Meinungsfreiheit:Kein Netz für Neonazis

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Gegendemonstranten protestieren in Charlottesville gegen eine Kundgebung von ultrarechten Rassisten, die sich selbst Alt-Right-Bewegung nennen. (Foto: AFP)
  • Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in den USA so wichtig wie in kaum einem anderen Land.
  • Trotzdem beginnen einige US-amerikanische Tech-Firmen, rechte Rassisten von ihren Plattformen zu verbannen.
  • Das Weiße Haus übt sich dagegen in vornehmer Zurückhaltung und verlangt sogar Daten der Besucher einer Trump-kritischen Webseite.

Von Bernd Graff

Die USA sichern im ersten Zusatzartikel ihrer Verfassung eine Freiheit der Rede zu, die in ihrer Radikalität in anderen Ländern, etwa in Deutschland, nicht gegeben ist. So sind in den USA Äußerungen statthaft, die andernorts strafbar wären. Unabhängig davon bleibt es aber auch für die Amerikaner so, dass keinesfalls alles für anständig und moralisch vertretbar gehalten wird, was von diesem Zusatzartikel mit der Redefreiheit geschützt ist.

Die anderen müssen dazu nicht schweigen. Sie können deutlich machen, dass die Sprache des Hasses, der Diskriminierung, der Verachtung nicht tolerierbar ist, auch wenn sie formal toleriert werden muss. Was nun den Präsidenten Donald Trump gerade in die Bredouille bringt, ist seine im besten Falle als wankelmütig zu bezeichnende Haltung angesichts einer Bluttat, die präsidiale Entschiedenheit in der Verurteilung verlangt hätte.

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So empört viele Amerikaner, nicht nur die Liberalen, seine halbherzige, auch nur nachgereichte und dann sofort wieder relativierte Ächtung der offen gewaltbereit auftretenden Neo-Nazis in Charlottesville, dem Ort in Virginia, an dem am Wochenende eine Frau von einem Radikalen getötet wurde. Wegen dieser Indifferenz des Präsidenten sind inzwischen vier Top-Manager amerikanischer Schlüsselindustrien aus Trumps "American Manufacturing Council" zurückgetreten. Dieses Gremium berät die Regierung in Wirtschaftsfragen.

Tatsächlich steht Trumps Dauerflirt mit rechten Extremisten und sein Beharren auf deren Recht auf freie Meinungsäußerung in augenfälligem Kontrast zu der aggressiven Unnachgiebigkeit gegenüber linken und liberalen Oppositionellen und scheint zum politischen Programm seiner Administration zu gehören.

Justizministerium verlangt Nutzerdaten einer Trump-kritischen Website

Das wird besonders dadurch deutlich, wie unterschiedlich die Behörden derzeit mit zwei politischen Internetplattformen umgehen. Zum einen forderte das Justizministerium am Wochenende mit richterlicher Bestätigung die Betreiber der Website "DisruptJ20" auf, die Internetadressen, E-Mail- und Kontaktlisten aller 1,3 Millionen Nutzer samt der Besuchshäufigkeit und -dauer zu überstellen.

Die Seite hat einen sprechenden Namen, sie entstand, um Trumps Inauguration am 20. Januar (J20) zu "stören" (disrupt). Tatsächlich haben sich hier oppositionelle Gruppen organisiert, einige ihrer Mitglieder wurden dann am 20. Januar auch verhaftet, angeblich weil sie Sachschaden in Höhe von 100 000 Dollar in Washington D.C., verursacht haben.

Nun aber will das Justizministerium an die Daten von allen Nutzern kommen, auch von denen, die die Website nur aufgerufen haben, die selber gar nicht protestieren wollten, sondern nur Interesse an diesem Protest hatten. Der Betreiber der Website weigert sich, die Daten herauszurücken, und begründet dies damit, dass eine derart "ungezielte Anforderung" durch das Justizministerium das Recht auf freie Meinungsäußerung verletze, es sei "ein starkes Beispiel für den Missbrauch von Regierungsmacht". Am 18. August wird es dazu eine Anhörung in Washington geben.

Silicon-Valley-Firmen werfen Rechtsradikale raus

Völlig anders verhält sich die Trump-Regierung dann bei "Discord", einer App, die von ultrarechten Nationalisten und Neo-Nazis zur Vorbereitung ihrer Charlottesville-Aktionen benutzt wurde. Wie die New York Times berichtet, haben sich Extremisten hier über Monate hinweg in Chat-Gruppen ausgetauscht, die sie "Nationalsozialistische Armee" oder "Führers Gas Kammer" genannt hatten. Dazu wurden in Discord Hakenkreuze und Hitlerhuldigungen gepostet. Nach dem Anschlag, bei dem die junge Frau in Charlottesville starb, plante man sogar noch einen Aufmarsch zu ihrer Beerdigung.

Von der New York Times schon vor Wochen darauf angesprochen, dass sich unter ihrem Dach der Extremismus formiere, hätten Discord-Manager zugegeben, von dem Problem zu wissen, dann aber auf den Ersten Zusatz der Verfassung und das Recht auf freie Meinungsäußerung verwiesen. Anscheinend sehen sie das jetzt anders: Nach Charlottesville wurden die Radikal-Communities von den Plattform-Betreibern - nicht von der Regierung! - geschlossen.

Wie auch andere Silicon-Valley-Firmen, etwa Google und Airbnb, aber auch Crowdfunding-Seiten, die keine Geldbeschaffungsplattformen für Rassismus sein wollen, oder der Online-Bezahldienst Paypal, der schon Konten von Extremisten gesperrt hat, ist man seit dem Anschlag nicht mehr bereit, Nazismus und verwandten Ideologien Plattformen zur Planung und Finanzierung von Terrorattacken und zur Verbreitung von Hass zu bieten. Das zu Google gehörende Videoportal Youtube etwa hat seine Geschäftsbedingungen dahingehend geändert, dass Rassisten-Inhalte keine Likes und Weiterverbreitung mehr erfahren können.

Aus dem Weißen Haus dröhnt lautes Schweigen

Die Vertreter der Alt-Right jaulen in anderen Netzwerken wie Twitter auf und reden von Zensur. Dabei verfügt jedes dieser Unternehmen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), denen jeder Nutzer zustimmen muss. Und natürlich behält sich jedes Unternehmen in diesen AGB vor, missliebige Nutzer zu sperren. Das trifft die extreme Rechte auch deshalb hart, weil Social Media die Basis für ihre Kommunikation darstellen. Darum beginnen nun Techno-Anarchisten, wie sie sich selber nennen, damit, alternative Kanäle selbst aufzubauen.

So entsteht eine verdrehte Situation: Während die von der Trump-Regierung geführten staatlichen Stellen eine einseitige Auslegung des First Amendment zu pflegen scheinen, obliegt es Privatunternehmen, Rassismus und die Vorbereitung terroristischer Anschläge aus dem öffentlichen Diskurs zu bannen. Das ist nicht ihre Aufgabe - aber es ist besser als das laute Gewäsch aus dem Weißen Haus. Noch bedenklicher aber wiegt der Vorwurf des Missbrauchs von Regierungsmacht: Nachdem man sich an den Gedanken fast schon gewöhnt hatte, dass Privatfirmen unsere Daten ausbeuten, will man sich gar nicht vorstellen, was eine staatliche Infrastruktur aus ihnen alles herauslesen möchte - und können wird. Denn wer sagt denn, dass die Anfrage des US-Justizministeriums ein Einzelfall bleibt.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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