Die angeschlagene Meyer-Werft soll vorübergehend verstaatlicht werden. Wie es in Kreisen des Wirtschaftsministeriums heißt, soll der Bund einen Anteil von knapp 40,4 Prozent an der Werft in Papenburg in Niedersachsen übernehmen. Einen ebenso großen Anteil soll demnach das Land Niedersachsen erwerben. Der Haushaltsausschuss des Bundestages sei um Zustimmung zu dem Plan gebeten worden. Gibt er grünes Licht, könnte die Rettung zum 15. September anlaufen – jenem Tag, von dem an die Finanzierung der Werft nicht mehr gesichert ist.
Die Werftengruppe, zu der neben der Papenburger Meyer-Werft auch die Neptun-Werft in Rostock und der Standort in Turku in Finnland gehören, war zuletzt in Schwierigkeiten geraten. Durch die Corona-Pandemie waren Aufträge weggebrochen, mit Ukraine-Krieg und Energiekrise stiegen die Materialkosten. Die Auftragsbücher für die Zukunft sind aber gut gefüllt, allein elf Kreuzfahrtschiffe sollen bis 2031 gebaut und ausgeliefert werden. Am Dienstag hatte bereits die niedersächsische Landesregierung den Einstieg beschlossen.
Der Bundes-Einstieg soll wie in Niedersachsen 200 Millionen Euro kosten, die Finanzierung dafür sei gesichert, hieß es in Kreisen des Wirtschaftsministeriums. Die Stimmrechte, die Bund und Land mit dem Einstieg zufallen, werde man gemeinsam ausüben. 19,2 Prozent der Firma bleiben bei der Familie um Bernard Meyer, der die Geschäfte des 229 Jahre alten Unternehmens zuletzt geprägt hatte. Bund und Land bürgen zudem beide zu 80 Prozent für einen Kreditrahmen von insgesamt 2,6 Milliarden Euro. Die restlichen 20 Prozent müssten die Banken auf eigenes Risiko übernehmen. Das soll den Weg frei machen für neue Kredite – im Schiffbau müssen Werften für einen großen Teil der Kosten in Vorleistung gehen. Ohne Fremdkapital geht das nicht. Die Meyer-Werft hatte den Liquiditätsbedarf auf drei Milliarden Euro beziffert.
Für die Finanzlücke gibt es mehrere Gründe
Die Chancen auf eine Sanierung stünden gut, heißt es im Ministerium, auch unter Berufung auf ein Sanierungsgutachten. Es gebe weiterhin eine hohe Nachfrage nach Kreuzfahrtschiffen, die Zahl der Anbieter sei aber begrenzt. Im Falle einer Insolvenz dagegen könne „einer der größten und modernsten Werften-Standorte weltweit mit systemischer Bedeutung für das Schiffbaucluster in Deutschland“ verloren gehen. Für das Emsland ist die Werft von besonderer Bedeutung, da sie Tausende Arbeitsplätze bietet, mit Zulieferbetrieben sollen es mehr als 20 000 sein. Direkt bei der Werft in Papenburg sind 3300 Menschen beschäftigt, mit den Mitarbeitern in Rostock und dem Standort in Turku in Finnland kommt das Unternehmen auf etwa 7000.
Die aktuelle Finanzierungslücke rührt unter anderem aus der Corona-Zeit her: Da stockte das Geschäft, auf Wunsch der Reedereikunden wurden die Schiffe zum Teil später ausgeliefert, womit auch der vereinbarte Kaufpreis erst mit Verzögerung in die Kassen kam. Branchenüblich werden 80 Prozent des Kaufpreises erst mit der Auslieferung fällig. Probleme bereiteten aber auch die Verträge, die keine Anpassung an steigende Rohstoffpreise vorsahen. So verschärfte sich die Lage durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die in der Folge gestiegenen Kosten für Materialien und Energie, die nicht an die Kunden weitergereicht werden konnten. Jenseits von Kreuzfahrtschiffen setzt das Wirtschaftsministerium perspektivisch auch auf den Bau von Konverterplattformen, die den Strom von Windparks in Gleichstrom umwandeln. Bis 2031 rechnet das Ministerium mit einem Bedarf von jährlich zwei solcher Plattformen. Erste Aufträge für den Bau der dafür notwendigen Stahlkonstruktionen realisiert die Werft aktuell schon.
Vor zwei Wochen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Papenburg besucht und versprochen, sich für eine Rettung starkzumachen. Geplant war zuletzt, dass der Staat nur vorübergehend einsteigt und die Familie spätestens ab 2028 ein Vorkaufsrecht auf die nun veräußerten Anteile hat. Der Vorschlag, wie er jetzt an den Haushaltsausschuss geht, ist zwischen Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister abgestimmt. Ein Selbstläufer war das offenbar nicht – obwohl sich Olaf Scholz mit seinem Auftritt vor den Werftarbeitern und seinen Rettungsversprechen schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt hatte.
Vor allem Finanzminister Christian Lindner, der als FDP-Chef schon strukturell wenig Begeisterung für staatliche Beteiligungen an Privatunternehmen aufbringen kann, hatte seine Zustimmung dem Vernehmen nach an Bedingungen geknüpft. Unter anderem soll ein diskutierter Punkt die Höhe der Beteiligung des Landes Niedersachsens gewesen sein – im Vergleich zu der des Bundes. Aus Finanzministeriumskreisen hieß es am Freitag, man habe hart verhandelt und die bisherigen Eigentümer sowie das Land Niedersachsen in die Pflicht genommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages könnte sich schon am Mittwochmorgen mit der Causa Meyer-Werft befassen.