Mercedes S-Klasse:Daimler präsentiert neue Version eines Luxus-Symbols

Mercedes S-Klasse

Mercedes S-Klasse: das Breitmaul unter den Limousinen

(Foto: dpa)

Das Breitmaul unter den Limousinen: Die S-Klasse ist für Mercedes die wichtigste Wagenklasse. In dieser Woche steht die Premiere der neuen Generation an - zu einem Zeitpunkt, an dem der Konkurrenzdruck bei den Pkws so groß ist wie noch nie. Vom Erfolg der neuaufgelegten Luxusautos hängt viel ab in Stuttgart-Untertürkheim.

Von Max Hägler, Stuttgart

Ein reibungsloser Start für dieses Auto war das nicht, dabei hatten die Ingenieure doch so viele Jahre an dieser neuen S-Klasse gearbeitet, hatten vorgegeben, dass ihre Arbeit Spitzenklasse sein muss in Preis und Komfort.

Doch dann diese Mäkeleien: Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete von Problemen mit dem Kühler. Der sehe aus wie das Gesicht von Jemandem, der eine besonders große Maultasche verspeise. Das Sinnieren über die "Breitmaul-Physiognomie" war eher nicht lobend gemeint.

Und die Süddeutsche Zeitung freute sich zwar über die sorgfältig verarbeiteten Sicherheitspolster im Fahrgastraum, um dann aber auf ihren "Kraftfahrerseiten" an allem Möglichen herumzukritisieren: Der eingebaute "Scheibenwascher-Fußschalter" sei doch so was von gestern. Ein wenig mehr Kopffreiheit hätte es auch sein können: "Generaldirektoren und sonstige künftige Besitzer der S-Klasse-Autos, die über 1,85 Meter groß sind, sollten die Sitze vom Chauffeur erst einsitzen lassen." Und dann hätten die Daimler-Ingenieure auch noch vergessen, Sicherheitsgurte einzubauen; 266,40 Deutsche Mark kostete die Nachrüstung - damals, im Jahr 1972, als der Autobauer aus Stuttgart-Untertürkheim seine "neue S-Klasse" vorstellte. Die SZ-Überschrift immerhin war nett: "Neuer Glanz für den Mercedes-Stern".

Bei Daimler geht es diesmal um das Wichtigste

Um Glanz geht es auch in dieser Woche wieder, im selben Unternehmen, bei der selben Wagenklasse: Am Mittwochabend feiern die Konstrukteure die Premiere der neuesten S-Klasse-Generation, Daimler-intern Baureihe 222 genannt. Eine Riesenfete wird das wohl auf dem Airbus-Gelände in Hamburg-Finkenwerder, wo normalerweise A380-Flugzeuge ausgeliefert werden. Hunderte Gäste kommen von überall her und fünf Sterne-Köche. Im Internet werden erste Fotos des noch geheimen Wagens herumgereicht, aufgeregt kommentieren Autofans neue Rundungen, neue Regenspritzschutzleisten und was es da sonst noch zu sehen gibt, einschließlich der neuen-alten Breitmaul-Physiognomie des Kühlergrills.

Wenn eine Autofirma alle sieben, acht Jahre eine neue wichtige Wagengeneration vorstellt, finden sie es stets aufregend. Bei Daimler kommt diesmal dazu, dass es um das Wichtigste geht, die S-Klasse.

Daimler will an diesen Autos zeigen, was die Tausenden Ingenieure technologisch leisten können 40 Jahre nach der Sicherheitsgurt-Diskussion. Und das Unternehmen will viel Geld verdienen. Hier gilt die Luxusgüterregel: Was teuer ist, bringt eine gute Marge. Manche in der Branche reden davon, dass Daimler die Hälfte des Verkaufspreises als Profit einstreicht. So kommt es, dass die S-Klasse "für Mercedes-Benz wichtiger ist als jede andere" Wagenklasse, wie Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche stets betont. Das S ist das entscheidende Symbol für den Konzern. Läuft es hier, dann passt es schon, egal was sonst los ist; läuft es hier schief, dann ist Daimler wirklich in der Krise.

Die S-Klasse ist zum Gattungsbegriff geworden

Eine S-Klasse-Premiere ist also bereits unter normalen Umständen ein ambitioniertes Vorhaben. Doch diesmal geht es um noch mehr. Diesmal sind sie bei Daimler, allen voran der angeschlagene Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche, wohl noch aufgeregter, noch stärker auf gute Kritiken angewiesen und schönen Glanz. Denn im Konzern läuft es derzeit nicht rund.

Die Arbeitnehmer gewährten Zetsche nur eine Verlängerung um drei Jahre, nicht wie geplant um fünf Jahre. Der neue Lieferwagen Citan hat Sicherheitsmängel. Die Aktionäre kritisieren unentwegt den mäßigen Lauf der Aktie. Und der Konkurrenzdruck gerade bei den Pkw ist groß wie noch nie. Generaldirektoren in aller Welt, die heute neumodisch CEOs genannt werden, steigen immer häufiger in Oberklassemodelle von BMW und Audi, zwei Firmen, die vor vier Jahrzehnten noch nicht an das Premium-Image der schwäbischen Wagen heranreichten. Nun muss endlich wieder ein Erfolg her. Der Stern soll, so wünschen sie es sich bei Daimler, soll endlich wieder strahlen.

"Ikone der Fortbewegung" nennen sie bei Daimler ihre S-Klasse selbstbewusst wie meist. Das passt zu dem S, das den Erzählungen zufolge für das Wort Sonder steht. Wobei das mit der Ikone auch bei neutraler Betrachtung einigermaßen stimmt, wenn man die Historie dieses großen Wagens verfolgt, der auch die Geschichte der Bundesrepublik widerspiegelt. Nach natürlich wohlmeinender Unternehmensdefinition beginnt sie spätestens mit dem Mercedes 300, dem Adenauer-Mercedes, der Anfang der 1950er Jahre auf den Markt kam und mit seiner großen Frontschnauze noch viel Vorkriegsästhetik mitbrachte.

Die Autobauer haben sich einiges einfallen lassen

Es folgten die Baureihen W 108/W 109, mit diesen vielen glänzenden Chromleisten und bald auch einer elektronischer Benzineinspritzung - das Auto für die Wirtschaftswunderlenker. 1972 dann traute sich die Republik endgültig mehr zu, Olympia war in Deutschland, der alte Mief ausgefegt - und Daimler-Benz wagte ganz offiziell die luxuriöse und teure Sonder-Klasse einzuführen, mit gesellschaftsprägendem Erfolg: Mittlerweile bewerben manche Küchenhersteller ihre schnieken Resopalmöbel als S-Klasse, die Rapperin Sabrina Setlur nannte in doppelter Anspielung eines ihrer Alben: die neue S-Klasse.

Damit auch künftig ihre Oberklasseautomobilkategorie als Gattungsbegriff für Luxusgüter verwandt wird, haben sie sich in der neuen Auto-Generation einiges einfallen lassen. Von Hot-Stone-Massage-Funktion ist die Rede, ein Frontbass-Soundsystem soll es geben und ein Fahrwerk, das ein "Dahingleiten" ermöglicht.

Wie es sich mit der Scheibenwaschanlage verhält und ob groß gewachsene Generaldirektoren gut hineinpassen, wird sich freilich erst am Mittwochabend zeigen.

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