Metro: Arbeitsbedingungen:"Wir können nicht alles überwachen"

Miese Löhne, schlechtere Bezahlung von Frauen: Oxfam kritisiert, wie Metro in Indien mit Mitarbeitern umgeht. Nun kontert Vorstand Frans Muller.

S. Liebrich

Kurz vor der Metro-Hauptversammlung am Mittwoch hat die Hilfsorganisation Oxfam dem Handelskonzern die Verletzung von Arbeitnehmerrechten in Indien vorgeworfen. Betroffen seien sowohl eigene Angestellte als auch Obst- und Gemüselieferanten in Indien, kritisierte die internationale Organisation. Bei Metros sozialer Verantwortung klaffe eine erhebliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, heißt es in der Studie von Oxfam.

Metro, Foto: Reuters

Metro steht wegen der Arbeitsbedingungen in Indien am Pranger.

(Foto: Foto: Reuters)

Metro-Vorstandsmitglied Frans W. H. Muller, der für das Indiengeschäft verantwortlich ist, äußerst sich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung zu den Vorwürfen. Die Metro ist Gründungsmitglied der Business Social Compliance Initiative, einem Zusammenschluss europäischer Handelshäuser und Markenhersteller. Deren Ziel ist es, gute Arbeitsbedingungen in der gesamten Lieferkette zu garantieren.

SZ: Herr Muller, die Bevölkerung in Indien sieht den Markteintritt von Firmen wie Metro durchaus kritisch, das sieht man auch an den Protesten, die es bei der Eröffnung neuer Großmärkte gibt.

Frans Muller: Dieser Eindruck ist verzerrt. Bei der Eröffnung unseres Großmarktes in Kalkutta hat tatsächlich eine kleine Gruppe von Menschen protestiert, daneben stand aber eine große Menge Kunden, die darauf gewartet hat, hineingelassen zu werden. Und solch ein Ansturm ist die Regel bei Neueröffnungen. Wir haben in Kalkutta rund 15 Millionen Euro investiert, mehr als 250 Arbeitsplätze geschaffen und arbeiten eng mit lokalen Lieferanten zusammen.

SZ: Oxfam wirft ihnen vor, dass Metro-Lieferanten ihren Arbeitern nur 85 Cent pro Tag zahlen. Dieser Betrag liegt unterhalb der Armutsgrenze von 94 Cent. Ist das nicht viel zu wenig?

Muller: Wir fordern in Verträgen mit unseren Lieferanten, dass diese ihren Arbeitern den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Den legen nicht wir fest, sondern die indische Regierung. Wir prüfen dies, müssen aber auch offen sagen, dass wir die Einhaltung dieser Vorgabe nicht hundertprozentig überwachen können aufgrund der Vielzahl von Landwirten und Fischern.

SZ: Sie haben also keine vollständige Kontrolle über das, was gezahlt wird. Machen Sie sich damit nicht angreifbar?

Muller: Bei den Lieferanten unserer Eigenmarken haben wir eine systematische Kontrolle. In anderen Fällen arbeiten wir aber noch nicht direkt mit den Landwirten zusammen, sondern über Zwischenhändler. Ein Bauer bearbeitet in der Regel in Indien ein Grundstück, das nur 300 bis 400 Quadratmeter groß ist. Wir haben es also mit Hunderten oder gar Tausenden von Lieferanten zu tun. Unser Ziel ist es, den direkten Bezug deutlich zu erhöhen, womit wir auch eine bessere Kontrolle von Qualität und Standards hätten. In Hyderabad haben wir beispielsweise eine eigene Sammelstelle eingerichtet, wo die Bauern ihr Obst und Gemüse direkt anliefern können. Wir zahlen sie sofort aus und geben ihnen auch mehr, als sie bei lokalen Großhändlern für ihre Ware bekämen.

SZ: Es ist die Rede davon, dass Arbeiterinnen nur halb so viel verdienen wie Männer. Wie lässt sich das mit dem Diskriminierungsverbot in dem von der Metro unterzeichneten Verhaltenskodex vereinbaren?

Muller: Das darf nicht sein. In unseren Verträgen steht, dass Lieferanten Männer wie Frauen gleich behandeln müssen. Ist das nicht der Fall, dann liegt ganz klar ein Vertragsbruch vor. Wenn wir dies feststellen, mahnen wir den Lieferanten ab und versuchen damit, Verbesserungen zu erreichen. Wenn er darauf nicht reagiert, trennen wir uns von ihm.

SZ: Ein anderer Vorwurf lautet, dass Ihre Angestellten in Großmärkten, die der Gewerkschaft angehören, benachteiligt werden. Metro hat dies in der Vergangenheit in Einzelfällen eingeräumt. Was unternimmt der Konzern, um diesen Missstand zu beseitigen?

Muller: Wir begrüßen es, wenn sich unsere Mitarbeiter im Betriebsrat oder in der Gewerkschaft engagieren. Solche Tätigkeiten müssen ungehindert möglich sein. Das ist unser Standard und den haben wir auch unseren indischen Führungskräften klar vermittelt. Von möglichen Stellenstreichungen können aber organisierte wie nichtorganisierte Angestellte betroffen sein, Gewerkschaftsmitglieder werden also auf keinen Fall gezielt entlassen.

SZ: Bei Hilfsorganisationen, aber auch in Indien selbst stoßen die Aktivitäten von Metro und anderen ausländischen Händlern auf Kritik, weil dadurch die Existenz vieler Einzel- und Straßenhändler gefährdet sei.

Muller: Das ist Unsinn, daran haben wir gar kein Interesse. Wir sehen die kleinen Ladeneigentümer und fliegenden Händler nicht als unsere Konkurrenten, sondern als Partner der Metro; sie sind unsere wichtigsten Kunden. Wir machen mehr als 40 Prozent unseres Umsatzes in Indien mit ihnen, wir haben pro Großmarkt rund 7000 kleine Einzelhändler als Kunden.

SZ: Wie profitiert Indien vom Markteintritt der Metro?

Muller: Wir schaffen Arbeitsplätze und investieren. Wir straffen die Lieferkette und erreichen so, dass die Qualität der Lebensmittel steigt, etwa durch schnelleren Transport und das Einrichten von Kühlketten. Das ist für uns wichtig, weil 90 Prozent der Ware, die wir in Indien verkaufen, dort auch erzeugt wird. Bei Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius verdirbt beispielsweise ein großer Teil an frischem Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch bevor es den Konsumenten erreicht. Der Ausschuss liegt nach offiziellen Angaben bei 30 bis 40 Prozent. Wir können diese Quote mindestens um die Hälfte reduzieren. Unsere Qualitätsinitiative wird auch von der indischen Regierung unterstützt.

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