Mercedes EQC:Kompromisslösung statt Tesla-Jäger

Mercedes EQC bei der Präsentation 2018 in Gustavsberg

Mercedes präsentierte in Stockholm seinen Elektro-SUV mit dem Namen EQC.

(Foto: REUTERS)
  • Mercedes präsentiert seinen Elektro-SUV, den EQC. Mit 408 PS und einer Reichweite von 450 Kilometern soll er Tesla Konkurrenz machen.
  • Doch das Auto wirkt mehr wie eine Kompromisslösung als wie eine echte Kampfansage.
  • Wie Mercedes versuchen auch andere deutsche Hersteller eilig, ihren Rückstand bei der E-Mobilität aufzuholen.

Von Stefan Mayr, Stockholm

Dieter Zetsche hat mitten in die Natur geladen. An einem Ufer der Stockholmer Schärenlandschaft, Fichtenwald auf der einen Seite und Wasser auf der anderen, sagt der Daimler-Chef: "Dieser Wagen ist der erste Repräsentant einer neuen Generation." Dann ertönen Pianoklänge, Naturbilder flimmern über die Leinwand, und der erste rein elektrisch betriebene Mercedes-Pkw rollt auf die spiegelnde Bühne des Kunstmuseums Artipelag.

Der mittelgroße Geländewagen namens EQC soll die Vormachtstellung des kalifornischen Konkurrenten Tesla im Premiumsegment der Strom-Pkw beenden und dem schwäbischen Autobauer den Weg in die Zukunft weisen. Ob das gelingt, wird sich Mitte 2019 zeigen, wenn der vermutlich 70 000 Euro teure SUV im Bremer Daimler-Werk vom Band rollt.

"Er ist ein echter Mercedes", wirbt Zetsche bei der Präsentation des EQC am Dienstagabend. Der EQC sei genauso sicher, komfortabel und dynamisch wie andere Fahrzeuge aus dem Hause Daimler. Allerdings lässt Zetsche seinen neuen Hoffnungsträger im Vergleich zur Konkurrenz in einzelnen Kenndaten alt aussehen: Bei der Batteriekapazität etwa begnügt sich Daimler - zunächst - mit 80 Kilowattstunden. Das ist weniger als Tesla (bis zu 100 kWh), Audi (95 kWh) und Jaguar (90 kWh). Wie das zum Daimler-Slogan "Das Beste oder nichts" passt? Dieter Zetsche siedelt seinen ersten reinen Stromer trotzdem an der Spitze an: "Das Gesamtpaket zählt", tönt er.

Angetrieben wird der EQC von zwei voneinander unabhängigen Elektromotoren, der eine an der Vorderachse, der andere an der Hinterachse. Zusammen sollen sie 408 PS leisten, den Wagen in 5,1 Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit ist allerdings auf 180 km/h begrenzt. Damit verspricht Daimler eine Reichweite von 450 Kilometern.

Rein äußerlich ist das Auffälligste an dem 2,4-Tonner sein weißes Lichtband, das die beiden Frontscheinwerfer miteinander verbindet. Im Vergleich zur Designstudie hat das EQC-Serienmodell die Kameras als Ersatz für die Außenspiegel verloren, denn diese sind in Deutschland nicht erlaubt. Dafür gibt es auf Wunsch immerhin eine Anhängerkupplung.

Die Lade-Infrastruktur muss ausgebaut werden

Über den Verkaufspreis schweigt sich Zetsche noch aus. Er wird wohl bei etwa 70 000 Euro liegen, ist aus Unternehmenskreisen zu hören. Viel Geld für ein Fahrzeug, das sehr nach Kompromisslösung aussieht, und kaum nach Vision. Der EQC ist ein aufgehübschtes GLC-Modell, mit solidem Design und all den anderen Premium-Bestandteilen, die man von Mercedes gewohnt ist. So weit, so gut. Aber ein großer Wurf? Sieht anders aus.

Ob Zetsche damit den Sprung in die Zukunft schafft? "Die Zeit ist jetzt reif für einen elektrischen Mercedes-SUV", sagt der 65-jährige Vorstandschef. Daimler sei mitnichten zu spät. Vielmehr habe man abwarten müssen, bis Batterietechnologie, Ladeinfrastruktur und Nachfrage stark genug sind.

Wobei, die Infrastruktur müsse sich schon noch weiterentwickeln, erklärt Zetsche am Rande der Präsentation: "Es wird in Europa sicherlich noch Bereiche geben, in denen es sehr aufwendig und schwierig ist, elektrisch unterwegs zu sein." Aber eigentlich, so betont er, will er sich mit der viel zitierten Henne-Ei-Diskussion um die Frage, was es zuerst braucht - die Autos oder die Ladestationen - nicht mehr länger abmühen. Stattdessen ruft er gut gelaunt aus: "Das Ei wird jetzt gelegt."

