Süddeutsche Zeitung

Handelspolitik:Umweltministerin Schulze gegen Mercosur-Deal

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Die SPD-Politikerin verlangt Nachbesserungen bei dem EU-Handelsvertrag, der Milliarden an Zöllen abschaffen soll. Änderungen sind aber gar nicht so einfach.

Von Michael Bauchmüller, Björn Finke, Brüssel, und Alexander Hagelüken, Berlin, Brüssel

Nach Enthüllungen bisher unter Verschluss gehaltener Teile des Mercosur-Handelsvertrags fordert jetzt auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze Nachbesserungen: "So wie das Abkommen derzeit vorliegt, kann ich eine Ratifizierung nicht unterstützen", sagte die SPD-Politikerin am Freitag der Süddeutschen Zeitung. "Eine Schwachstelle des Abkommens ist, dass Verstöße gegen die Umweltregeln nicht so streng sanktioniert werden wie Verstöße gegen die Handelsregeln." Dieses Ungleichgewicht müsse behoben werden. "Ich setze mich daher für die Vereinbarung entsprechender Regeln ein", sagte Schulze.

Der Handelsvertrag zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur würde die größte Freihandelszone der Welt schaffen; vier Milliarden Euro Zölle pro Jahr würden wegfallen. Kritiker beklagen aber, dass Verstöße gegen Umwelt- und Klimaschutzvorgaben in dem Abkommen nicht ernsthaft bestraft werden können. Sie befürchten noch mehr Brandrodungen am Amazonas, weil der Vertrag Mercosur-Staaten wie Brasilien Rindfleisch-Exporte in die EU zu günstigen Zollsätzen erlaubt - und dafür könnten die Rancher neue Weideflächen brauchen.

Passagen aus dem bisher geheim gehaltenen politischen Teil des Abkommens unterfüttern solche Bedenken. Die Umweltorganisation Greenpeace gelangte an den Text dieses im Juni vereinbarten Assoziierungsabkommens, und SZ, NDR und WDR werteten ihn nun aus. Demnach gelten zwar Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit als "wesentliche Elemente" des Vertrags, nicht jedoch Umwelt- und Klimaschutz. Das erschwert es, bei Verstößen gegen grüne Vorgaben Strafen zu verhängen.

Ministerin Schulze fordert, dass "Umweltregeln im Handelsrecht nicht länger nur Regeln zweiter Klasse sein" dürften. Der Mercosur-Vertrag enthalte zwar immerhin ein eigenes Nachhaltigkeitskapitel; daher sei "der Geist des Abkommens gut". Aber der SPD-Politikerin fehlt "derzeit das Vertrauen, dass sich alle Beteiligten in der Umsetzung auch an den Geist des Abkommens halten". Diese Spitze richtet sich gegen Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro, der nach Meinung von Kritikern zu wenig gegen Brandrodungen am Amazonas tut. "Die anhaltenden Brände im Regenwald erfüllen mich mit großer Sorge", sagt Schulze.

Wegen Bolsonaros Politik dürfte der Vertrag in seiner jetzigen Form keine Chance in Brüssel haben

Auf die Enthüllungen reagierte auch Österreichs Vizekanzler Werner Kogler. Der Politiker der Grünen sagte, der Text bestätige Befürchtungen, "dass Klima- und Umweltschutz bei Mercosur ins Hintertreffen gerät".

Die EU-Kommission einigte sich bereits vor gut einem Jahr mit den vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay auf den Handelsteil des Vertrags. In diesem Sommer folgte der politische Teil. Damit das Abkommen in Kraft tritt, müssen jedoch zunächst die EU-Regierungen zustimmen sowie Europaparlament und nationale Parlamente. Wegen Bolsonaros Politik dürfte der Vertrag in seiner jetzigen Form aber keine Chance in Brüssel haben.

Den Vertrag nachzuverhandeln, sei allerdings schwierig, sagt der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange, der dem Handelsausschuss vorsitzt: Würde das Abkommen aufgeschnürt und mit schärferen Strafmechanismen versehen, hätten die Mercosur-Staaten Gegenforderungen; das Geschachere würde neu beginnen. Lange schlägt stattdessen vor, ein begleitendes Protokoll abzuschließen, das festlegt, wie die Ziele umgesetzt, kontrolliert und Verstöße bestraft werden. Das Problem: "Die brasilianische Regierung lehnt so etwas bisher rigoros ab."

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