Messe Mobile World:Im Netz der Dinge

Preparations Ahead Of Mobile World Congress

Einmal im Jahr treffen sich Technikverliebte zur größten Handymesse der Welt.

(Foto: Pau Barrena/Bloomberg)

Wenn an diesem Montag die Mobilfunkmesse Mobile World beginnt, geht es weniger um Handys als ums Vernetzen. Wenn das mal so einfach wäre!

Von Helmut Martin-Jung, Barcelona

1,42 Milliarden. Das ist nicht etwa die neue Einwohnerzahl Chinas. So viele Smartphones wurden 2015 auf der Welt gekauft. Nie zuvor hat ein technisches Gerät derart schnell den Globus erobert. 7,3 Milliarden Mobilfunkanschlüsse gab es Ende vergangenen Jahres - so viele wie Menschen. Fast die Hälfte dieser Anschlüsse entfiel auf Smartphones. Doch die Zeiten des Turbo-Wachstums sind vorbei. Im Weihnachtsquartal verkauften von den Top Fünf der Smartphone-Hersteller nur noch Samsung und Huawei mehr Handys als im Jahr davor. Apples Absatz an Endkunden ging um 4,4 Prozent zurück, wie die Marktforscher von Gartner ermittelt haben. Das Gesamtwachstum von knapp unter zehn Prozent war das Niedrigste seit Beginn des Smartphone-Booms 2008.

Wenn sich von diesem Montag an die Größen der Mobilfunkbranche beim Mobile World Congress in Barcelona treffen, werden die neuen Smartphones, die dort gezeigt werden, wenig Staunen hervorrufen. Denn die Neuen unterscheiden sich nicht nennenswert von ihren Vorgängern. "Bahnbrechendes gibt es kaum", bestätigt Anette Zimmermann von Gartner.

Die echten Neuigkeiten, die großen Trends, stecken nicht mehr wie noch vor Jahren in Smartphones. Sie stecken unter anderem in winzigen Sensoren, die durch ihre Menge und die Anbindung ans Internet und Rechenzentren, die Cloud, ganze Städte schlauer machen können. Sie produzieren aber auch Unmengen an Daten, die zu Überwachungszwecken genutzt werden können. Neuerungen verbergen sich zudem in der Verknüpfung bereits existierender Technologien und Dienste. Innovation in diesem Bereich kommt mittlerweile nicht selten auch aus China, wie Mark Curtis beobachtet. Curtis hat seine erste Internetfirma schon Mitte der Neunzigerjahre gegründet, heute leitet er die britische Digitalagentur Fjord, die Büros in 18 Städten der Welt unterhält.

Dass der chinesische Kurznachrichtendienst Wechat mit Baidu, dem führenden Suchmaschinenanbieter des Landes, in Sachen Bezahldienst kooperiert, ist für ihn ein solches Beispiel dafür, wie existierende Dienste und Technologien kombiniert werden können. "Man fragt sich zwar zunächst, was soll das bringen?", sagt Curtis. "Aber es bringt eben eine ganze Menge, wenn aus Konversation eine Handelstransaktion entsteht."

Eine ganze Menge erwartet sich Curtis auch von Spracherkennung und von künstlicher Intelligenz. "Die beiden sind untrennbar miteinander verbunden", sagt er, die Stimme als Mittel zur Steuerung elektronischer Geräte werde mehr und mehr akzeptiert. Auf Smartphones sind Siri (Apple), Cortana (Microsoft) und die namenlose Software von Google ohnehin schon längst präsent. Als richtigen Durchbruch sieht Curtis allerdings "Alexa", ein zylinderförmiges Gerät für zu Hause, das der Internethändler Amazon entwickelt hat. Es wartet stets darauf, dass man es mit einem Codewort weckt und dann um Rat fragt, der in vielen Fällen auch überraschend gut ausfällt.

Auch Anette Zimmermann von Gartner sieht vor allem die Vernetzung aller möglichen Geräte und Sensoren im Hintergrund - das sogenannte Internet der Dinge - als den großen Trend. Einen Trend mit Folgen, an die jetzt viele noch nicht denken: "2018 wird es bereits sechs Milliarden vernetzte Geräte geben, die alle gewartet werden müssen", sagt sie, "eine unvorstellbare Menge." Auch Smart Cities und das smarte Heim funktionieren nur, wenn die unterschiedlichsten Dinge verbunden werden. Auch Wearables, computerähnliche Geräte, die man am Körper trägt, gehörten dazu, sagt Zimmermann. "Samsung zum Beispiel arbeitet daran, die Smartwatch ins vernetzte Heim zu integrieren."

Auch wenn solche Uhren durch eingebaute Mobilfunk-Karten nicht mehr zwingend auf ein Smartphone als Begleiter angewiesen sein werden - die meisten der kleinen Sensoren, der Überwachungskameras, funkgesteuerten Türöffner werden noch immer vom Smartphone aus bedient. Einfach, weil Smartphones das gut können und die Nutzer sich daran gewöhnt haben.

Auch wenn die ganz großen Überraschungen bei den Handys ausbleiben: Es gibt immer wieder Anbieter, die Nischen finden und besetzen. Das reicht von Smartphones für Senioren über besonders robuste Exemplare bis hin zu Handys, deren Hersteller wenigstens versuchen, sich gegen den allgemeinen Trend zur Ressourcenverschwendung zu stemmen.

Erhebliche Ressourcen fließen auch in den Ausbau der Netze. Um das Jahr 2020 herum wollen die Anbieter die fünfte Generation der Mobilfunktechnik, 5G, verbreiten. Handynutzer bekommen das höchstens indirekt mit. Für die Vernetzung von Milliarden von Geräten, die ja auch Herstellung und Produktion voranbringen soll, Stichwort Industrie 4.0, ist die neue Technik aber unverzichtbar. Der Terminplan ist aber ambitioniert. Denn derzeit sind die Netze noch nicht einmal für die Vorgängerversion 4G, auch LTE genannt, wirklich flächendeckend ausgebaut. Das aber ist die Voraussetzung, auf der die Nachfolgetechnik aufbaut.

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