsrat zur Folge. Seniorchef Bernard Meyer, 76, hatte ihn 2015 ins Ausland verlegt.
Das Unternehmen hat eine jahrhundertelange Tradition
Die Bedeutung für Niedersachsen geht über die Anzahl der Beschäftigten in Papenburg hinaus: Von 10 000 Jobs ist die Rede, die indirekt von der Firma abhängen, bei Dienstleistern etwa. Das Unternehmen hat eine jahrhundertelange Tradition und zwei weitere Standorte in Rostock und in Turku in Finnland. Reedereien leisten beim Schiffbau eine Anzahlung von 20 Prozent, erst bei Auslieferung wird der volle Betrag fällig. Die Werften müssen also viel Geld vorstrecken. Hinzu kommt, dass sich die Arbeiten während der Pandemie streckten und durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Material- und Energiepreise in die Höhe geschossen sind. Kosten, auf denen die Werften sitzen bleiben, ein Anpassen der Preise ist im Schiffbau nicht üblich. Es ist ein Teil der Wahrheit, warum es in Papenburg nun so düster aussieht.
Intern ist die Werft seit Monaten im Umbruch, im Dezember löste Bernd Eikens Bernard Meyer als CEO ab, dann wurde Sanierer Schmitz engagiert. Mitte Juni haben zwei Söhne von Bernard Meyer – Tim und Jan – die Geschäftsführung verlassen, laut Eikens aber ein lange geplanter Schritt. Am Mittwoch wollte sich auch der Bundestag im Haushaltsausschuss mit der Werft beschäftigen, Niedersachsens Hilfe allein wird nicht ausreichen. „Wesentliche Wettbewerber sind seit Langem im Staatsbesitz“, sagte Eikens zur Einordnung noch, etwa Fincantieri in Italien. Aber ins Ausland gucken, das weiß man im deutschen Schiffbau: Das nützt ja nichts.