Kommentar:Es braucht neue Ideen

Hannover Messe 2019

2019 konnte man sich auf der Hannover-Messe noch solche Erzeugnisse physisch anschauen. Das Bild zeigt eine sogenannte akustische Kamera mit vielen Mikrofonen.

(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Zurzeit können Messen nur digital stattfinden. Doch als Konzept für die Zukunft der Messebranche nach der Pandemie taugt das nicht.

Von Katharina Kutsche

Seit Dezember steht fest, dass die weltgrößte Industrieschau Hannover-Messe 2021 digital stattfindet. Und am Mittwoch dieser Woche wird ihr Veranstalter, die Deutsche Messe AG, bekannt geben, wie das genau aussehen soll. Nach einem sehr schlechten Branchenjahr mit hohen Verlusten und bundesweit mehr als 70 Prozent ausgefallenen Ausstellungen, ist das ein interessanter Termin: Die bisherigen Erfahrungen mit virtuellen Events sind sehr durchwachsen.

Zwar geht es pandemiebedingt zurzeit nicht anders, auch die Münchner Sportmesse Ispo läuft in dieser Woche nur online. Doch als dauerhaftes Konzept taugt das nicht. Haben Messen also noch eine Zukunft? Weitermachen wie vor der Pandemie kann die Branche jedenfalls nicht.

In seinen fetten Jahren war das Messegeschäft ein Selbstläufer. Die Veranstalter sahen zu, dass die Hallen voll waren und die Events ordentlich Gewinn abwarfen. Die Hoteliers und Pensionswirte langten währenddessen doppelt und dreifach zu und vermieteten noch die allerletzte Kammer für eine unverhältnismäßig hohe Rate. Die Kommunen und Länder, meist Eigentümer der Messegesellschaften, verließen sich auf deren Strahlkraft und gute Renditen. Und genehmigten den Bau von noch mehr Messehotels, weil das Geschäft ja lief.

Im Laufe der Jahre veraltete aber auch manches Messekonzept. Entweder beschränkten sich die Veranstalter zu sehr auf eine Branche - die IT-Schau Cebit fand daher 2018 ihr Ende. Oder sie setzten sich mit der Kritik der Verbraucher nicht auseinander - ein Grund, warum die Automobilmesse IAA neu aufgesetzt wird.

Zudem war es, schon bevor sich das Coronavirus auf der Welt verbreitete, für Unternehmen nicht gerade billig, sich auf einer Messe zu zeigen. Standmieten, Auf- und Abbau, Catering, Reisekosten - da kommt einiges zusammen. Infolge der Pandemie wird das Geld bei Ausstellern nicht mehr so locker sitzen; ob sie es weiter für eine teure Messepräsenz ausgeben, ist fraglich. Zudem überlegen sich Unternehmen auch aus Gründen des Klimaschutzes, welche Geschäftsreisen sie noch genehmigen.

Die Hallenmieten bringen den Veranstaltern das große Geld ein

Vor allem aber hatten viele Hersteller in der Not Zeit, Alternativen zu testen: Wie bringe ich meine Produkte ohne Messe an den Kunden? Wie werbe ich um neue Geschäftspartner? Wie behalte ich die Konkurrenz im Blick? Je erfolgreicher Firmen dabei waren, desto eher können sie sich auf Leitmessen beschränken oder ganz darauf verzichten.

Was Messen ausmacht, ist ihr Plattformcharakter. Sie bringen Unternehmer und Wettbewerber, Branchenbeobachter und Kunden an einem Ort zusammen, um Innovationen zu zeigen. Doch dieser Ort kann nie nur im Netz sein.

Erstens sind es die Hallenmieten, die den Veranstaltern das große Geld bringen. Zweitens leben gerade Verbraucherevents wie die Erlebnismesse Infa in Hannover oder der Düsseldorfer Caravan Salon vom Anfassen und Ausprobieren. Lebensmittelmessen wie die Grüne Woche in Berlin oder die Bio-Fach in Nürnberg lassen sich nicht online erschmecken. Und wo Baumaschinen und Industrieroboter gezeigt werden, bringt man die Menschen nicht am Bildschirm zum Staunen, sondern wenn sie vor den Geräten stehen und den Kopf in den Nacken legen müssen, um sie in ihrer Größe zu erfassen.

Die Messemacher müssen daher neue Ideen entwickeln, um ihre Plattformen zu bewerben. Und sie sollten Mut zur Lücke haben. Es braucht nicht auf jeder größeren Veranstaltung tagelang inspirierende Keynotes und Talkrunden, etwa über das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Es braucht auch nicht das x-te Digitalfestival, auf dem der Stand der Digitalisierung mit den immer gleichen Forderungen ("Das nächste Google muss aus Deutschland kommen") ausgelotet wird.

Die Zukunft der Messen kann nur hybrid sein, mit analoger und virtueller Präsenz. Und die einzelnen Veranstaltungen müssen kürzer und knackiger werden. Das ist sowohl im Interesse des Programms als auch der Ausstellerbudgets. Wenn Präsentationen und Gesprächsrunden per Livestream aus der Messehalle in die Welt gehen, lassen sich auch junge Start-ups einbinden, die sich einen Messestand nicht leisten können, oder Unternehmer, die schlicht nicht anreisen wollen.

Es braucht seitens der Messeeigner aber auch den Mut, eine defizitäre Gesellschaft abzuwickeln, sollte sich die Zukunft der Branche verschlechtern. Ja, von einem Messeunternehmen hängen viele andere Akteure ab, da ist es sinnvoll, es mit Krediten zu stützen. Aber letztlich nehmen die Messegelände in den Städten oft große Flächen ein. Flächen, die man auch mit bezahlbaren Wohnungen, Kindergärten und Schulen neu bebauen könnte.

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