Menschenrechte:Konzerne in der Pflicht

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Nähen im Akkord unter denkbar schlechten Bedingungen: In vielen Textilfabriken in Bangladesch ist das nach wie vor üblich. (Foto: Andrew Biraj/Reuters)

Die Vereinten Nationen arbeiten an internationalen Arbeits- und Umweltgesetzen. Konzerne sollen mehr Verantwortung übernehmen. Sie müssen bislang wenig befürchten.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Immer wieder geraten Konzerne in die Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen. Zum Beispiel Shell wegen Umweltverseuchungen bei der Ölförderung in Nigeria oder Apple wegen schlechter Arbeitsbedingungen bei seinem Zulieferer Foxconn. Modeunternehmen wie H&M und Primark gerieten nach dem Zusammensturz eines Fabrikgebäudes in Bangladesch mit mehr als 1130 Toten unter Druck. Für die Einhaltung von Arbeitsrecht und Umweltgesetzen sind laut Völkerrecht die Staaten zuständig. Bislang hat sich die Politik auf internationaler Ebene stets für freiwillige Regeln entschieden, wenn es um Fragen der Verantwortung von Unternehmen geht.

Zuletzt geschah dies mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen (UN) für Unternehmen und Menschenrechte im Jahr 2011. Regeln, die breite Zustimmung in der Wirtschaft fanden. Auch in Deutschland wurden sie mittlerweile in einen nationalen Aktionsplan umgesetzt. Die EU setzt auf diesen Prozess, aber eine ganze Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern halten eine Verschärfung der Regeln für notwendig und fordern verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen.

Diese Woche beraten Vertreter von 80 Ländern und einigen Hundert NGOs beim Menschenrechtsrat der UN in Genf über ein solches Abkommen. "Konzerne sollten dazu verpflichtet werden, Menschenrechte auch im Ausland zu achten", findet Sarah Lincoln, Juristin bei Brot für die Welt. Das evangelische Hilfswerk ist Teil einer breiten Allianz von 700 Nichtregierungsorganisationen, die einen UN-Vertrag für Konzernhaftung fordern. Der Plan sieht vor, Unternehmen nur dann zu belangen, wenn diese gegen Sorgfaltspflichten verstoßen und es zu Schäden komme. Wer beispielsweise durch Zulieferer oder Tochterunternehmen ausländischer Konzerne geschädigt wird, soll generell die Möglichkeit erhalten, in den Heimatländern der Konzerne zu klagen - bislang ist der Rechtsweg Opfern in vielen Fällen versperrt. Vorschläge gibt es auch für die Einrichtung internationaler Gremien, sie reichen bis hin zur Schaffung eines internationalen Gerichtshofs für Menschenrechtsverletzungen in der Wirtschaft. Vorbild sind hier die Schiedsgerichte, bei denen Konzerne gegen Staaten klagen können, wenn sie Verstöße gegen Handels- und Investitionsabkommen sehen.

Genaue Zahlen zu Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne gibt es zwar nicht, aber einen Hinweis liefert eine Studie der Universität Maastricht, die 1800 Beschwerden gegen Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen analysiert hat. An der Spitze standen Firmen aus den USA (511), Großbritannien (198), Kanada (110), China (94) und Deutschland (87). Fest steht, dass die Konzerne die großen Gewinner der Globalisierung sind: Zwischen 1989 und 2015 haben sich die Umsätze der größten 30 000 Unternehmen verdoppelt und ihre Gewinne verfünffacht. Eine Ursache dafür ist, dass Firmen die Fertigung in Regionen mit geringeren Umwelt- und Sozialstandards verlegten.

Der Anstoß für die Initiative kam 2014 von Ecuador und Südafrika. Jetzt läuft die dritte Verhandlungsrunde. Ein Streitpunkt ist der Adressatenkreis, der zunächst auf internationale Konzerne beschränkt war. Vor allem die EU pochte darauf, dass die Regeln für alle Firmen gelten. Mittlerweile sei von "transnationalen Wirtschaftsbeziehungen" die Rede, sagt Lincoln, somit sei klar, dass alle gemeint seien. China unterstützte das Projekt. Deutschland lässt sich von der EU vertreten, die bislang keine gemeinsame Position zu den Zielen eines Abkommens hat. Die USA blieben außen vor. Unklar ist wie es weitergeht, weil der Prozess ursprünglich nur auf drei Verhandlungsrunden angelegt war. Geht es nach dem Mitinitiator Ecuador, wird das Land nächstes Jahr einen Vertragsentwurf präsentieren, über den dann abschließend verhandelt werden könnte. Möglicherweise scheitert das Projekt, es wäre nicht das erste Mal. Schon zwei Mal verliefen Anläufe auf UN-Ebene im Sande, mit denen verbindliche Regeln für Unternehmen eingeführt werden sollten, letztmals 2003.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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