Auch BMW, VW und Audi bringen bald neue E-Autos

Das klingt entschlossen. Aber kritischere Stimmen sagen: Daimler und die anderen deutschen Hersteller haben bei der E-Mobilität viel zu lange gezögert. Vor allem bei einem wichtigen Bestandteil der Stromautos haben die Deutschen den Anschluss verloren: der Batteriezelle. Sie macht künftig bei jedem verkauften Auto etwa ein Viertel der Wertschöpfung aus. Doch im Gegensatz zu all den Benzin- und Dieselmotoren, auf die die Ingenieure und Käufer von Mercedes, Porsche und BMW so stolz sind, kommt das Herz der Autos künftig nicht aus Deutschland, sondern aus Asien. Mit negativen Folgen: "Da wir das Thema Elektroauto so lange vor uns hergeschoben haben und jetzt über Nacht auf 100 hochfahren, wird es knapp mit den Kapazitäten für Zellen", sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center der Universität Duisburg-Essen.

Auch Jaguar-Chef Ralf Speth prophezeit für 2019 einen Engpass bei den Batterien. Jaguar ist im März den deutschen Premium-Herstellern zuvorgekommen und hat mit seinem Modell i-Pace dem US-Hersteller Tesla einige Marktanteile abgeluchst. Daimler, BMW und Volkswagen starten also nicht vom zweiten Platz, sondern nur vom dritten Rang. Lange Zeit hielten sie sich sehr zurück, jetzt kann es ihnen gar nicht schnell genug gehen: Einen Tag vor der Mercedes-Show verkündete Audi noch schnell den Produktionsstart seines E-Tron, in zwei Wochen soll er in San Francisco präsentiert werden. Der SUV soll schon in diesem Jahr auf die Straße rollen.

2019 folgen dann der Mercedes EQC und der Porsche Taycan. 2020 kommen dann VW mit dem ID Neo und BMW mit dem Elektro-Mini.

BMW zieht ebenfalls noch im September eine große Show auf, um seine neueste E-Konzeptstudie iNext zu zeigen: Auf einem Rundflug von München über New York, San Francisco und Peking nach Frankfurt wird das Auto kommende Woche in fünf Tagen 300 Journalisten auf drei Kontinenten vorgeführt. Drei bombastische Elektro-Auto-Auftritte innerhalb weniger Tage, was ist da los? "Da will sich keiner die Butter vom Brot nehmen lassen", sagt Ferdinand Dudenhöffer.

Keine Frage: Die Autoindustrie denkt um. Allerdings nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern eher aus purer Not. Die Hersteller brauchen ihre E-Autos, um in Europa von 2021 an die strengeren EU-Grenzwerte für den CO2-Flottenverbrauch von 95 Gramm pro Kilometer einhalten zu können. Wer die Marke reißt, muss Strafe zahlen. "Es wird sicher eine große Herausforderung, das Flottenziel zu erreichen", sagt Daimlers Entwicklungsvorstand Ola Källenius.

So mancher Experte prophezeit sogar, die Hersteller würden notfalls lieber ihre E-Autos mit massiven Rabatten unters Volk bringen als Strafen zu zahlen. Wie es auch kommt, beides drückt auf die Gewinne. Entsprechend bescheiden sind die Aussichten: Sowohl Daimler als auch Porsche haben ihre Aktionäre bereits auf sinkende Gewinne vorbereitet. Aber es ist noch nicht alles verloren, meint Ferdinand Dudenhöffer: "Man kommt auf den letzten Drücker, der Zug fängt an zu rollen, aber man kann noch aufspringen." Der Tesla-Vorsprung nehme ab, der Dieselskandal sei insofern "fast ein Segen" gewesen. Denn damit habe auch der letzte Entwickler verstanden, dass der Verbrennungsmotor in seiner Endphase steht.

Deutsche Autobauer könnten rasch Marktanteile gewinnen

Die Marktforscher von LMC Automotive sagen sogar voraus, dass die deutschen Hersteller bald Tesla überrunden werden. In den nächsten zehn Jahren könne der Marktanteil von Elon Musks Tesla von heute gut zwölf auf knapp drei Prozent sinken, während Daimler, BMW und Audi bis 2020 zusammen zwölf Prozent des weltweiten E-Auto-Absatzes eroberten und bis 2023 schon fast jedes fünfte Stromauto lieferten.

Für Daimler ist der EQC nur der Anfang. Bis 2022 sollen schon zehn verschiedene Elektromodelle auf dem Markt sein - vom Kompaktwagen bis zur Luxuskarosse. Bis 2025 sollen die EQ-Modelle ein Viertel des Mercedes-Absatzes bei Pkw ausmachen. Zetsche lässt sich den Sprung in eine neue Ära einiges kosten: Insgesamt investiert Daimler mehr als elf Milliarden Euro in seine Stromoffensive. Es wird spannend, wie Tesla-Chef Elon Musk darauf reagiert. Vom Stuhl hauen wird ihn der neue Konkurrent mit Stern sicherlich nicht.

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